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Lü
Dongbin
Das Geheimnis der goldenen Blüte
Jung C. G. und Richard Wilhelm. «Das Geheimnis der goldenen Blüte: Ein chinesisches
Lebensbuch». (Mit einem europäischen Kommentar von Carl Gustav Jung, aus d.
Chines. übers. u. Erläuterungen von Richard Wilhelm, Zürich: Rascher, (1929)
1965).
Englische
Version
Ungarische Version
Inhalt:
Vorrede zur II. Auflage von C. G. Jung
Zum Gedächtnis Richard Wilhelms
Einleitung
1. Warum es dem Europäer schwer fällt, den Osten zu verstehen
2. Die moderne Psychologie eröffnet eine Verständnismöglichkeit
Die Grundbegriffe
1. Tao
2. Die Kreisbewegung und der Mittelpunkt
Die Erscheinungen des Weges
1. Die Auflösung des Bewußtseins
2. Animus und Anima
Die Loslösung des Bewußtseins vom Objekt
Die Vollendung
Schlußwort
Beispiele europäischer MandalasText und Erläuterungen von Richard Wilhelm
Ursprung und Inhalt des Tai I Gin Hua Dsung Dschi
1. Herkunft des Buches
2. Die psychologischen u. kosmologischen Voraussetzungen des WerkesÜbersetzung
1. Das himmlische Bewußtsein (Herz)
2. Der ursprüngliche Geist und der bewußte Geist
3. Kreislauf des Lichts und Wahrung der Mitte
4. Kreislaut des Lichts und Rhythmisierung des Atems
5. Irrtümer beim Kreislauf des Lichts
6. Bestätigungserlebnisse beim Kreislauf des Lichts
7. Die lebendige Art des Kreislaufs des Lichts
8. Zauberspruch für die Reise ins WeiteMit einem europäischen Kommentar von C.G. Jung.
1. Das himmlische Bewußtsein (Herz)
Der Meister Lü Dsu sprach: Das durch sich selbst Seiende heißt Sinn (Tao). Der Sinn hat nicht Name noch Gestalt. Es ist das eine Wesen, der eine Urgeist. Wesen und Leben kann man nicht sehen. Es ist enthalten im Licht des Himmels. Das Licht des Himmels kann man nicht sehen, es ist enthalten in den beiden Augen. Ich will heute Euer Geleitsmann sein und Euch zuerst das Geheimnis der Goldblume des Großen Einen eröffnen, um von da aus das Weitere einzeln zu erklären.
Der Große Eine ist die Bezeichnung dessen, das nichts mehr über sich hat. Das Geheimnis des Lebenszaubers besteht darin, daß man das Handeln benützt, um zum Nichthandeln zu kommen, man darf nicht alles überspringen und direkt eindringen wollen. Der überlieferte Grundsatz ist, die Arbeit am Wesen in die Hand zu nehmen. Dabei kommt es darauf an, nicht in Abwege zu geraten.
Die Goldblume ist das Licht. Welche Farbe hat das Licht? Man nimmt die Goldblume zum Gleichnis. Das ist die wahre Kraft des transzendenten Großen Einen. Das Wort: "Das Blei der Wassergegend hat nur einen Geschmack" deutet darauf hin.
Im Buch der Wandlungen heißt es: Der Himmel erzeugt durch die Eins das Wasser. Das ist eben die wahre Kraft des Großen Einen. Wenn der Mensch dieses Eine erlangt, so wird er lebendig, verliert er es, so stirbt er. Aber obwohl der Mensch in der Kraft (Luft, Prana) lebt, so sieht er die Kraft (Luft) nicht, ebenso wie die Fische im Wasser leben, aber das Wasser nicht sehen. Der Mensch stirbt, wenn er keine Lebensluft hat, ebenso wie die Fische ohne Wasser zu Grunde gehen. Darum haben die Adepten die Leute gelehrt das Ursprüngliche festzuhalten und das eine zu wahren, das ist der Kreislauf des Lichts und die Wahrung des Zentrums. Wenn man diese echte Kraft wahrt, so kann man seine Lebenszeit verlängern und dann die Methode anwenden durch "Schmelzen und Mischen" einen unsterblichen Leib zu schaffen.
Die Arbeit des Kreislaufs des Lichts beruht ganz auf der rückläufigen Bewegung, daß man die Gedanken (die Stelle des himmlischen Bewußtseins, das himmlische Herz) sammelt. Das himmlische Herz liegt zwischen Sonne und Mond (d. h. den beiden Augen).
Das Buch vom gelben Schloß sagt: "In dem zollgroßen Feld des fußgroßen Hauses kann man das Leben ordnen." Das fußgroße Haus ist das Gesicht. Im Gesicht das zollgroße Feld: was könnte es anderes sein als das himmlische Herz? Inmitten des Geviertzolls wohnt die Herrlichkeit. In dem purpurnen Saal der Nephritstadt wohnt der Gott der äußersten Leere und Lebendigkeit. Die Konfuzianer nennen es: Zentrum der Leere, die Buddhisten: Terrasse der Lebendigkeit, die Taoisten: Ahnenland oder gelbes Schloß oder dunkler Paß oder Raum des früheren Himmels. Das himmlische Herz gleicht der Wohnung, das Licht ist der Hausherr.
Darum, sowie das Licht im Kreislauf geht, stellen sich die Kräfte des ganzen Körpers vor seinem Thron ein, wie wenn ein heiliger König die Hauptstadt festgesetzt und die Grundordnung geschaffen hat, alle Staaten mit Tributgaben nahen, oder wie, wenn der Herr ruhig und klar ist, Knechte und Mägde von selbst seinen Befehlen gehorchen und jedes seine Arbeit tut.
Darum braucht ihr nur das Licht in Kreislauf zu bringen; das ist das höchste und wunderbarste Geheimnis. Das Licht ist leicht zu bewegen aber schwer zu fixieren. Wenn man es lang genug im Kreis laufen läßt, dann kristallisiert es sich; das ist der natürliche Geistleib. Dieser kristallisierte Geist bildet sich jenseits der neun Himmel. Das ist der Zustand, von dem es im Buch vom Siegel des Herzens heißt: "Schweigend fliegst du des Morgens empor."
Bei der Durchführung dieses Grundsatzes braucht ihr nach keinen anderen Methoden zu suchen, sondern müßt einfach die Gedanken darauf sammeln. Das Buch Long Yen sagt: "Durch Sammlung der Gedanken kann man fliegen und wird im Himmel geboren." Der Himmel ist nicht der weite blaue Himmel, sondern der Ort, wo die Leiblichkeit im Haus des Schöpferischen erzeugt wird. Wenn man lang damit fortfährt, so entsteht ganz natürlich außer dem Leibe noch ein anderer Geistesleib.
Die Goldblume ist das Lebenselixier (Gin Dan, wörtlich Goldkugel,Goldpille). Alle Wandlungen des geistigen Bewußtseins hängen vom Herzen ab. Hier gibt es einen geheimen Zauber, der obwohl er ganz genau stimmt, dennoch so fließend ist, daß er äußerster Intelligenz und Klarheit und der äußersten Vertiefung und Ruhe bedarf. Menschen ohne diese äußerste Intelligenz und Verständnis finden den Weg der Anwendung nicht, Menschen ohne diese äußerste Versenkung und Ruhe können ihn nicht festhalten.
Dieser Abschnitt erklärt den Ursprung des großen Sinns der Welt (Tao). Das himmlische Herz ist der Wurzelkeim des großen Sinns. Wenn man ganz ruhig zu sein vermag, dann wird das himmlische Herz von selbst offenbar. Wenn das Gefühl sich regt und rechtläufig sich äußert, so entsteht der Mensch als ursprüngliches Lebewesen. Dieses Lebewesen weilt vor der Geburt nach der Empfängnis im wahren Raum. Wenn der eine Ton der Individuation in die Geburt eintritt, ist das Wesen und das Leben in zwei geteilt. Von da ab sehen sich - wenn nicht die äußerste Ruhe erreicht wird - Wesen und Leben nicht wieder.
Darum heißt es im Plan des großen Pols: Das Große Eine befaßt in sich die wahre Kraft (Prana), den Samen, den Geist, den Animus und die Anima. Wenn die Gedanken ganz ruhig sind, so daß man das himmlische Herz sieht, so erreicht von selbst die geistige Intelligenz den Ursprung. Dieses Wesen wohnt allerdings im wahren Raum, aber der Lichtglanz wohnt in den beiden Augen. Darum lehrt der Meister den Kreislauf des Lichts, um das wahre Wesen zu erlangen. Das wahre Wesen ist der ursprüngliche Geist. Der ursprüngliche Geist ist eben das Wesen und Leben, und wenn man das Reale daran nimmt, so ist es eben die Urkraft. Und der große Sinn ist eben dieses Ding.
Der Meister ist nun weiterhin besorgt, daß die Leute den Weg ja nicht verfehlen, der vom bewußten Handeln zum unbewußten Nichthandeln führt. Darum sagt er: Der Zauber des Lebenselixiers bedient sich des bewußten Handelns um zum unbewußten Nichthandeln zu gelangen. Das bewußte Handeln besteht darin, daß man das Licht durch Reflexion in Kreislauf versetzt, um die Auslösung des Himmels zur Erscheinung zu bringen. Wenn dann der wahre Same geboren wird und man die rechte Methode anwendet um ihn zu schmelzen und zu mischen und so das Lebenselixier zu schaffen, dann geht es durch den Paßweg; der Embryo bildet sich, der durch die Arbeit des Wärmens, Nährens, Badens und Waschens entwickelt werden muß. Das geht in das Gebiet des unbewußten Nichthandelns hinüber. Es bedarf eines vollen Jahrs dieser Feuerperiode, ehe der Embryo geboren wird, die Schalen abstreift und aus der gewöhnlichen Welt in die heilige übergeht.
Diese Methode ist ganz einfach und leicht. Aber es gibt so viele sich wandelnde und verändernde Zustände dabei, daß es heißt: Nicht mit einem Sprung kann man plötzlich hinein gelangen. Wer das ewige Leben sucht, der muß den Ort suchen, wo ursprünglich das Wesen und Leben entspringt.
2. Der ursprüngliche Geist und der bewußte Geist
Der Meister Lü Dsu sprach: Himmel und Erde gegenüber ist der Mensch wie eine Eintagsfliege. Aber dem großen Sinn gegenüber sind auch Himmel und Erde wie eine Luftblase und ein Schatten. Nur der ursprüngliche Geist und das wahre Wesen überwindet Zeit und Raum.
Die Samenkraft ist ebenso wie Himmel und Erde der Vergänglichkeit unterworfen, aber der Urgeist ist jenseits der polaren Unterschiede. Hier ist der Ort von wo Himmel und Erde ihr Dasein ableiten. Wenn die Lernenden es verstehen den Urgeist zu erfassen, so überwinden sie die polaren Gegensätze von Licht und Dunkel und weilen nicht mehr in drei Welten. Aber dazu ist nur der fähig, der das Wesen geschaut hat in seinem ursprünglichen Angesicht.
Wenn die Menschen vom Mutterleib sich lösen, so wohnt der Urgeist im Geviertzoll (zwischen den Augen), der bewußte Geist aber wohnt unten im Herzen. Dieses untere fleischerne Herz hat die Form eines großen Pfirsichs, es ist von den Lungenflügeln bedeckt, von der Leber unterstützt und von den Eingeweiden bedient. Dieses Herz ist abhängig von der Außenwelt. Wenn man auch nur einen Tag nichts ißt, so fühlt es sich äußerst unbehaglich. Wenn es etwas Erschreckendes hört, so klopft es, wenn es etwas Erzürnendes hört, so stockt es, wenn es sich dem Tod gegenüber sieht, so wird es traurig, wenn es etwas Schönes sieht, so wird es verblendet Aber das himmlische Herz im Kopfe, wann hätte das auch nur im mindesten sich bewegt? Fragst du, kann das himmlische Herz sich nicht bewegen? so antworte ich: Wie sollte der wahre Gedanke im Geviertzoll sich bewegen können! Bewegt er sich wirklich, so ist es nicht gut. Denn wenn die gewöhnlichen Menschen sterben, dann bewegt er sich, aber das ist nicht gut. Am besten ist es freilich, wenn das Licht sich schon zu einem Geistleib verfestigt hat und allmählich seine Lebenskraft die Triebe und Bewegungen durchdringt. Aber das ist ein Geheimnis, das seit Jahrtausenden nicht verkündet worden ist.
Das untere Herz bewegt sich wie ein starker mächtiger Feldherr, der den himmlischen Herrscher ob seiner Schwäche mißachtet und die Führung der Staatsgeschäfte an sich gerissen hat. Wenn es aber gelingt, das Urschloß zu festigen und zu wahren, so ist es wie wenn ein starker und weiser Herrscher auf dem Thron sitzt. Die Augen bringen das Licht in Kreislauf wie zwei Minister zur Rechten und zur Linken, die mit aller Kraft den Herrscher stützen. Wenn so die Herrschaft im Zentrum in Ordnung ist, so werden alle jene aufrührerischen Helden mit umgekehrter Lanze sich einfinden, um ihre Befehle entgegen zu nehmen.
Der Weg zum Lebenselixier kennt als höchsten Zauber das Samenwasser, das Geistesfeuer und die Gedankenerde: diese drei. Was ist das Samenwasser? Es ist des früheren Himmels wahre, eine Kraft (Eros). Das Geistesfeuer ist eben das Licht (Logos). Die Gedankenerde ist eben das himmlische Herz der mittleren Behausung (Intuition). Man benützt das Geistesfeuer zur Wirkung, die Gedankenerde als Substanz und das Samenwasser als Grundlage. Die gewöhnlichen Menschen erzeugen durch Gedanken ihren Leib. Der Leib ist nicht nur der sieben Fuß große äußere Körper. Im Leib ist die Anima. Die Anima haftet am Bewußtsein als ihrer Wirkung. Das Bewußtsein hängt von der Anima ab um zu entstehen. Die Anima ist weiblich (Yin), die Substanz des Bewußtseins. Solange dieses Bewußtsein nicht unterbrochen wird, zeugt es immer weiter von Geschlecht zu Geschlecht, und der Anima Veränderungen der Gestalt und Wandlungen der Substanz sind unaufhörlich.
Daneben gibt es aber den Aninius, in dem der Geist sich birgt. Der Animus wohnt bei Tag in den Augen, bei Nacht haust er in der Leber. Wohnt er in den Augen, so sieht er; haust er in der Leber, so träumt er. Die Träume sind Wanderungen des Geistes durch alle neun Himmel und alle neun Erden. Wer aber beim Wachen dunkel und versunken ist, gefesselt an die körperliche Gestalt, ist gefesselt von der Anima. Darum wird durch den Kreislauf des Lichts die Konzentration des Animus bewirkt und dadurch dieWahrung des Geistes; dadurch wird die Anima unterworfen und das Bewußtsein aufgehoben. Die Methode der Alten, um aus der Welt zu entkommen, bestand eben darin, die Schlacken des Dunkeln vollkommen zu schmelzen, um zum reinen Schöpferischen zurückzukehren. Das ist nichts weiter als ein Verringern der Anima und ein Völligmachen des Animus. Und der Kreislauf des Lichtes ist das Zaubermittel zur Verringerung des Dunkeln und Beherrschung der Anima. Auch wenn die Arbeit sich nicht auf die Zurückführung des Schöpferischen richtet, sondern sich auf das Zaubermittel des Kreislaufs des Lichtes beschränkt, so ist das Licht ja eben das Schöpferische. Durch seinen Kreislauf kehrt man zum Schöpferischen zurück. Wenn man diese Methode befolgt, so wird ganz von selbst das Samenwasser reichlich vorhanden sein, das Geistesfeuer sich entzünden und die Gedankenerde sich festigen und kristallisieren. Und die heilige Frucht kann so ausgetragen werden. Der Skarabäus dreht seine Kugel, und in der Kugel entsteht das Leben als Wirkung der ungeteilten Arbeit seiner geistigen Konzentration. Wenn nun selbst im Mist ein Embryo entstehen kann, der die Schalen verläßt, wie sollte da die Wohnstätte unseres himmlischen Herzens, wenn wir den Geist darauf konzentrieren, nicht auch einen Leib erzeugen können?
Das eine wirkende wahre Wesen (Logos in Verbindung mit Lebendigkeit), wenn es in die Behausung des Schöpferischen hinabsinkt, teilt sich in Animus und Anima. Der Animus ist im himmlischen Herzen. Er ist von der Natur des Lichten, er ist die Kraft des Leichten und Reinen. Das ist das, was wir von der großen Leere bekommen haben, das mit dem Uranfang von einer Gestalt ist. Die Anima ist von der Natur des Dunkeln. Sie ist die Kraft des Schweren und Trüben, sie ist verhaftet dem körperlichen fleischlichen Herzen. Der Animus liebt das Leben. Die Anima sucht den Tod. Alle sinnlichen Lüste und Zornesregungen sind Wirkungen der Anima, das ist der bewußte Geist, der nach dem Tode Blutnahrung genießt, aber während des Lebens in größter Not ist. Das Dunkle kehrt zum Dunkeln, und die Dinge ziehen sich nach ihrer Art an. Der Lernende aber versteht es, die dunkle Anima vollständig zu destillieren, daß sie sich in reines Licht (Yang) verwandelt.
In diesem Abschnitt wird die Rolle beschrieben die der Urgeist und der bewußte Geist bei der Bildung des menschlichen Leibes spielen. Der Meister sagt: Das Leben des Menschen ist wie das einer Eintagsfliege, nur das wahre Wesen des Urgeists vermag dem Kreislauf von Himmel und Erde und dem Schicksal der Äonen zu entgehen. Das wahre Wesen geht hervor aus dem Unpolaren und empfängt des Polaren Urkraft, wodurch es das wahre Wesen von Himmel und Erde in sich aufnimmt und zum bewußten Geist wird. Es bekommt das Wesen von Vater und Mutter als Urgeist. Dieser Urgeist ist ohne Bewußtsein und Wissen, vermag aber die Bildungsvorgänge des Körpers zu regeln. Der bewußte Geist ist sehr offenbar und sehr wirksam und vermag sich unaufhörlich anzupassen. Er ist der Herr des Menschenherzens. Solang er im Leibe weilt, ist er der Animus. Nach seinem Abschied aus dem Leib wird er zum Geist. Der Urgeist hat, während der Leib ins Dasein tritt, noch keinen Embryo gebildet in dem er sich verleiblichen könnte. So kristallisiert er sich im Unpolaren freien Einen.
Zur Zeit der Geburt atmet der bewußte Geist die Luftkraft ein, so wird er zur Behausung des Geborenen. Er wohnt im Herzen. Von da ab ist das Herz Herr, und der Urgeist verliert seinen Platz, während der bewußte Geist die Macht hat.
Der Urgeist liebt die Ruhe, der bewußte Geist liebt die Bewegung. Bei seinen Bewegungen bleibt er an Gefühle und Begierden gebunden. Tag und Nacht verbraucht er so den Ursamen, bis er die Kraft des Urgeistes ganz aufgebraucht hat. Dann verläßt der bewußte Geist die Schale und geht hinaus.
Wer im allgemeinen Gutes getan hat, dessen Geisteskraft ist, wenn es zum Tode kommt, rein und klar. Er fahrt zu den oberen Öffnungen Mund und Nase aus. Die reine und leichte Luftkraft steigt nach oben und schwebt zum Himmel empor, und er wird zum fünffach gegenwärtigen Schattengenius oder Schattengeist.
Wenn aber der Urgeist vom bewußten Geist während des Lebens benützt wurde zur Habsucht, Verrücktheit, Begierde und Lust und alle möglichen Sünden getan hat, dann ist im Augenblick des Todes die Geisteskraft trüb und wirr, und der bewußte Geist fährt durch die untere Öffnung zur Tür des Bauchs mit der Luft zusammen hinaus. Denn wenn die Geisteskraft trüb und unrein ist, so kristallisiert sie sich nach unten, sie sinkt zur Hölle hinab und wird ein Dämon. Dann verliert nicht nur der Urgeist seine Art, sondern auch die Macht und Weisheit des wahren Wesens wird dadurch verringert. Darum sagt der Meister: Wenn es sich bewegt, so ist das nicht gut.
Wenn man den Urgeist bewahren will, so muß man unbedingt zuerst den erkennenden Geist unterwerfen. Der Weg, ihn zu unterwerfen, führt eben durch den Kreislauf des Lichtes. Wenn man den Kreislauf des Lichtes übt, so muß man Leib und Herz beide vergessen. Das Herz muß sterben, der Geist leben. Wenn der Geist lebt, so wird der Atem auf eine wunderbare Weise zu kreisen beginnen. Das ist, was der Meister das Allerbeste nennt. Darauf muß man den Geist untertauchen lassen in den Unterleib (Sonnengeflecht). Dann verkehrt die Kraft mit dem Geist, und der Geist vereinigt sich mit der Kraft und kristallisiert sich. Das ist die Methode, wie man Hand anlegt.
Mit der Zeit verwandelt sich der Urgeist in der Behausung des Lebens in die Wahre Kraft. Zu der Zeit muß man die Methode des Drehens des Mühlrades anwenden, um ihn zu destillieren, daß er zum Lebenselixier wird. Das ist die Methode der gesammelten Arbeit.
Wenn die Lebenselixierperle fertig ist, so kann der heilige Embryo sich bilden, dann muß man die Arbeit auf Erwärmung und Ernährung des geistigen Embryos richten. Das ist die Methode der Beendigung.
Wenn dann der Prüfleib des Kindes fertig gebildet ist, dann muß sich die Arbeit darauf richten, daß der Embryo geboren wird und ins Leere zurückkehrt. Das ist die Methode des Loslassens der Hand.
Das ist seit urältester Zeit bis heute die Reihenfolge des großen Sinns in der wirklichen Methode, es zu einem ewig lebenden unsterblichen Genius und Heiligen zubringen nicht leeres Gerede.
Wenn aber die Arbeit soweit gediehen ist, so ist alles dem dunklen Prinzip Angehörige gänzlich aufgezehrt und der Leib ist zum reinen Lichten geboren. Wenn der bewußte Geist sich in den Urgeist verwandelt hat, dann erst kann man sagen, daß er die unendliche Wandelbarkeit erlangt hat und dem Kreislauf entronnen es zum sechsfach gegenwärtigen goldenen Genius gebracht hat. Wenn man nicht diese Methode anwendet zur Veredlung, wie will man dann dem Weg des Geborenwerdens und Sterbens entrinnen?
3. Kreislauf des Lichts und Wahrung der Mitte
Meister Lü Dsu sprach: Seit wann ist die Bezeichnung "Kreislauf des Lichts" geoffenbart? Sie ist geoffenbart von dem "Wahren Menschen des Anfangs der Form" (Guan Yin Hi). Wenn man das Licht im Kreis laufen läßt, so kristallisieren sich alle Kräfte des Himmels und der Erde, des Lichten und des Dunkeln. Das ist es, was mit samenhaftem Denken bezeichnet wird oder mit Läuterung der Kraft oder mit Läuterung der Vorstellung. Wenn man diesen Zauber anzuwenden beginnt, so ist es, als ob inmitten des Seins etwas Nichtseiendes wäre; wenn dann mit der Zeit die Arbeit fertig ist und jenseits des Körpers ein Körper da ist, so ist es, als ob inmitten des Nichtseins ein Seiendes wäre. Nach einer gesammelten Arbeit von hundert Tagen erst wird das Licht echt, dann erst wird es zum Geistesfeuer. Nach hundert Tagen entsteht inmitten des Lichts von selbst ein Punkt des echten Lichtpols (Yang). Plötzlich entsteht dann die Samenperle. Es ist, wie wenn Mann und Frau sich vereinigen und eine Empfängnis stattgefunden hat. Dann muß man ganz stille sein, um sie zu erwarten. Der Kreislauf des Lichts ist die Epoche des Feuers.
Inmitten des Urwerdens ist der Schein des Lichten (Yang Guang) das Ausschlaggebende. In der Körperwelt ist es die Sonne, im Menschen ist es das Auge. Die Ausstrahlung und Zerstreuung des geistigen Bewußtseins wird hauptsächlich durch diese Kraft, wenn sie nach außen gerichtet ist (nach abwärts fließt), in Gang gebracht. Darum beruht der Sinn der Goldblume vollkommen auf der rückläufigen Methode.
Das Herz des Menschen steht unter dem Zeichen des Feuers. Die Flamme des Feuers dringt nach oben. Wenn die beiden Augen die Dinge der Welt betrachten, so ist das nach außen gerichtetes Sehen. Wenn man nun die Augen schließt und den Blick umkehrt, nach innen richtet und den Raum des Ahns betrachtet, so ist das die rückläufige Methode. Die Kraft der Nieren steht unter dem Zeichen des Wassers. Wenn die Triebe sich regen, so fließt es nach unten, auswärts gerichtet und erzeugt Kinder. Wenn man im Moment der Auslösung es nicht nach außen fließen läßt, sondern es durch die Kraft des Gedankens zurückleitet, daß es nach oben dringt in den Tiegel des Schöpferischen und Herz und Leib erfrischt und nährt, so ist das ebenfalls die rückläufige Methode. Darum heißt es: Der Sinn des Lebenselixiers beruht vollkommen auf der rückläufigen Methode.
Der Kreislauf des Lichts ist nicht nur ein Kreislauf der Samenblüte des einzelnen Leibes, sondern es ist direkt ein Kreislauf der wahren schöpferischen Gestaltungskräfte. Es handelt sich nicht um eine augenblickliche Phantasievorstellung, sondern geradezu um die Erschöpfung des Kreislaufs (der Seelenwanderung) aller Äonen. Darum bedeutet eine Atempause ein Jahr - nach der Menschenzeit - und bedeutet eine Atempause hundert Jahre - gemessen an der langen Nacht der neun Pfade (der Wiederverkörperungen).
Nachdem der Mensch den einen Ton der Individuation hinter sich hat, wird er den Umständen entsprechend nach außen geboren, und bis ins Alter blickt er nicht ein einziges mal rückläufig. Die Kraft des Lichten erschöpft sich und entrinnt, das führt in die Welt der neunfachen Finsternis (der Wiederverkörperungen). Im Buche Long Yen heißt es: "Durch Sammlung der Gedanken kann man fliegen, durch Sammlung der Begierden stürzt man". Wenn ein Lernender wenig der Gedanken und viel der Begierden pflegt, so kommt er auf den Pfad des Versinkens. Nur durch Kontemplation und Ruhe entsteht die wahre Intuition: dazu bedarf es der rückläufigen Methode.
Im Buch von den geheimen Entsprechungen heißt es: "Die Auslösung ist im Auge". In den einfachen Fragen des Gelben Herrschers heißt es: "Die Samenblüte des Menschenleibs muß sich konzentrieren nach oben im leeren Raum". Das bezieht sich darauf. In diesem Satz ist die Unsterblichkeit beschlossen und auch die Überwindung der Welt beschlossen. Das ist das gemeinsame Ziel aller Religionen.
Das Licht ist nicht nur im Leib, es ist aber auch nicht (nur) außerhalb des Leibs. Berge und Flüsse und die große Erde werden von Sonne und Mond beschienen: das alles ist dieses Licht. Darum ist es nicht nur im Leib. Verständnis und Klarheit, Erkennen und Erleuchtung und alle Bewegungen (des Geistes) sind ebenfalls alle dieses Licht, darum ist es auch nicht Etwas außerhalb des Leibes. Die Lichtblüte von Himmel und Erde erfüllt alle tausend Räume. Aber auch die Lichtblüte des einzelnen Leibes durchzieht ebenfalls den Himmel und deckt die Erde. Darum, sowie das Licht im Kreislauf ist, sind damit gleichzeitig auch Himmel und Erde, Berge und Flüsse alle im Kreislauf. Die Samenblüte im menschlichen Leib oben im Auge zu konzentrieren, das ist der große Schlüssel des menschlichen Leibes. Kinder, bedenkt es! Wenn ihr einen Tag nicht der Meditation pflegt, so strömt dieses Licht aus, wer weiß wohin. Wenn ihr auch nur eine Viertelstunde der Meditation pflegt, so könnt ihr dadurch die zehntausend Äonen und tausend Geburten erledigen. Alle Methoden münden in der Ruhe. Man kann es nicht ausdenken dieses wunderbare Zaubermittel.
Aber wenn man sich an die Arbeit macht, muß man vom Offenbaren ins Tiefe, vom Groben ins Feine vordringen. Alles kommt darauf an,daß es keine Unterbrechung gibt. Anfang und Ende der Arbeit muß eins sein. Dazwischen gibt es kühlere und wärmere Momente, das ist selbstverständlich. Aber das Ziel muß sein, des Himmels Weite und des Meeres Tiefe zu erreichen, daß alle Methoden ganz leicht und selbstverständlich erscheinen, dann erst hat man es in der Hand.
Alle Heiligen haben es einander hinterlassen, daß ohne Kontemplation (Fan Dschau, Widerspiegelung) nichts möglich ist. Wenn Kungtse sagt: "Das Erkennen ans Ziel bringen", oder Sakya es nennt: "Die Schau des Herzens" oder Laotse sagt: "Inneres Schauen" so ist das alles dasselbe.
Aber von der Widerspiegelung kann jedermann reden, aber sie nicht in die Hand bekommen, wenn er nicht weiß, was das Wort bedeutet. Was durch die Widerspiegelung umgekehrt werden muß, ist das selbstbewußte Herz, das sich richten muß auf den Punkt, wo der Geist der Formung noch nicht in die Erscheinung getreten ist. Innerhalb unseres sechs Fuß hohen Leibes müssen wir streben nach der Gestalt, die vor Grundlegung von Himmel und Erde ist. Wenn heute die Leute nur eine bis zwei Stunden in Meditation sitzen und nur ihr eigenes Ich betrachten und das Widerspiegelung (Kontemplation) nennen: wie soll dabei etwas herauskommen?
Die beiden Stifter des Buddhismus und Taoismus haben gelehrt, daß man die Nasenspitze ansehen soll. Damit haben sie nicht gemeint, daß man die Gedanken an die Nasenspitze heften soll. Auch haben sie nicht gemeint, daß während das Auge auf die Nasenspitze blickt, die Gedanken sich auf die Gelbe Mitte konzentrieren sollen. Wohin das Auge sich richtet, dahin richtet sich das Herz auch. Wie kann es gleichzeitig nach oben (Gelbe Mitte) und nach unten (Nasenspitze) gerichtet sein oder abwechslungsweise bald nach oben und bald nach unten? Das heißt alles den Finger, mit dem man nach dem Mond deutet, mit dem Mond verwechseln.
Was ist dann eigentlich damit gemeint? Das Wort Nasenspitze ist sehr geschickt gewählt. Die Nase soll den Augen als Richtschnur dienen. Wenn man sich nicht nach der Nase richtet, so öffnet man entweder die Augen weit und blickt in die Ferne, so daß man die Nase nicht sieht, oder man senkt die Lider zu sehr, so daß die Augen sich schließen und man auch nicht die Nase sieht. Aber wenn man die Augen zu weit öffnet, so macht man den Fehler, daß sie sich nach außen richten, wodurch man leicht zerstreut wird. Wenn man sie zu sehr schließt, so macht man den Fehler, daß sie nach innen laufen, wodurch man leicht in träumerische Versunkenheit gerät. Nur wenn man die Augenlider im richtigen Mittelmaß senkt, sieht man gerade gut die Nasenspitze. Darum nimmt man sie als Richtlinie. Es kommt nur darauf an, daß man die Augenlider in der richtigen Weise senkt und dann das Licht von selbst einstrahlen läßt, ohne sich anzustrengen, das Licht von sich aus konzentriert hineinstrahlen zu wollen. Das Anschauen der Nasenspitze dient nur zu Beginn der inneren Sammlung dazu, daß man die Augen in die richtige Blickrichtung bringt und dabei sich an die Richtlinie hält, dann läßt man es sein. Das ist, wie ein Maurer eine Richtschnur aufhängt. Sobald er sie aufgehängt hat, richtet er sich mit seiner Arbeit danach, ohne daß er sich dauernd darum kümmert, die Richtschnur anzusehen.
Die fixierende Kontemplation ist eine buddhistische Methode die keineswegs als Geheimnis überliefert ist.
Man betrachte mit beiden Augen die Nasenspitze, setze sich aufrecht und bequem und hefte das Herz auf das Zentrum inmitten der Bedingungen (den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht). Im Taoismus heißt es die Gelbe Mitte, im Buddhismus das Zentrum inmitten der Bedingungen. Das ist beides dasselbe. Das bedeutet nicht notwendig die Mitte des Kopfs. Es handelt sich nur darum, daß man das Denken an den Punkt heftet, der genau in der Mitte der beiden Augen liegt. Dann ist es gut. Das Licht ist etwas überaus Bewegliches. Wenn man das Denken an die Mitte zwischen beiden Augen heftet, so strahlt das Licht von selbst hinein. Man braucht nicht die Aufmerksamkeit besonders auf das zentrale Schloß zu richten. In diesen paar Worten ist das Wichtigste enthalten.
"Das Zentrum inmitten der Bedingungen" ist ein sehr feiner Ausdruck. Das Zentrum ist allgegenwärtig, alles ist darin beschlossen, es bezieht sich auf die Auslösung des ganzen Schöpfungswerdens. Die Bedingung, das ist die Eingangspforte. Die Bedingung, das heißt, daß die Erfüllung dieser Bedingung den Anfang bildet, nicht aber das Weitere mit unerbittlicher Notwendigkeit herbeiführt; die Bedeutung dieser beiden Worte ist sehr fließend und fein.
Die fixierende Kontemplation ist unentbehrlich, sie bewirkt die Festigung der Erleuchtung. Nur darf man nicht starr sitzen bleiben, wenn dann die Weltgedanken aufleuchten, sondern man muß untersuchen, wo dieser Gedanke sich befindet, wo er entstanden ist, wo er erlischt. Durch weiter getriebenes Nachdenken aber kommt man nicht zu Ende. Man muß sich darauf beschränken zu sehen, wo dieser Gedanke entstanden ist, und darf nicht über den Entstehungspunkt hinaussuchen; denn das Herz (Bewußtsein) zu finden (mit dem Bewußtsein hinter das Bewußtsein zu kommen), das läßt sich nicht bewerkstelligen. Wir wollen miteinander die Zustände des Herzens zur Ruhe bringen, das ist die richtige Kontemplation. Was dem widerspricht, das ist falsche Kontemplation. Die führt zu keinem Ziel. Wenn dann die Flucht der Gedanken immer noch unaufhörlich weitergeht, so höre man auf und setze mit der Kontemplation ein. Man kontempliere und setze dann wieder mit der Fixierung ein. Das ist doppelte Kultur der Festigung der Erleuchtung. Das heißt Kreislauf des Lichts. Kreislauf ist fixieren. Das Licht ist die Kontemplation. Fixierung ohne Kontemplation ist ein Kreislauf ohne Licht. Kontemplation ohne Fixierung ist Licht ohne Kreislauf. Merkt euch das!
Der allgemeine Sinn dieses Abschnittes ist, daß für den Kreislauf des Lichts die Wahrung der Mitte von Wichtigkeit ist. Der letzte Abschnitt hatte davon gehandelt, daß der menschliche Leib ein sehr wertvolles Gut ist, wenn der Urgeist Herr ist. Wenn er aber vom bewußten Geist benützt wird, so bewirkt das, daß der Urgeist Tag und Nacht zerstreut und abgenützt wird. Wenn er sich gänzlich erschöpft hat, so stirbt der Leib. Nun wird die Methode geschildert, den bewußten Geist zu unterwerfen und den Urgeist zu beschützen: das ist unmöglich, wenn man nicht damit beginnt, das Licht in Kreislauf zu bringen. Es ist, wie wenn man ein prächtiges Haus bauen will, so muß man erst ein schönes Fundament finden. Wenn das Fundament fest ist, dann erst kann man an die Arbeit gehen und den Fuß der Mauer tief und fest gründen und die Pfeiler und Mauern aufbauen. Wenn man nicht auf diese Weise ein Fundament legt, wie kann das Haus fertig gebaut werden? Die Methode der Pflege des Lebens ist genau so. Der Kreislauf des Lichts ist zu vergleichen dem Fundament des Gebäudes. Wenn das Fundament fest steht, wie schnell kann man dann darauf bauen; mit dem Geistesfeuer die Gelbe Mitte zu wahren, das ist die Arbeit des Bauens. Darum macht der Meister die Methode wie man eintritt in die Pflege des Lebens besonders deutlich und heißt die Leute mit beiden Augen auf die Nasenspitze blicken, die Lider senken, nach innen sehen, mit aufrechtem Leib ruhig sitzen und das Herz auf das Zentrum inmitten der Bedingungen heften.
Die Gedanken auf den Zwischenraum zwischen den beiden Augen heften, das bewirkt, daß das Licht eindringt. Darauf kristallisiert sich der Geist und tritt in das Zentrum inmitten der Bedingungen ein. Das Zentrum inmitten der Bedingungen ist das untere Elixierfeld, der Raum der Kraft (Sonnengeflecht).
Der Meister deutet das im geheimen an, wenn er sagt: Zu Beginn der Arbeit muß man in einem ruhigen Zimmer sitzen, der Leib sei wie trockenes Holz, das Herz sei wie erkaltete Asche. Man senke die Lider der beiden Augen und schaue nach Innen und reinige das Herz, wasche das Denken, unterbreche die Lüste und wahre den Samen. Täglich setze man sich zur Meditation mit gekreuzten Beinen nieder. Man halte das Augenlicht an, kristallisiere die Lautkraft des Ohrs und verringere die Geschmackkraft der Zunge, d. h. die Zunge soll sich oben an den Gaumen anlegen; man rhythmisiere den Atem der Nase und fixiere die Gedanken auf die dunkle Pforte. Wenn man nicht erst den Atem rhythmisiert, so ist zu befürchten, daß es durch Verstopfungen Atembeschwerden gibt. Wenn man eben die Augen schließt, so richte man sich als Maßstab nach einem Punkt auf dem Nasenrücken, der nicht ganz einen halben Zoll unterhalb dem Schnittpunkt der Sehlinien liegt, da wo die Nase einen kleinen Höcker hat. Dann beginnt man die Gedanken zu sammeln, das Ohr rhythmisiert den Atem, Leib und Herz sind bequem und harmonisch. Das Licht der Augen muß ganz ruhig und lange scheinen, es darf weder Schläfrigkeit noch Zerstreuung eintreten. Das Auge blickt nicht nach außen, es senkt die Lider und leuchtet nach innen. Es leuchtet auf diesen Ort. Der Mund redet und lacht nicht. Man schließt die Lippen und atmet innerlich. Der Atem ist an diesem Ort. Die Nase riecht keine Düfte. Der Geruch ist an diesem Ort. Das Ohr hört nicht nach außen. Das Gehör ist an diesem Ort. Das ganze Herz bewacht das Innere. Sein Bewachen ist an diesem Ort. Die Gedanken laufen nicht nach außen, wahre Gedanken haben von selbst Dauer. Sind die Gedanken dauernd, so wird der Same dauernd; ist der Same dauernd, so wird die Kraft dauernd; ist die Kraft dauernd, so wird der Geist dauernd. Der Geist ist der Gedanke, der Gedanke ist das Herz, das Herz ist das Feuer, das Feuer ist das Elixier. Wenn man so das Innere betrachtet, so werden die Wunder des Öffnens und Schließens der Pforten des Himmels unerschöpflich. Aber ohne Rhythmisierung des Atems kann man die tieferen Geheimnisse nicht bewirken.
Wenn der Lernende beginnt und seine Gedanken nicht an die Stelle zwischen die beiden Augen heften kann, wenn er die Augen schließt, aber die Kraft des Herzens nicht zur Beschauung des Raums der Kraft bringt, so ist die Ursache höchstwahrscheinlich die, daß der Atem zu laut und hastig ist und daraus andere Übel entspringen, weil Leib und Herz sich noch immer damit beschäftigen, die auftreibende Kraft und den hitzigen Atem mit Gewalt zu unterdrücken.
Wenn man nur die Gedanken an die beiden Augen heftet, aber den Geist nicht kristallisiert im Sonnengeflecht (dem Zentrum inmitten der Bedingungen), so ist es, als wäre man zur Halle aufgestiegen, aber noch nicht eingetreten in das innere Gemach. Dann wird das Geistesfeuer nicht entstehen, die Kraft bleibt kalt, und schwerlich wird dann die wahre Frucht sich offenbaren.
Darum hegt der Meister die Befürchtung, daß die Menschen bei ihren Bemühungen nur die Gedanken auf den Nasenraum heften, aber nicht daran denken, die Vorstellungen auf den Kraftraum zu heften; darum gebraucht er das Gleichnis wie der Maurer die Richtschnur benützt. Der Maurer benützt die Richtschnur nur um zu sehen, ob seine Mauer senkrecht oder schief ist, dafür dient der Faden als Richtlinie; wenn er die Richtung bestimmt hat, dann kann er mit der Arbeit beginnen. Aber er arbeitet dann an der Mauer, nicht an der Richtschnur, das ist klar. Daraus sieht man, daß das Heften der Gedanken zwischen die Augen nur den Sinn hat, wie der Maurer die Richtschnur benützt. Der Meister deutet wiederholt darauf hin, weil er fürchtet, man möchte seine Meinung nicht verstehen. Und wenn die Lernenden begriffen haben, wie sie Hand anlegen müssen, fürchtet er, sie könnten ihre Arbeit unterbrechen, darum sagt er abermals: "Nach einer konsequenten Arbeit von hundert Tagen erst ist das Licht echt; dann erst kann man an die Arbeit mit dem Geistesfeuer gehen." Wenn man also gesammelt vorgeht, so entsteht nach hundert Tagen im Licht ein Punkt des echten schöpferischen Lichtes (Yang) von selbst. Die Lernenden müssen das mit aufrichtigem Herzen untersuchen.
4. Kreislauf des Lichts und Rhythmisierung des Atems
Meister Lü Dsu sprach: Den Entschluß muß man mit gesammeltem Herzen ausführen, nicht Erfolg suchen, dann kommt der Erfolg von selbst. In der ersten Auslösungsperiode gibt es hauptsächlich zwei Fehler: die Trägheit und die Zerstreutheit. Doch dem läßt sich abhelfen: man darf das Herz nicht allzu sehr in den Atem legen. Der Atem kommt vom Herzen. Was aus dem Herzen hervorkommt ist Atem. Sowie das Herz sich regt, entsteht Atemkraft. Die Atemkraft ist ursprünglich verwandelte Herztätigkeit. Wenn unsere Vorstellungen sehr schnell gehen, so kommt es unversehens zu Phantasievorstellungen, die immer von einem Atemzug begleitet sind, denn dieser innere und äußere Atem hängt miteinander zusammen wie Ton und Echo. Täglich tun wir zahllose Atemzüge und haben ebenso zahllose Phantasievorstellungen. Und so entrinnt die Geistesklarheit, wie das Holz verdorrt und die Asche stirbt.
Soll man also keine Vorstellungen haben? Man kann nicht ohne Vorstellungen sein. Soll man nicht atmen? Man kann nicht ohne Atem sein. Das beste Mittel ist aus der Krankheit eine Arznei zu machen. Da nun Herz und Atem voneinander abhängen, so muß man den Kreislauf des Lichts vereinigen mit der Rhythmisierung des Atems. Dazu bedarf es vor allem des Ohrenlichts. Es gibt ein Augenlicht und ein Ohrenlicht. Das Augenlicht ist das vereinigte Licht der Sonne und des Mondes draußen. Das Ohrenlicht ist der vereinigte Same der Sonne und des Mondes drinnen. Der Same ist also das Licht in kristallisierter Form. Beides hat denselben Ursprung und unterscheidet sich nur durch den Namen. Darum ist Verständnis (Ohr) und Klarheit (Auge) gemeinsam ein und dasselbe wirkende Licht.
Beim Niedersitzen benützt man die Augen nach dem Senken der Lider, um eine Richtschnur festzusetzen, und verlegt das Licht dann nach unten. Wenn aber die Verlegung nach unten nicht gelingen will, so richtet man das Herz auf das Hören des Atems. Das Aus- und Eingehen des Atems darf man nicht mit dem Ohr hören können. Was man hört ist eben, daß es keinen Ton hat. Sowie es einen Ton gibt, ist der Atem grob und oberflächlich und dringt nicht ins Freie. Dann muß man das Herz ganz leicht und gering machen. Je mehr man es los läßt, desto geringer wird es, je geringer desto ruhiger. Auf einmal wird es so leise, daß es aufhört. Dann tritt der Atem in Erscheinung und die Gestalt des Herzens läßt sich bewußt machen. Wenn das Herz fein ist, so ist der Atem fein; denn jede Bewegung des Herzens wirkt Atemkraft. Wenn der Atem fein ist, so ist das Herz fein; denn jede Bewegung der Atemkraft wirkt auf das Herz. Um das Herz zu fixieren, geht man zuerst daran, die Atemkraft zu pflegen. Auf das Herz kann man nicht direkt wirken. Darum hält man sich an die Atemkraft als Handhabe, das ist was man Bewahrung der gesammelten Atemkraft nennt.
Kinder, versteht ihr denn nicht das Wesen der Bewegung? Die Bewegung läßt sich durch äußere Mittel erzeugen. Es ist nur ein anderer Name für Beherrschung. So kann man einfach durch Laufen das Herz zur Bewegung bringen. Sollte man es nicht auch durch gesammelte Ruhe zur Stille bringen können? Die großen Heiligen, die erkannt haben, wie Herz und Atemkraft einander gegenseitig beeinflussen, haben ein erleichtertes Verfahren ersonnen um der Nachwelt zu nützen.
Im Buch des Elixiers heißt es: "Die Henne kann ihre Eier ausbrüten, weil ihr Herz immer hört". Das ist ein wichtiger Zauberspruch. Der Grund, warum die Henne brüten kann, ist die Kraft der Wärme. Die Kraft der Wärme kann aber nur die Schalen wärmen, nicht ins Innere eindringen. Deshalb leitet sie diese Kraft mit dem Herzen nach innen. Das tut sie durch das Gehör. Damit konzentriert sie ihr ganzes Herz. Wenn das Herz eindringt, dringt die Kraft ein, und das Junge erlangt die Kraft der Wärme und wird lebendig. Darum hat die Henne, auch wenn sie manchmal ihre Eier verläßt, doch immer die Gebärde mit geneigtem Ohr zu hören: die Konzentration des Geistes erfährt so keine Unterbrechung. Weil die Konzentration des Geistes keine Unterbrechung erfährt, so erleidet die Kraft der Wärme auch Tag und Nacht keine Unterbrechung und der Geist erwacht zum Leben. Das Erwachen des Geistes wird bewirkt, weil das Herz zuerst gestorben ist. Wenn der Mensch sein Herz sterben lassen kann, dann erwacht der Urgeist zum Leben. Das Herz ertöten bedeutet nicht sein Vertrocknen und Abdorren, sondern es bedeutet, daß es ungeteilt und gesammelt eins geworden ist.
Der Buddha sprach: "Wenn du dein Herz auf einem Punkt festlegst, dann ist dir kein Ding unmöglich". Das Herz läuft leicht weg, so muß man es durch Atemkraft sammeln. Die Atemkraft wird leicht grob, darum muß man sie mit dem Herzen verfeinern. Wenn man es so macht, wird es da vorkommen können, daß es nicht fixiert wird?
Die beiden Fehler der Trägheit und Zerstreuung muß man durch ruhige Arbeit, die täglich ohne Unterbrechung fortgeführt wird, bekämpfen; dann wird der Erfolg sicher eintreten. Wenn man nicht bei der Meditation sitzt, so wird man oft zerstreut sein, ohne daß man es merkt. Der Zerstreutheit bewußt zu werden, das ist der Mechanismus, der zur Beseitigung der Zerstreutheit führt. Trägheit, deren man nicht bewußt ist und Trägheit, deren man bewußt wird, sind tausend Meilen weit voneinander entfernt. Unbewußte Trägheit ist wirklich Trägheit, bewußte Trägheit ist keine volle Trägheit, weil noch etwas Klarheit darin ist. Die Zerstreuung beruht darauf, daß der Geist umherschweift, Trägheit darauf, daß der Geist noch nicht rein ist. Zerstreuung ist viel leichter zu bessern als Trägheit. Es ist wie bei einer Krankheit; wenn man Schmerzen und Jucken fühlt, so kann man ihr mit Arzneien beikommen, aber die Trägheit gleicht einer Krankheit, die mit Gefühllosigkeit verbunden ist. Zerstreuung läßt sich sammeln, Verwirrung läßt sich ordnen, aber Trägheit und Versunkenheit sind dumpf und dunkel. Zerstreuung und Verwirrung haben wenigstens noch einen Ort, aber bei der Trägheit und Versunkenheit betätigt sich allein die Anima. Bei der Zerstreutheit ist noch Animus dabei, aber bei der Trägheit herrscht das reine Dunkel. Wenn man bei der Meditation schläfrig wird, das ist eine Wirkung der Trägheit. Zur Beseitigung der Trägheit dient allein der Atem. Obwohl der durch Nase und Mund ein- und ausströmende Atem nicht der wahre Atem ist, so erfolgt das Aus- und Einströmen des wahren Atems doch in Verbindung damit.
Beim Sitzen muß man daher stets das Herz ruhig halten und die Kraft gesammelt. Wie kann man das Herz ruhig bekommen? Durch den Atem. Des Atems Aus- und Einströmen darf sich nur das Herz bewußt werden, man darf es nicht mit den Ohren hören. Wenn man es nicht hört, so ist der Atem fein, ist er fein, so ist er rein. Wenn man es hört, so ist die Atemkraft grob, ist sie grob, so ist sie trüb, ist sie trüb, so entsteht Trägheit und Versunkenheit und man bekommt Neigung zum Schlafen. Das versteht sich ganz von selbst.
Aber das Herz beim Atmen richtig zu gebrauchen, das will verstanden sein. Es ist ein Gebrauch ohne Gebrauch. Man darf nur ganz leise auf das Hören Licht fallen lassen. Dieser Satz enthält einen geheimen Sinn. Was heißt Licht fallen lassen? Es ist das eigene Strahlen des Augenlichts. Das Auge blickt nur nach innen und nicht nach außen. Ohne nach außen zu blicken, Helligkeit empfinden, das heißt nach innen blicken; es handelt sich nicht um ein wirkliches Einwärtsblicken. Was heißt hören? Es ist das eigene Hören des Ohrenlichts. Das Ohr horcht nur nach innen, ohne nach außen zu horchen. Ohne nach außen zu horchen, Helligkeit empfinden, das heißt nach innen horchen; es handelt sich nicht um ein wirkliches Horchen nach innen. Bei diesem Hören hört man nur, daß kein Laut da ist; bei diesem Schauen sieht man nur, daß keine Gestalt da ist. Wenn das Auge nicht nach außen blickt und das Ohr nicht nach außen horcht, so schließen sie sich und sind geneigt nach innen zu sinken. Nur wenn man nach innen blickt und nach innen horcht, geht das Organ nicht nach außen und sinkt auch nicht nach innen. Auf diese Weise wird die Trägheit und Versunkenheit beseitigt. Das ist die Verbindung der Samen und des Lichts von Sonne und Mond.
Wenn man infolge von Trägheit schläfrig wird, so stehe man auf und gehe umher. Wenn der Geist klar geworden ist, dann setze man sich wieder. Wenn man des Morgens Zeit hat, so mag man über das Abbrennen einer Weihrauchkerze sitzen, das ist das beste. Nachmittags stören die menschlichen Geschäfte, und man fällt deshalb leicht in Trägheit. Aber man braucht sich nicht auf eine Weihrauchkerze festzulegen. Nur muß man alle Verwicklungen beiseite legen und eine Zeitlang ganz stille sitzen. Mit der Zeit wird es dann gelingen, ohne daß man in Trägheit fällt und einschläft.
Der Hauptgedanke dieses Abschnitts ist, daß das Wichtigste zum Kreislauf des Lichts die Rhythmisierung des Atems ist. Je mehr die Arbeit fortschreitet, desto tiefer werden die Lehren. Der Lernende muß beim Kreislauf des Lichts Herz und Atem zueinander in Beziehung setzen, um die Beschwerden der Trägheit und Zerstreuung zu vermeiden. Der Meister fürchtet, daß die Anfänger während des Sitzens, wenn sie eben die Lider gesenkt haben, wirre Phantasievorstellungen bekommen, durch die das Herz zu laufen beginnt, so daß es schwer zu lenken ist. Darum lehrt er die Arbeit des Atemzählens und des Fixierens der Gedanken des Herzens, um zu verhindern, daß die Geisteskraft nach außen läuft.
Weil der Atem aus dem Herzen kommt, so kommt der unrhythmische Atem von der Unruhe des Herzens her. Darum muß man ausatmen und einatmen ganz sachte, so daß es für das Ohr unhörbar bleibt und nur das Herz ganz still die Atemzüge zählt. Wenn das Herz die Zahl der Atemzüge vergißt, so ist das ein Zeichen, daß das Herz nach außen davongelaufen ist. Dann muß man das Herz festhalten. Wenn das Ohr nicht aufmerksam hört oder die Augen nicht auf den Nasenrücken blicken, so kommt es auch vor, daß das Herz nach außen läuft oder der Schlaf kommt. Das ist ein Zeichen, daß der Zustand in Verwirrung und Versunkenheit übergeht und man den Samengeist in Ordnung bringen muß. Wenn man beim Senken der Lider und Richtungnehmen nach der Nase den Mund nicht ganz schließt und die Zähne nicht ganz fest zusammenbeißt, so geschieht es auch leicht, daß das Herz nach außen eilt; dann muß man rasch den Mund schließen und die Zähne zusammenbeißen. Die fünf Sinne richten sich nach dem Herzen und der Geist muß die Atemkraft zu Hilfe nehmen, damit Herz und Atem in Übereinstimmung kommen. Auf diese Weise bedarf es höchstens einer täglichen Arbeit von einigen Viertelstunden, so kommen Herz und Atem von selbst in die rechte Zusammenwirkung und Übereinstimmung, dann braucht man nicht mehr zu zählen und der Atem wird von selbst rhythmisch. Wenn der Atem rhythmisch geht, so verschwinden die Fehler der Trägheit und Zerstreutheit mit der Zeit ganz von selbst.
5. Irrtümer beim Kreislauf des Lichts
Meister Lü Dsu sprach: Eure Arbeit wird allmählich gesammelt und reif, aber vor dem Zustand, da man wie ein dürrer Baum vor dem Felsen sitzt, liegen noch viele Möglichkeiten des Irrtums, auf die ich genau aufmerksam machen möchte. Diese Zustände erkennt man erst, wenn man sie persönlich erlebt. So will ich sie hier aufzählen. Meine Richtung unterscheidet sich von der buddhistischen Yoga-Richtung (Dschan Dsung), in dem sie Schritt für Schritt ihre Bestätigungszeichen hat. Erst möchte ich von den Irrtümern reden und dann auf die Bestätigungszeichen zu sprechen kommen.
Wenn man sich anschickt seinen Entschluß auszuführen, so muß man vorher dafür sorgen, daß alles in bequem gelassener Haltung vor sich gehen kann. Man soll das Herz nicht zu sehr beanspruchen. Man muß dafür sorgen, daß ganz automatisch die Kraft und das Herz einander entsprechen. Dann erst gelangt man in den Ruhezustand. Während des Ruhezustands muß man für die richtigen Verhältnisse und den richtigen Raum sorgen. Man darf sich nicht niedersetzen inmitten nichtiger Geschäfte, wie es heißt: man soll nicht Leeres im Sinn haben. Alle Verwicklungen soll man beiseite legen, ganz souverän und selbständig sein. Auch darf man nicht die Gedanken auf die richtige Ausführung richten. Wenn man sich zu viele Mühe gibt, so tritt diese Gefahr ein. Ich sage nicht, daß man sich keine Mühe geben soll, aber das richtige Verhalten ist in der Mitte zwischen Sein und Nichtsein; wenn man absichtlich die Absichtslosigkeit erlangt, dann hat man es erfaßt. Souverän und ohne Trübung lasse man sich gehen in selbständiger Weise.
Ferner darf man nicht in die bestrickende Welt fallen. Die bestrickende Welt ist, wo die fünf Arten der dunkeln Dämonen ihr Spiel treiben; das ist z. B. der Fall, wenn man nach der Fixierung hauptsächlich Gedanken des dürren Holzes und der toten Asche hat und wenig Gedanken des lichten Frühlings auf der großen Erde. Dadurch versinkt man in der Welt des Dunkeln. Die Kraft ist da kalt, der Atem schwer, und es zeigen sich eine Menge Vorstellungsbilder des Kalten und Absterbenden. Wenn man darin lange verweilt, so gerät man in den Bereich der Pflanzen und Steine.
Auch darf man sich nicht verleiten lassen von den zehntausend Verstrickungen. Dies geschieht, wenn, nachdem man den Ruhezustand begonnen hat, ohne Unterbrechung allerlei Bindungen plötzlich auftreten. Man will sie durchbrechen und kann nicht, man folgt ihnen und fühlt sich dadurch wie erleichtert. Das heißt: Der Herr wird zum Knecht. Wenn man lange dabei verweilt, so gerät man in die Welt des Begehrens des Wahns.
Im besten Fall kommt man in den Himmel, im schlimmsten unter die Fuchsgeister. Ein solcher Fuchsgeist vermag wohl auch sich in berühmten Gebirgen zu betätigen, des Windes und Mondes, der Blumen und Früchte zu genießen, an Korallenbäumen und Juwelengräsern seine Freude zu haben. Aber nachdem er sich drei- fünfhundert Jahre so betätigt hat oder im höchsten Fall nach ein paar tausend Jahren, dann ist sein Lohn dahin und er wird wieder hereingeboren in die Welt der Unrast.
Das alles sind Irrwege. Wenn man die Irrwege kennt, dann mag man nach Bestätigungszeichen forschen.
Der Sinn dieses Abschnittes ist, auf die Irrwege bei der Meditation aufmerksam zu machen, damit man in den Raum der Kraft und nicht in die Höhle der Phantasie kommt. Dies ist die Welt der Dämonen. Das ist z. B. der Fall, wenn man sich zur Meditation hinsetzt und sieht Lichtflammen oder bunte Farben erscheinen, oder sieht Bodhisatvas und Götter sich nahen und was dergleichen Phantasien mehr sind. Oder wenn man es nicht fertig bringt, daß Kraft und Atem sich vereinigen, wenn das Wasser der Nieren nicht nach oben kann, sondern nach unten drängt, die Urkraft kalt und der Atem schwer wird, dann sind die milden Lichtkräfte der großen Erde zu wenig und man gerät in die leere Phantasiewelt. Oder wenn beim langen Sitzen die Vorstellungen in Scharen sich erheben, man will sie hemmen, es geht nicht; man läßt sich von ihnen treiben und fühlt sich leichter: dann darf man unter keinen Umständen mit der Meditation fortfahren, sondern muß aufstehen und eine Weile umhergehen, bis Kraft und Herz wieder im Einklang sind; dann erst mag man sich wieder zur Meditation hinsetzen. Beim Meditieren muß man eine Art von bewußter Intuition haben, daß man im Feld des Elixiers Kraft und Atem sich vereinigen fühlt, daß eine warme dem wahren Licht angehörige Auslösung sich dumpf zu regen beginnt; dann hat man den rechten Raum gefunden. Wenn man diesen rechten Raum gefunden hat, so ist man der Gefahr enthoben, in die Welt des Wahnbegehrens oder der finsteren Dämonen zu geraten.
6. Bestätigungserlebnisse beim Kreislauf des Lichts
Meister Lü Dsu sprach: Es gibt vielerlei Bestätigungserlebnisse. Man darf sich nicht mit kleinen Ansprüchen begnügen, man muß sich zu dem Gedanken erheben, daß alle Lebewesen erlöst werden müssen. Man darf nicht leichten und nachlässigen Herzens sein, sondern man muß danach streben, daß die Worte durch Taten bewiesen werden.
Wenn während der Ruhe ununterbrochen dauernd der Geist die Empfindung einer großen Heiterkeit hat, als wäre er trunken oder neu gebadet, das ist ein Zeichen, daß das lichte Prinzip im ganzen Leib harmonisch ist; da beginnt die Goldblume zu knospen. Wenn dann weiterhin alle Öffnungen stille sind und der silberne Mond inmitten des Himmels steht und man das Gefühl hat, daß diese große Erde eine Welt des Lichts und der Helligkeit ist, so ist das ein Zeichen, daß der Leib des Herzens sich zur Klarheit öffnet. Das ist das Zeichen, daß die Goldblume aufgeht.
Weiterhin fühlt sich der ganze Leib fest und stark, so daß er nicht Sturm oder Reif fürchtet. Dinge, die andere Menschen für unerfreulich halten, können mir, wenn ich ihnen begegne, die Helligkeit des Samengeistes nicht trüben. Gelbes Gold füllt das Haus, weißer Nephrit bildet die Stufen. Faule und stinkende Dinge auf Erden, die sich mit einem Hauch der wahren Kraft berühren, wer den sofort wieder lebendig. Rotes Blut wird zu Milch. Der zerbrechliche Fleischesleib ist eitel Gold und Edelstein. Das ist ein Zeichen, daß die Goldblume sich kristallisiert.
Das Buch von der Erfolgreichen Kontemplation (Ying Guan Ging) sagt: «Die Sonne sinkt im großen Wasser und Zauberbilder von Baumreihen entstehen». Der Untergang der Sonne bedeutet, daß im Chaos (der Welt vor der Erscheinung, der intelligiblen Welt) das Fundament gelegt wird: das ist der polfreie Zustand (Wu Gi). Höchste Güte ist wie das Wasser, rein und ohne Flecken. Das ist der Herr der großen Polarität, der Gott, der hervor tritt im Zeichen der Erschütterung (Dschen) (19). Die Erschütterung hat als Bild das Holz, darum entsteht das Bild von Baumreihen. Eine siebenfache Reihe von Bäumen bedeutet das Licht der sieben Körperöffnungen (oder Herzöffnungen). Im Nordwesten ist die Richtung des Schöpferischen. Wenn es um einen Platz weiterrückt, so steht das Abgründige da. Die Sonne, die ins große Wasser sinkt, ist das Bild des Schöpferischen und Abgründigen. Das Abgründige ist die Richtung der Mitternacht (Maus, Dsi, Norden). Zur Wintersonnenwende ist der Donner (Dschen) in- mitten der Erde ganz verborgen und bedeckt. Erst wenn das Zeichen der Erschütterung erreicht ist, tritt der Lichtpol wieder über die Erde hervor. Das ist das Bild der Baumreihen. Das übrige läßt sich entsprechend erschließen.
Der zweite Abschnitt bedeutet, hierauf das Fundament zu er richten. Die große Welt ist wie Eis, eine gläserne Juwelenwelt. Der Lichtglanz kristallisiert sich allmählich. Darum entsteht eine hohe Terrasse und darauf erscheint im Lauf der Zeit Buddha. Wenn das Goldwesen erscheint, wer sollte es sein außer Buddha? Denn der Buddha ist der goldene Heilige der großen Erleuchtung. Dies ist eine große Bestätigungserfahrung.
Nun gibt es drei Bestätigungserfahrungen, die man prüfen kann. Die erste ist, daß, wenn man in den Meditationszustand eingetreten ist, die Götter (20) im Tale sind. Man hört da Menschen reden wie etwa in der Entfernung von einigen hundert Schritten, jeden einzelnen ganz klar Aber die Laute klingen alle wie ein Echo in einem Tal. Man hört sie immer, sich selbst hört man nie. Dies nennt man die Anwesenheit der Götter im Tal.
Zuweilen kann man Folgendes erfahren: Sowie man in Ruhe ist, so beginnt das Licht der Augen aufzuflammen, so daß vor einem alles ganz hell wird, wie wenn man in einer Wolke wäre. Öffnet man die Augen und sucht seinen Leib, so findet man ihn nicht mehr. Dies nennt man: «In der leeren Kammer wird es hell.» Da ist innen und außen alles gleich hell. Das ist ein sehr günstiges Zeichen.
Oder wenn man in der Meditition sitzt, wird der Fleischleib ganz glänzend wie Seide oder Nephrit. Das Sitzen fällt einem schwer, man fühlt sich emporgerissen. Dies heißt: «Der Geist kehrt zurück und stößt an den Himmel.» Mit der Zeit kann man erleben, daß man wirklich emporschwebt.
Diese drei Erfahrungen lassen sich alle jetzt schon machen. Aber es läßt sich nicht alles aussprechen. Entsprechend der Veranlagung der Menschen erscheinen jedem verschiedene Dinge. Wenn man nun die eben erwähnten Dinge erfährt, so ist das ein Zeichen einer guten Anlage. Mit diesen Dingen ist es, wie wenn man Wasser trinkt. Man bemerkt selbst, ob das Wasser warm oder kalt ist. So muß man sich von diesen Erfahrungen selbst überzeugen, dann erst sind sie echt.
7. Die lebendige Art des Kreislaufs des Lichts
Meister Lü Dsu sprach: Wenn es allmählich gelingt, den Kreis lauf des Lichts in Gang zu bringen, so darf man dabei seinen gewöhnlichen Beruf nicht aufgeben. Die Alten sprachen: Wenn die Geschäfte auf uns zukommen, so muß man sie annehmen, wenn die Dinge auf uns zukommen, so muß man sie bis auf den Grund erkennen. Wenn man durch rechte Gedanken die Geschäfte in Ordnung bringt, so wird das Licht nicht von den Außendingen umgetrieben, sondern das Licht rotiert nach eigenem Gesetz. Auf diese Weise läßt sich sogar der noch unsichtbare Kreislauf des Lichts ins Werk setzen, wie viel mehr ist das bei dem echten wahren Kreislauf des Lichts, der schon deutlich in Erscheinung trat, der Fall.
Wenn man im gewöhnlichen Leben fortwährend imstande ist den Dingen gegenüber nur in Reflexen zu reagieren ohne jede Einmischung eines Gedankens an den andern und mich, so ist das ein aus den Umständen sich ergebender Kreislauf des Lichts. Das ist das erste Geheimnis.
Wenn man frühmorgens alle Verwicklungen von sich abtun kann und eine bis zwei Doppelstunden meditieren und sich dann bei allen Beschäftigungen und gegenüber von allen Außendingen auf eine rein objektive Reflexmethode einstellen kann, wenn man das ohne jede Unterbrechung fortsetzt, so kommen nach zwei bis drei Monaten vom Himmel her alle Vollendeten und besiegeln ein solches Verhalten.
Der vorige Abschnitt handelt von den seligen Gefilden, die man betritt, wenn man mit der Arbeit vorwärts kommt. Dieser Abschnitt bezweckt, den Lernenden zu zeigen, wie sie ihre Arbeit täglich feiner gestalten müssen, damit sie auf eine baldige Erlangung des Lebenselixiers hoffen können. Wie kommt es da, daß der Meister gerade jetzt davon redet, daß man seinen bürgerlichen Beruf nicht auf geben soll? Da könnte man ja denken, der Meister wolle verhindern, daß der Lernende das Lebenselixier bald erlange. Der Wissende erwidert darauf: Nicht also! Der Meister ist besorgt, daß der Lernende sein Karma noch nicht erfüllt hat, deshalb redet er so. Wenn nun die Arbeit schon in die seligen Gefilde geführt hat, so ist das Herz wie ein Wasserspiegel. Wenn die Dinge kommen, so zeigt es Dinge; wenn die Dinge gehen, so vereinigen sich Geist und Kraft von selbst wie der und lassen sich nicht von den Außendingen mitreißen. Das ist, was der Meister meint, wenn er sagt: man soll jede Einmischung des Gedankens an den andern und sich selbst vollkommen aufgeben. Wenn der Lernende es fertig bringt, mit wahren Gedanken sich immer auf den Raum der Kraft zu fixieren, so braucht er nicht das Licht in Rotation zu versetzen und das Licht rotiert von selbst. Wenn aber das Licht rotiert, so erzeugt sich das Elixier von selbst und es hindert nicht, wenn man gleichzeitig noch weltliche Arbeiten verrichtet. Anders ist es ja zu Beginn der Meditationsarbeit, wenn Geist und Kraft noch zerstreut und wirr sind. Wenn man da nicht die weltlichen Geschäfte von sich fern halten kann und einen ruhigen Ort findet, wo man mit ganzer Kraft sich konzentriert, wobei man alle Störungen durch gewöhnliche Beschäftigung vermeidet, so ist man vielleicht morgens fleißig und abends sicher träge: wie lange wird es auf diese Weise dauern, bis man zu den wirklichen Geheimnissen vordringt? Darum heißt es: Wenn man anfängt sich der Arbeit zuzuwenden, soll man die häuslichen Geschäfte von sich tun. Und wenn das nicht vollständig geht, soll man jemand beauftragen, der sie für einen besorgt, damit man mit ganzer Aufmerksamkeit sich Mühe geben kann. Wenn aber die Arbeit soweit vorgeschritten ist, daß man geheime Bestätigungen erlebt, so tut es nichts, wenn man gleichzeitig wieder die gewöhnlichen Geschäfte in Ordnung bringt, um auf diese Weise sein Karma zu erfüllen. Das heißt die lebendige Art des Kreislaufs des Lichts. Vor alters hat der wahre Mensch des purpurnen Polarlichts (Dsi Yang Dschen Jen) ein Wort gesprochen: «Wenn man seinen Wandel pflegt in Vermischung mit der Welt und doch im Einklang mit dem Licht, dann ist das Runde rund und das Eckige eckig; dann lebt man unter den Menschen geheimnisvoll offenbar, anders und doch gleich und keiner kann es ermessen; dann bemerkt keiner unseren geheimen Wandel.» Die lebendige Art des Kreislaufs des Lichts hat eben den Sinn, in Vermischung mit der Welt und doch im Einklang mit dem Licht zu leben.
8. Zauberspruch für die Reise ins Weite
Meister Lü Dsu sprach: Yü Tsing hat einen Zauberspruch für die Reise ins Weite hinterlassen:
«Vier Worte
kristallisieren den Geist im Raum der Kraft.
Im
sechsten Monat sieht man plötzlich weißen Schnee fliegen.
Zur
dritten Wache sieht man die Sonnenscheibe blendend strahlen.
Im
Wasser blast der Wind des Sanften.
Am
Himmel wandelnd ißt man die Geisteskraft des Empfangenden.
Und
des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis:
Das
Land, das nirgends ist das ist die wahre Heimat...»
Diese Verse sind sehr geheimnisvoll. Die Bedeutung ist: Das Wichtigste am großen Sinn sind die vier Worte: Im Nichthandeln das Handeln. Das Nichthandeln verhindert, daß man in Form und Bild (Körperlichkeit) verwickelt wird. Das Handeln im Nichthan dein verhindert, daß man ins starre Leere und tote Nichts versinkt. Die Wirkung beruht ganz auf der zentralen Eins, die Auslösung der Wirkung liegt in den beiden Augen. Die beiden Augen sind wie die Deichsel des großen Wagens, die die ganze Schöpfung dreht; sie bringen die Pole des Lichten und des Dunkeln in Kreis- bewegung. Das Elixier beruht zu Anfang und Ende auf dem einen: das Metall inmitten des Wassers, d. i. das Blei im Ort des Wassers. Bisher war vom Kreislauf des Lichts die Rede, damit war auf die Anfangsauslösung hingewiesen, die von außen her auf das Innere wirkt. Das ist um zu helfen den Herrn zu bekommen. Das ist für die Lernenden auf den Anfangsstufen: Sie pflegen die zwei unteren Übergänge, um den oberen Übergang zu gewinnen. Nach dem nun die Reihenfolge klar ist und die Art der Auslösung be kannt, spart der Himmel nicht mehr den Sinn, sondern verrät den allerhöchsten Grundsatz. Ihr Schüler, haltet ihn geheim und strengt euch an!
Der Kreislauf des Lichts ist die Gesamtbezeichnung. Je mehr die Arbeit fortschreitet, desto mehr kommt die Goldblume zum Blühen. Nun gibt es aber eine noch wunderbarere Art des Kreislaufs. Bisher haben wir von außen her auf das Innere gewirkt, nun ver weilen wir im Zentrum und beherrschen das Äußere. Bisher war es ein Dienst zur Hilfe des Herrn, jetzt ist es eine Verbreitung der Befehle dieses Herrn. Das ganze Verhältnis kehrt sich jetzt um. Wenn man mit der Methode in die feineren Gebiete eindringen will, so muß man zuerst dafür sorgen, daß man Leib und Herz voll kommen beherrscht, daß man ganz frei und ruhig ist, alle Verwicklungen fahren läßt, nicht die leiseste Aufregung hat und das himmlische Herz genau in der Mitte weilt. Dann senke man die Lider der beiden Augen, wie wenn man ein heiliges Edikt erhielte, mit dem man zum Minister berufen wird: Wer wagte da nicht zu ge horchen? — Dann leuchtet man mit beiden Augen in das Haus des Abgründigen (Wasser, Kan). Wo die Goldblume hinkommt, da tritt das wahre polare Licht hervor ihr entgegen. Das Haftende (das Lichte, Li) ist außen licht und innen dunkel; das ist der Leib des Schöpferischen. Das eine Dunkle geht hinein und wird zum Herrn. Die Folge ist, daß das Herz (Bewußtsein) in Abhängigkeit von den Dingen entsteht, nach außen gerichtet ist und vom Strom umhergetrieben wird. Wenn nun das rotierende Licht nach innen scheint, so entsteht es nicht in Abhängigkeit von den Dingen und die Kraft des Dunkeln wird fixiert und die Goldblume leuchtet konzentriert. Das ist dann das gesammelte Polarlicht. Verwandtes zieht sich an. So drängt sich die lichtpolare Linie des Abgründigen nach oben. Das ist nicht nur das Lichte im Abgrund, sondern es ist das schöpferische Licht, das schöpferischem Licht begegnet. So bald diese beiden Substanzen sich treffen, verbinden sie sich unauflöslich und es entsteht ein unaufhörlich Leben, es kommt und geht, es steigt und fällt von selbst im Haus der Urkraft. Man empfindet eine Helligkeit und Unendlichkeit. Der ganze Körper fühlt sich leicht und möchte fliegen. Das ist der Zustand von dem es heißt: Die Wolken erfüllen die tausend Berge. Allmählich geht es ganz leise hin und her, es steigt und fällt unmerklich. Der Puls bleibt stehen und der Atem hört auf. Das ist der Augenblick der wahren zeugenden Vereinigung, der Zustand von dem es heißt: Der Mond sammelt die zehntausend Gewässer. Inmitten dieses Dunkels beginnt dann plötzlich das himmlische Herz eine Bewegung. Das ist die Wiederkehr des einen Lichten, die Zeit, da das Kind zum Leben kommt.
Allein die Einzelheiten davon muß man ausführlich erklären. Wenn der Mensch nach etwas ausschaut, auf etwas hört, so bewegen sich Auge und Ohr und folgen den Dingen, bis sie fort sind. Diese Bewegungen sind alles Untertanen, und wenn der himmlische Herrscher ihnen in ihrem Dienst nachfolgt, das heißt: mit Dämonen zusammenwohnen.
Wenn man nun in jeder Bewegung, jedem Stillesein mit Men schen nicht mit Dämonen zusammenwohnt, so ist der himmlische Herrscher der wahre Mensch. Wenn er sich bewegt, mit ihm sich zusammen bewegen, dann ist die Bewegung die Wurzel des Him mels. Wenn er still ist, mit ihm zusammen still sein, dann ist die Stille die Höhle des Mondes. Wenn er mit Bewegung und Stille un aufhörlich fortmacht, mit ihm zusammen in Bewegung und Ruhe unaufhörlich weitermachen; wenn er im Ein- und Ausatmen auf- und ab steigt, mit ihm zusammen im Ein- und Ausatmen auf- und absteigen: das ist was man hin- und hergehen zwischen Himmels- wurzel und Mondhöhle nennt. Wenn das himmlische Herz noch Ruhe wahn, so ist Bewegung vor der rechten Zeit ein Fehler der Weichheit. Wenn das himmlische Herz schon sich bewegt hat, so ist Bewegung, die hinterher erfolgt, um ihm zu entsprechen, ein Fehler der Starrheit. Sowie das himmlische Herz sich regt, muß man sofort mit ganzem Gemüte nach oben steigen in das Haus des Schöpferischen, so sieht das Geisteslicht die Spitze; das ist der Füh rer. Diese Bewegung entspricht der Zeit. Das Himmelsherz steigt auf die Spitze des Schöpferischen, da breitet es sich in voller Frei heit aus. Dann will es plötzlich tiefe Stille, dann muß man es schleunigst mit ganzem Gemüt in das Gelbe Schloß hinein führen, so sieht das Augenlicht die zentrale gelbe Geisteswohnung.
Wenn dann die Lust zur Stille kommt, da entsteht nicht ein ein ziger Gedanke; der nach innen Blickende vergißt plötzlich, daß erblickt. Zu dieser Zeit müssen Leib und Herz vollkommen losgelas sen werden. Alle Verstrickungen sind spurlos verschwunden. Dann weiß ich auch nicht mehr an welchem Ort mein Geisteshaus und Schmelztiegel ist. Will man sich seines Leibes vergewissern, so ist er nicht zu erreichen. Dieser Zustand ist das Eindringen des Him mels in die Erde, die Zeit, da alle Wunder zu ihrer Wurzel kehren. Das ist es, wenn der kristallisierte Geist in den Raum der Kraft eingeht.
Das eine ist der Kreislauf des Lichts. Wenn man beginnt, so ist es zunächst noch zerstreut und man will es sammeln; die sechs Sinne sind nicht tätig. Das ist die Pflege und Ernährung des eige nen Ursprungs, das Auffüllen des Öls, wenn man geht, um das Leben zu empfangen. Wenn man dann soweit ist, es gesammelt zu haben, so fühlt man sich leicht und frei und braucht sich nicht die geringste Mühe mehr zu geben. Das ist die Beruhigung des Geistes im Ahnenraum, das Ergreifen des früheren Himmels.
Wenn man dann soweit ist, daß jeder Schatten und jedes Echo erloschen ist, daß man ganz still und fest ist, das ist die Geborgenheit in der Höhle der Kraft, da alles Wunderbare zur Wurzel zu rückkehrt. Man ändert nicht den Ort, aber der Ort teilt sich. Das ist der unkörperliche Raum, da sind tausend Orte und zehntausend Orte ein Ort. Man ändert nicht die Zeit, aber die Zeit teilt sich. Das ist die unmeßbare Zeit, da sind alle Äonen wie ein Augenblick.
Solange das Herz nicht die höchste Ruhe erreicht hat, kann es sich nicht bewegen. Man bewegt die Bewegung und vergißt die Bewegung; das ist nicht die Bewegung an sich. Darum heißt es: Wenn man von den Außendingen gereizt sich bewegt, das ist der Trieb des Wesens. Wenn man nicht von den Außendingen gereizt sich bewegt, das ist die Bewegung des Himmels. Das Wesen, das dem Himmel gegenüber gestellt wird, kann fallen und gerät unter die Herrschaft der Triebe. Die Triebe beruhen darauf, daß es Außendinge gibt. Das sind Gedanken, die über die eigene Stellung hinausgehen. Dann führt Bewegung zur Bewegung. Wenn aber keine Vorstellung sich erhebt, so entstehen die richtigen Vorstel lungen. Das ist die wahre Idee. Wenn in der Ruhe, wenn man ganz fest ist, die Auslösung des Himmels sich plötzlich bewegt, ist das nicht eine Bewegung ohne Absicht? Das Handeln im Nichthan deln hat eben diese Bedeutung.
Was das Gedicht zu Anfang anlangt, so beziehen sich die beiden ersten Verse gänzlich auf die Tätigkeit der Goldblume. Die beiden nächsten Verse beschäftigen sich mit dem gegenseitigen Ineinan derübergehen von Sonne und Mond. Der sechste Monat ist das Haften (Li), das Feuer. Der weiße Schnee, der fliegt, ist das wahre Polardunide inmitten des Zeichens Feuer, das im Begriff ist, in das Empfangende umzuschlagen. Die dritte Wache ist das Abgründige (Kan), das Wasser. Die Sonnenscheibe ist der eine polare Strich im Zeichen Wasser, das im Begriff ist in das Schöpferische umzu schlagen. Darin ist enthalten, wie man das Zeichen des Abgründi gen nimmt und das Zeichen des Haftens umkehrt.
Die folgenden zwei Zeilen beschäftigen sich mit der Betätigung der Deichsel des großen Wagens, das Aufsteigen und Absteigen der ganzen Polarauslösung. Das Wasser ist das Zeichen des Ab gründigen, das Auge ist der Wind des Sanften (Sun). Das Augen licht leuchtet in das Haus des Abgründigen und regiert dort den Samen des großen Lichten. «Am Himmel»: das ist das Haus des Schöpferischen (Kien). «Wandelnd ißt man die Geisteskraft des Empfangenden.» Das bedeutet wie der Geist in die Kraft ein dringt; wie der Himmel in die Erde eindringt, das geschieht um das Feuer zu nähen.
Die beiden letzten Zeilen endlich deuten auf das tiefste Geheim nis, das man von Anfang bis Ende nicht entbehren kann. Das ist das Waschen des Herzens und die Reinigung der Gedanken; das ist das Bad. Die heilige Wissenschaft nimmt die Kenntnis des Halt machens als Anfang und das Haltmachen beim höchsten Guten als Schluß. Ihr Anfang ist jenseits des Polaren und sie mündet wieder jenseits des Polaren.
Buddha spricht vom Vergänglichen als Erzeuger des Bewußt seins als dem Grundsatz der Religion. Und in unserem Taoismus liegt in dem Ausdruck «Leere bewirken» die ganze Arbeit, um Wesen und Leben zu vollenden, beschlossen. Alle drei Religionen stimmen überein in dem einen Satz, das geistige Elixier zu finden, um aus dem Tod ins Leben einzugehen. Worin besteht dieses gei stige Elixier? Es heißt: Immer im Absichtslosen verweilen. Das tiefste Geheimnis des Bades, das es in unsrer Lehre gibt, ist so auf die Arbeit beschränkt, das Herz leer zu machen. Damit erledigt man es. Was ich hier mit einem Wort verraten habe, ist die Frucht einer jahrzehntelangen Anstrengung.
Wenn ihr noch nicht klar seid darüber, inwiefern in einem Ab schnirt alle drei Abschnitte gegenwärtig sein können, so will ich es euch durch die dreifache buddhistische Kontemplation über Leere, Wahn, Zentrum deutlich machen.
Unter den drei Kontemplationen kommt als erste die Leere. Man schaut alle Dinge als leer an. Dann folgt der Wahn. Obwohl man weiß, daß sie leer sind, zerstört man die Dinge nicht, sondern macht inmitten der Leere seine Geschäfte fort. Aber indem man die Din ge nicht zerstört, achtet man doch nicht auf die Dinge: das ist die Kontemplation des Zentrums. Während man die Kontemplation der Leere pflegt, weiß man auch, daß man die zehntausend Dinge nicht zerstören kann und beachtet sie dennoch nicht. Auf diese Weise fallen die drei Kontemplationen zusammen. Aber schließlich beruht die Stärke in der Anschauung des Leeren. Darum, wenn man die Kontemplation des Leeren pflegt, so ist das Leere sicher leer, aber auch der Wahn ist leer, und das Zentrale ist leer. Wenn man die Kontemplation des Wahns pflegt, so bedarf es dazu einer großen Stärke; dann ist der Wahn wirklich Wahn, aber auch das Leere ist Wahn, und das Zentrum ist auch Wahn. Bei dem Weg des Zentrums erzeugt man auch Bilder des Leeren, aber man nennt sie nicht leer, sondern nennt sie zentral. Man pflegt auch Kontem plationen des Wahns, aber man nennt sie nicht Wahn, sondern nennt sie zentral. Was nun das Zentrum anlangt, so braucht man darüber nicht weiter zu reden.
Dieser Abschnitt erwähnt zunächst den Zauberspruch Yü Tsings für die Reise ins Weite. Dieser Zauberspruch besagt, daß das geheimnisvolle Wunder des Sinnes darin besteht, wie aus dem Nichts das Etwas entsteht. Indem der Geist und die Kraft sich kristallisiert vereinigen, bildet sich mit der Zeit inmitten der Leere des Nichts ein Punkt des wahren Feuers. In dieser Zeit wird, je ruhiger der Geist ist, das Feuer desto heller. Helligkeit des Feuers wird verglichen mit der Sonnen- hitze des sechsten Monats. Indem das lodernde Feuer das Wasser des Abgründi gen verdampft, so wird der Wasserdampf erhitzt, und wenn er den Siedegrad überschritten, so steigt er in die Höhe wie fliegender Schnee; das ist damit ge meint, daß man im sechsten Monat Schnee fliegen sehe. Aber weil das Wasser vom Feuer verdampft wird, so regt sich die wahre Kraft; doch wenn das Dunkle ruhig ist, bewegt sich das Helle; das gleicht dem Zustand der Mitternacht. Darum nennen die Adepten diese Zeit die Zeit der lebendigen Mitternacht. Zu die ser Zeit wirkt man mit der Absicht auf die Kraft, daß sie rückläufig emporsteigt und rechtläufig herabsteigt, wie das Sonnenrad sich emporwälzt. Darum heißt es: «Zur dritten Wache sieht man die Sonnenscheibe blendend strahlen.» Die Me thode der Umdrehung bedient sich des Atems, uni das Feuer der Lebenspforte anzublasen; dadurch gelingt es, daß die wahre Kraft an ihren ursprünglichen Ort kommt. Darum heißt es, daß der Wind im Wasser blase. Aus der einen Kraft des früheren Himmels entwickelt sich der aus- und eingehende Atem des späteren Himmels und seine anfachende Kraft.
Der Weg führt vom Kreuzbein nach oben in rückläufiger Weise bis zum Gip fel des Schöpferischen und durch das Haus des Schöpferischen hindurch; dann geht er abwirts durch die beiden Stockwerke in rechtläufiger Weise in das Son nengeflecht und erwärmt es. Darum heißt es: «Am Himmel wandelnd ißt man die Geisteskraft des Empfangenden.» Indem die wahre Kraft zurückkehrt in den leeren Ort, wird mit der Zeit Kraft und Gestalt reich und voll, Leib und Herz werden froh und heiter. Wenn man nicht durch die Arbeit des Drehens des Ra des der Lehre das erreicht, wie sollte es sonst gelingen, diese Reise ins Weite an treten zu können? Worauf es ankommt das ist, daß der kristallisierte Geist auf das Geistesfeuer zurückstrahlt und durch äußerste Ruhe das inmitten der leeren Höhle befindliche «Feuer inmitten des Wassers» anfacht. Darum heißt es: «Und des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis: Das Land, das nirgends ist, das ist die wahre Heimat.» Der -Lernende ist in seiner Arbeit nun schon in die geheimnis vollen Gebiete vorgedrungen; aber wenn er die Methode des Schmelzens nicht kennt, so zu fürchten, daß das Lebenselixier schwerlich zustande kommt. Dar um hat der Meister das von früheren Heiligen streng gewahrte Geheimnis ver raten. Wenn der Lernende den kristallisierten Geist inmitten der Höhle der Kraft haften läßt und dabei die äußerste Ruhe walten läßt, so entsteht in der dunklen Finsternis aus dem Nichts ein Etwas, d. h. die Goldblume des Großen Einen er- scheint. Zu dieser Zeit unterscheidet sich das bewußte Licht vom Wesenslicht. Darum heißt es: «Von Außendingen gereizt sich bewegen, führt dazu, daß es rechtläufig nach außen geht und einen Menschen erzeugt: das ist das bewußte Licht.» Wenn der Lernende zur Zeit, da die wahre Kraft sich reichlich gesam melt hat, sie nicht rechtläufig nach außen läßt, sondern rückläufig werden läßt, das ist das Lebenslicht; man muß die Methode des Drehens des Wasserrads an wenden. Wenn man dauernd dreht, so wendet sich die wahre Kraft Tropfen um Tropfen der Wurzel zu. Dann hält das Wasserrad an, der Leib ist rein, die Kraft ist frisch. Eine einmalige Drehung heißt ein Himmelsumlauf, das was Meister Kiu einen kleinen Himmelsumlauf nennt. Wenn man nicht wartet bis die Kraft sich genügend gesammelt hat und sie benützt, so ist sie zu dieser Zeit noch zu zart und schwach und das Elixier bildet sich nicht. Wenn die Kraft da ist und man benützt sie nicht, so wird sie zu alt und starr und das Lebenselixier kommt auch schwer lich zustande. Wenn sie weder zu alt noch zu zart ist, dann die Absicht darauf richtend sie benützen, das ist die rechte Zeit. Das ist, was Buddha meint, wenn er sagt: «Die Erscheinung mündet ins Leere ein.» Das ist das Sublimieren des Samens zur Kraft. Wenn der Lernende dieses Prinzip nicht versteht und sie rechtläufig hinausläßt, dann verwandelt sich die Kraft in Samen; das ist es, wenn es heißt: «Das Leere mündet in die Erscheinung ein.» Aber jeder Mann, der sich leiblich mit einem Weib vereinigt, der fühlt erst Lust und dann Bitterkeit; wenn der Same ausgeflossen ist, so ist der Leib müde und der Geist abgespannt. Ganz an ders, wenn der Adept Geist und Kraft sich vereinigen läßt. Das gibt erst Reinheit und dann Frische; wenn der Same umgewandelt ist, so ist der Leib wohl und frei. Die Welt hat überliefert, daß der alte Meister Pong 880 Jahre alt geworden sei, indem er dienende Mädchen benützt habe, um sein Leben zu nähren1 doch ist das ein Mißverständnis. In Wirklichkeit hat er die Methode der Sublimation von Geist und Kraft gebraucht. In den Lebenselixieren werden nun meist Symbole ge braucht, und da wird das Feuer des Haftenden häufig mit der Braut verglichen und das Wasser des Abgründigen mit dem Knaben (Puer aeternus>; daher ent stand das Mißverständnis, daß der Meister Pong seine Männlichkeit durch Weib liches ersetzt habe. Das sind später eingedrungene Irrtümer.
Aber die Adepten können das Mittel, das Abgründige und das Haftende um- zustürzen, nur gebrauchen, wenn sie wahrhaft mit ihren Absichten bei der Sache sind, sonst läßt sich die Mischung nicht rein bewirken. Die wahre Absicht unter steht der Erde, die Farbe der Erde ist gelb; darum wird sie in den Lebenselixier büchern mit dem gelben Keim symbolisiert. Indem das Abgründige und das Haf tende sich verbinden, erscheint die Goldblume, die Goldfarbe ist weiß; darum wird der weiße Schnee als Symbol gebraucht. Aber die Weltleute, die die geheimen Worte der Lebenselixierbücher nicht verstehen, haben gelb und weiß dahin mißverstanden, daß sie das für ein Mittel, um aus Steinen Gold zu machen, hielten. Ist das nicht töricht?
Ein alter Adept sprach: «Früher kannte jede Schule dieses Kleinod, nur Toren wußten es nicht ganz.» Wenn man das überlegt, so erkennt man, daß die Alten in Wirklichkeit mit Hilfe der in ihrem eigenen Körper vorhandenen Samenkraft langes Leben erlangten, nicht durch Verschlucken irgendwelcher Elixiere ihre Jahre verlängerten. Aber die Weltleute verloren die Wurzel und hielten sich an den Wipfel. Das Buch vom Elixier sagt auch: «Wenn ein rechter Mann (weißer Magier> sich verkehrter Mittel bedient, so wirken die verkehrten Mittel recht.» - Damit ist die Umwandlung der Samen in Kraft gemeint. — «Wenn aber ein verkehrter Mann die rechten Mittel gebraucht, so wirkt das rechte Mittel ver kehrt» — damit ist die leibliche Vereinigung von Mann und Weib gemeint, aus der Söhne und Töchter entspringen. Der Tor verschwendet das höchste Kleinod seines Leibes in unbeherrschter Lust und versteht es nicht, seine Samenkraft zu wahren. Wenn sie dann zu Ende ist, so geht der Leib zugrunde. Die Heiligen und Weisen haben keine andre Art ihr Leben zu pflegen, als die Lüste zu ver nichten, und den Samen zu wahren. Der angesammelte Samen wird in Kraft ver wandelt und die Kraft, wenn sie reichlich genug ist, schafft den schöpferisch starken Leib. Der Unterschied der gewöhnlichen Menschen beruht nur auf der Anwendung des rechtläufigen oder rückläufigen Weges.
Der ganze Sinn dieses Abschnitts ist darauf gerichtet, dem Lernenden die Me thode des Auffüllens des Öls beim Begegnen des Lebens klar zu machen. Die Hauptsache dabei sind die beiden Augen. Die beiden Augen sind die Handhabe des Polargestirns. Wie der Himmel sich um das Polargestirn als Mitte dreht, so muß beim Menschen die rechte Absicht der Herr sein. Darum beruht die Voll endung des Lebenselixiers ganz auf der Harmonisierung der rechten Absicht. Wenn dann davon die Rede ist, daß in hundert Tagen das Fundament sich grün den lasse, so muß man dabei vor allem den Fleißgrad der Arbeit und den Stärke grad der körperlichen Konstitution in Betracht ziehen. Wer eifrig bei der Arbeit ist und eine starke Konstitution hat, dem gelingt es rascher, das Wasserrad des hinteren Flusses zu drehen. Wer dann die Methode gefunden hat, Gedanken und Kraft harmonisch aufeinander abzustimmen, der kann schon innerhalb der hundert Tage das Elixier vollenden. Wer schwach und träge ist, bringt es aber auch nach den hundert Tagen noch nicht zustande. Wenn das Elixier vollendet ist, so ist Geist und Kraft rein und klar, das Herz ist leer, das Wesen offenbar, und das Bewußtseinslicht verwandelt sich in das Wesenslicht. Wenn man das Wesens- licht dauernd festhält, so kommen das Abgründige und das Haftende von selbst in Verkehr. Wenn das Abgründige und das Haftende sich mischen, so wird die heilige Frucht getragen. Die Ausreifung der heiligen Frucht ist die Wirkung eines großen Himmelsumlaufs. Die weiteren Ausführungen machen bei der Methode des Himmelsumlaufs halt.
Dieses Buch beschäftigt sich mit den Mitteln zur Pflege des Lebens und zeigt zunächst, wie man durch Blicken auf den Nasenrücken Hand anlegt; hier ist nun die Methode der Umwendung gezeigt; die Methoden zur Festigung und des Los lassens stehen in einem andern Werk, dem Sü Ming Fang. <Methode das Leben fortzusetzen).