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Graf István
Széchenyi
MORGENLÄNDISCHE
FAHRT (1818-1819)
Bearbeitet mit einer Einleitung von Miklós Györffy
Terebess Verlag, Budapest, 1999
Vorderseite
Elektronische Ausgabe: Terebess Asia Online (TAO) > PDF
Einleitung
Ein geflügeltes
Wort nennt den Grafen István Széchenyi als den „größten
Ungarn“. Sein Erzrivale, Lajos Kossuth, der revolutionäre Gouverneur Ungarns
im Freiheitskriege 1848/49, hat ihn in einer seiner Reden so bezeichnet, teils
aus aufrichtiger Hochachtung, teils aus politischem Kalkül. István
Széchenyi war in der Tat der größte Reformpolitiker im Reformzeitalter
Ungarns von 1825 bis zur Revolution von 1848. 1825 war Széchenyi schon
34 Jahre alt, als er auf dem Landtag in Preßburg das Jahreseinkommen seiner
Landgüter für die Gründung einer Ungarischen Akademie der Wissenschaften
zur Verfügung stellte und mit dieser symbolischen Geste den ersten bedeutenden
Anstoß zur nationalen Reformbewegung gab.
Széchenyi ist 1791 in einer alten ungarischen Magnatenfamilie in Wien
geboren. Die überwiegende Mehrheit des ungarischen Hochadels hatte damals
ihren Sitz in der kaiserlichen Residenzstadt. Der junge Széchenyi erhielt
eine sehr sorgfältige und vielseitige Erziehung, die ihm als Sprößling
der Hocharistokratie deutsch vermittelt wurde. Ungarisch lernte er desgleichen,
allerdings als Fremdsprache – ebenso wie Lateinisch, Französisch oder Italienisch.
Ungarische Sprachkenntnisse eignete sich der Sohn auf Wunsch seines Vaters an
– und das war in der damaligen Wiener aristokratischen Gesellschaft eher eine
Ausnahme –, weil dieser, ein aufgeklärter und gebildeter Mann, ein Befürworter
der nationalen Idee war. Ferenc Széchényi schenkte 1802 seine
eigenen Sammlungen der ungarischen Nation und gründete damit das Ungarische
Nationalmuseum und die Nationalbibliothek.
Der Sohn István schien lange Zeit andere Ziele zu verfolgen. Er wurde
Husarenkapitän, nahm am Befreiungskrieg gegen Napoleon teil, und wollte
unbedingt Major werden. Zur Zeit des Wiener Kongresses war er eine bekannte
Figur der eleganten internationalen Gesellschaft, ständiger Besucher von
Bällen, Konzerten, Soirées und Soupers. Des öfteren verliebt
er sich in Töchter vornehmer Adelsfamilien – er soll sogar die Frau seines
Bruders entführt haben –, erlebt dabei jedoch auch Enttäuschungen
und muß sich gelegentlich Abweisungen gefallen lassen. Die Beförderung
bleibt aus, und Széchenyi, der zur Selbstanalyse und Schwermut neigte,
flüchtet sich in modische romantische Posen, in den Weltschmerz. Er schreibt
Gedichte, liest klassische und romantische Literatur und macht, wie Childe Harold
und sein Autor, Lord Byron große Reisen nach Frankreich, England, Italien,
Griechenland und in die Türkei. Ab 1814 führt er, ebenfalls in deutscher
Sprache, regelmäßig ein Tagebuch, das sich während der Bildungsreisen
zu einem Reisejournal ausweitet. Das vorliegende Buch enthält jenen Abschnitt
seiner Aufzeichnungen von einer anderthalbjährigen Reise im Mittelmeerraum,
der über seine Wanderungen in der damaligen Türkei berichtet. Sein
Deutsch und seine Rechtschreibung sind ziemlich schlampig und salopp. Das ist
nicht auf mangelnde Sprachbeherrschung zurückzuführen, sondern auf
die Eile der Aufzeichnungen und darauf, daß Széchenyi auch schriftlich
die mündliche Umgangssprache benutzte. Diese Umgangssprache der Wiener
Aristokratie hatte einerseits im Vergleich mit dem „klassischen“ Hochdeutsch
eine regionale Färbung, war andererseits mit französischen, italienischen
und lateinischen Einsprengseln durchmischt.
Zur großen Wende in der Laufbahn von Széchenyi kommt es in der
ersten Hälfte der zwanziger Jahre. Das Regiment, in dem er als Offizier,
aber noch immer nicht als Major dient, wird in Garnisonen verlegt, die in ungarischen
Gebieten liegen, und hier wird er mit der Rückständigkeit des Landes
konfrontiert, das er bis jetzt gar nicht gekannt hat. Beim Militär fühlt
er sich immer weniger am Platz, und sucht nach all den Jahren, die er nun als
verlorene empfindet, eine neue sinnvolle Aufgabe. Als Magnat wird er Abgeordneter
im Herrenhaus des ungarischen Landtages in Preßburg und hält als
erster seine Reden in ungarischer Sprache. Bis dahin wurden die Reden auf lateinisch
gehalten.
In den folgenden Jahren hat Széchenyi zahlreiche Projekte sowohl finanziell
unterstützt, als auch politisch sowie organisatorisch angeregt und vorangetrieben.
Nationalökonomie, Industrie und Verkehr – das waren die Bereiche, denen
er sich vor allem widmete. Seiner Initiative sind z. B. die Regulierung der
unteren Donau am Eisernen Tor und der Bau der ersten festen Steinbrücke
zwischen Pest und Buda, die Kettenbrücke, zu verdanken. Er war ein unermüdlicher
Förderer der Dampfschiffahrt auf der Donau und auf dem Plattensee, des
Eisenbahnbaus, der Dampfmühlen, des Nationaltheaters, der Pferdezucht und
der Pferderennen nach englischem Vorbild. Er errichtete in Pest ein Nationalkasino,
das zum Treffpunkt des ungarischen Adels wurde. Seinen Wohnsitz verlegte er
nach Pest, plädierte für Reformen, mal in Landtagsreden, mal in nationalökonomischen
und politischen Schriften, sowie in Zeitungsartikeln. Diese Schriften verfasste
er schon allesamt in ungarischer Sprache. Das bahnbrechende erste Werk Hitel
(Kredit) erschien im Jahre 1830, ihm folgten weitere, die sich immer wieder
mit den grundsätzlichen Fragen und Bedingungen der bürgerlichen Entwicklung
im Geiste eines national orientierten Liberalismus beschäftigten.
Széchenyi war ein Befürworter des bedachten Fortschritts, der Bildung
des Einzelnen, des allmählichen Aufstiegs der nationalen Gemeinschaft.
Er wollte mit den Habsburgern nicht brechen, hatte sogar die Hoffnung gehegt,
das Verständnis Metternichs für die Entwicklung Ungarns zu gewinnen.
Er war kein Revolutionär, wie Kossuth, mit dem er in den vierziger Jahren
in Konflikt geriet und in der Presse eine großangelegte politische Debatte
führte. Als die Revolution ausbrach, wurde Kossuth einer ihrer radikalen
Führer, Széchenyi hingegen wurde von Zweifeln und bösen Ahnungen
geplagt. Er nahm zwar einen Ministerposten in der ersten freien ungarischen
Regierung an, u. zw. die Leitung des Verkehrsministeriums, war aber tatsächlich
wegen des Umsturzes verzweifelt, da dieser mit seiner Vorstellung von einer
sukzessiven Annäherung an Europa, wie sie heute wieder auf der Tagesordnung
steht, nicht in Einklang zu bringen war. Széchenyi war zeitlebens psychisch
äußerst labil, seine Tagebücher, die er weiterhin ununterbrochen
führte, u. zw. unverändert in deutscher Sprache, legen davon Zeugnis
ab. Er kämpfte mit den Dämonen seines Gewissens, eine tief wurzelnde,
mitunter sogar pathologisch anmutende seelische Zerrissenheit führte zu
Selbstanklagen und rief Schuldgefühle hervor. Unter der Last der vermeintlichen
Verantwortung für die Revolution brach er zusammen, und wurde im September
1848 in die Irrenanstalt von Döbling bei Wien eingeliefert.
Széchenyi
lebte noch fast zwölf Jahre lang, aber die Irrenanstalt verließ er
nie mehr. Zwar soll sich sein Seelenzustand nach einigen Jahren wesentlich gebessert,
sogar stabilisiert haben, doch die vorgebliche Krankheit diente ihm nun als
Schutz vor den Repressalien nach dem Freiheitskrieg und als Fluchtwelt angesichts
der allgemeinen Depression in Ungarn. Die kaiserliche Geheimpolizei behielt
ihn aber weiterhin hier im Auge. Als Széchenyi eine deutschsprachige
Antwort auf ein ungarnfeindliches, vom kaiserlichen Innenminister inspiriertes
politisches Pamphlet nach London hinausschmuggeln und dort erscheinen ließ
sowie auch sonstige konspirative Handlungen Tätigkeiten entfaltete, wurde
in seiner Wohnung in der Irrenanstalt eine Hausdurchsuchung vorgenommen. „Kann
mich nicht retten!” schrieb er am 1. April 1860 in sein Tagebuch, und am 7.
April erschoß er sich.
Ein gleichermaßen heroisches, wie tragisch umschattetes, von Spannungen
und Zwiespältigkeiten geprägtes Leben. Der junge Herr, der mit Begleitern
und Empfehlungsbriefen eine Bildungsreise in den Orient unternimmt, läßt
noch wenig davon ahnen.
Miklós Györffy
Graf István Széchenyi
Reisetagebuch
(18. August
1818) Adriatischem Meer 43 Latitude.
Sobald ich nach Rom gekommen bin machte ich den Plan, meinen Aufenthalt in Frascati
so viel möglich zu verlängern. Wie ich Florenz verlassen habe, gab ich dem Grafen
Lützow rendez-vous in Ancona und das zwar ohne allen Ausflüchten, auf dem 15.
August: ich wollte mein Versprechen halten, denn ich würde in einer Verlegenheit
gewesen sein, dem Orione in Ancona nicht mehr zu finden, und lange auf ein Kauffarthei
Schiff warten, oder mit tausend Unbequemlichkeiten über Land nach Manfredonia
und Otranto zu müssen. In Ancona finden sich selten Schiffe vor, die nach Corfu
und nach Constantinopel segeln.
- Graf Lützow sendete seine Caleche von Ancona nach Triest, über See, um dass
es von Triest nach Constantinopel geschickt werde, von wo viele Gelegenheiten
nach der Levante sich vorfinden; - in denen Staaten des Pabstes stockt der Handel
allgemein, daher die Häfen auch in keinem besondern Flor sein können. Genotte
hat mich aber auf den Samstag den 15-ten August zu Mittag gebethen - welches
ich rund refusirte, nachdem ich aber in Frascati neuerdings übernachtete und
in dem angenehmen Umgang der 3 Fräulein Kaunitz mehr Vergnügen fand, als ich
mir in der Gesellschaft des Commandanten des Brig's versprechen konnte, und
Fürstin Kaunitz mit kleiner Mühe zu bewegen war, in Rom über Mittag zu bleiben,
so entschloss auch ich mich ohne allem Bedenken, was daraus entstehen wird,
erst den 15-ten Weg zu gehen - und sodann meine Reise dergestallt zu beschleunigen,
dass ich in Ancona dem 17 Abend antreffen könne. - Die Posten von Rom nach Ancona
sind gut bestellt, die Chaussée aber ein wenig steinig, weswegen eine schnelle
Reise für jenen gefährlich wird, der von Angst getrieben wird zu spät anzukommen,
und der in einem schlechten Wagen sitzt -. In dieser Laage war ich beiläufig,
denn meine beiden Reise Wägen, die bis Triest, wo ich mich einzuschiffen dachte,
berechnet gewesen sind, und die ich obendrein dem preusischen General Consul
in Rom, Bartholdi, um die unbedeutende Summe von 70 Louis d'ors verkaufte, waren
in einem wirklich nicht sehr brillanten Zustande - indessen bin ich doch ohne
allen aventuren in Ancona über Loretto, den 17-ten August nachmittag gegen 4
Uhr angekommen. Graf Lützow war in Sinigaglia - und kam erst um 1 Uhr Abend
nach Hause; damals schlief ich schon ganz ruhig - und das war mir lieb, denn
ich hatte doch eine Art Verlegenheit, mich zu excusiren, indem er auf mich etwa
gewartet haben konnte. Diese Möglichkeit fiel mir erst dann ein, wenn ich des
Grafin Lützow gefälligen und freundlichen Character erst recht vollkommen überdachte
- und das Gefühl welches ich empfand, ihn in Verlegenheit gesetzt zu haben,
war mir weiter nicht so angenehm als man es glauben könnte. - In Rom vergass
ich alles, auser mir recht wohl zu thun: es gieng mir so lang schon gar nicht
am besten! Graf Lützow ist in Geschäften und kann und wird auf mich nicht warten
- ich bin kein Attaché von seiner Ambassad, und auch kein Reise Gesellschafter
- so war meine Idee. - Den andern Morgen nach meiner Ankunft in Ancona, gieng
ich gegen Früh zu ihm, und überhäufte mich selbst mit so vielen Vorwürfen, dass
er mich über meine désolation consolirte.
Den 17-ten Abend und den 18-ten Früh endligte ich alle meine Geschäfte; schrieb
mehrere Briefe: einen an die Fürstin Kaunitz - und gieng abends um 9 Uhr am
Bord - Das Wetter ist ganz ausnehmend schön gewesen - der Wind so dass wir mit
65 Grand fahren das heisst segeln konnten.
(19. August
1818) Den 19-ten August 43-31 Latitude
um 11 Uhr abends.
Die vorige Nacht schlief ich 8 Stunden. Der heutige Tag war schön - Wind ist
schlecht und contraire. In dem Schiff gar keine Bewegung - Mir geht's vortrefflich
- Wir sind 75 Milien wovon 60 auf einen Grad gehen, von Ancona entfernt. - Es
ist so viel Musick, so viel Lärm und Spass dass man gar nicht schreiben kann.
(20. August
1818) Den 20-ten August.
Der gestrige Tag vergieng sehr angenehm - heute in der Früh hebte sich ein ganz
contrairer Wind - und bis jetzt machen wir gar keine anderen Bewegungen als
Laviren - höchstens eine halbe Milie in einer Stunde. So eben sehen wir Lissa
und Lesina - Mir gehet's heute nicht so gut wie gestern - indessen ist es doch
erträglich - da auch die See nicht sehr hoch ist.
(25. August 1818) Den 25 August 1818 in Corfu.
Gestern gegen 11 Uhr Vormittag sind wir mit einem ziemlich günstigen Wind in
diesem Hafen eingelaufen. - Die Gelegenheit auf dem Brig ist zu unbequem und
die Bewegung beinahe immer zu stark, um daselbst ein Tagebuch regelmässig fortführen
zu können, daher merkte ich auch nur die, mich am meisten frappirenden Gegenstände
auf, und will sie jetzt in der Geschwindigkeit wieder sameln in besserer Ordnung
als ich sie mit Bleistift in meiner Brieftasche anmerkte für wieder aufschreiben.
Den 20-ten Abend gegen 11 Uhr Abends zeigten sich mehrere Gewitter Wolken auf
dem Nord Westlichen Himmel, und der Brig wurde in die Bereitschaft gesetzt einen
grossen Windstoss ohne aller Gefahr aufnehmen zu können - Diese Vorsicht ist
äuserst nothwendig, da zu Zeiten der Wind so geschwind kommt dass man dann die
Segeln die vom Winde übernatürlich stark angespannt werden, mit keiner Macht
einziehen kann, und das Schif, im Fall es auch glücklich genug wäre nich zu
chaviriren, die Mastbäume sehr leicht verlieren kann. - Bei Tag kann ein geschickter
Seemann den Wind von weiten kommen sehen, und daher kann man auch bei Tag, wenn
kein veränderliches Wetter ist, alle möglichen Segeln spannen, um den höchst
möglichen Weg zurückzulegen, bei der ruhigsten hellsten Nacht geht das aber
nicht an, et il faut absolument respecter la nuit. - Die preparatifs einen Sturm
zu empfangen haben auf einem italienischen und einem französischen Schiff weit
etwas inposanteres als an einem englischen, denn der Lärm am Bord der beiden
ersten ist mit der religiösen Stille des letzteren in gar keinem Vergleich zu
bringen -, die Blitze werden immer häufiger, der Wind heftiger und die See zorniger,
und gewöhnlich denkt man dass es noch heftiger und lebhafter kommen wird -,
diese Nacht zog das Centrum des Gewitters nach Dalmatien, und wir bekamen nur
den rechten Flügel - der mit sich einen so guten Wind brachte, dass wir nebst
der lächerlichen Langsamkeit des Brig's gegen 9 Milien in einer Stunde ganz
in unserer Richtung, en poupe, segelten. (60 italienische See Meilen gehen auf
einen Grad = 15 teutsche Meilen.) Dieser Wind war der einzige gute, den wir
bis Corfu gehabt haben - er sendete uns 180 Milien näher zu unserm Zweck. Werde
mich auf den guten Wind dankbar erinnern! - Die Bewegung im Schiff war um einem
grossen Theil verstärkt, und ausser mir dem Grafen Lützow und dem Herrn Wallenberg
spie alles in der schönsten See Ordnung. Mir war auch nicht gut, ich gestehe
es ganz frei, und ich hoffte mit ein paar maliger Vomitation meine vorige Wohlbehagenheit
wieder zu erhalten, und mich mit einmal aller der scheusslichen diners wieder
loszumachen, mit welchem die spitz Bübischen italienischen Wirthe mich seit
drei Wochen vergifteten! Ich überliess mich denen tiefsten Gesundheits Nachgrüblungen,
die den gesundsten Mann krank machen könnten - mit einem Wort allen moralischen
Beweg Gründen, die einen ehrlichen Mann zur Übergabe reitzen könnten - es gieng
aber nicht; und zu phisischen Hülfsmitteln, die mir ganz zu absurd vorkommen,
wollte ich auf keine Weise schreiten; daher blieb ich den ganzen Tag mit einer
tüchtigen nausée - und das was ich gegessen und getrunken habe war wenig, und
nicht mit Begierde genommen; ein gross Stück Salami hab' ich gegessen, und ein
Glas Bordeaux getrunken das war das beste - indessen rathe ich keinem Menschen
ganz gegen sein Verlangen etwas zu sich nehmen zu wollen, denn das wäre ganz
thöricht, denn der Magen digerirt, wenn man sich NB nicht ganz gut befindet,
weit schlechter, als im gewöhnlichen Zustand
- daher auch viel weniger gegessen werden muss - Auf einem Schiff hingegen isst
man immer mehr, wie in dem all Täglichen Leben, und darum muss man krank werden.
- Man isst aus Langweile mehr, und weil jeder Mensch einen engagirt, mit der
dummen Bemerkung dass man etwas haben muss um wieder von sich geben zu müssen
und das ist ganz falsch, denn der Augenblick ist für den Seekranken der aller
unangenehmste, wenn er zu digeriren anfingt, und wieder herausspeyen muss. -
Wenig essen - und gar keine Mittel brauchen ist die beste Methode, und endlich
wenn man sehr ermüdet und schwach geworden ist, Suppe mit Gewalt, meinet wegen,
und auch ein Glas guten Wein nehmen - alles übrige ist pansch und verdirbt den
Magen anstatt dass er ihn stärken soll. - Herr Kranichsfeld zum Beispiel, der
Augen Doctor des Internuncius, war im Anfang der Seefahrt nicht wohl, und späterhin,
da er alle möglichen Mitteln anwandte die man ihm gerathen hat, so krank, dass
er aus Schwäche nicht auf seinen Beinen stehen konnte. - Durch die immerwährende
Bewegung des Schiff's liegen alle Speisen die mann zu sich nehmt so hoch, dass
man ein immerwährendes Drucken fühlt und zum Speyen geneigt ist - die aller
grösste Pointe also um nicht krank zu werden ist, so wenig in dem Magen zu haben
wie möglich, und sich ein wenig Gewalt anzuthun - Der jenige der sich schwach
hingiebt und gegen das Übelbefinden nicht kämpft, muss unterliegen. - Die Wellen
im Adriatischen Meer sind viel kleiner als in dem Ocean - Les vagues sont semblables
au bouillonement de l'eau dans une chaudière - et les marins disent très souvent,
si la mer est agitèe fortement du vent, et si elle commence à être houleuse,
que les haricots grossissent. La houle ne reste pas très longtemps aprés une
tempête, et généralement la mer n'est pas aussi désagréable dans un bons temps,
qu'elle l'est toujours dans l'océan. On prétend qu'il y a beaucoup de danger,
en hyver et aux équinoxes - parceque la mer est trop petite, pour se mettre
au Large, et le vent quelquefois beaucoup trop fort pour que l'on puisse se
tenir en travers, sans courir le danger de chavirer. - Stalimene sagt mir eines
Abends - se il vento e troppo gagliardo, e bisogna di andare in puppa, o stare
in traverso - ma se la tempesta vuol cacciare il bastimento nelle scoglie, che
alora per forza si deve tenir il Largo; perche, se e necessario di negarsi,
si fa con molto piu piacere stando in traverso, che nelle maledete Scoglie,
che gia e una cosa terribile assai. - Der Wind blieb die ganze Nacht hindurch
gleich, der Lärm anhaltend; - gegen Mitternacht, nachdem ich das herrliche Schauspiel
eines Donnerwetters und der sich am Schiff brechenden Wellen sattsam angesehen
habe, bin ich ruhig in meine Zelle, und machte neuerdings die Bemerkung, dass
der Mensch ein elendes Wesen ist! und so lang' nur froh und glücklich bis er
seine grenzenlose Schwachheit und Unwissenheit nicht einsieht -. Wenn ich auf
einige Augenblicke meines Lebens zurückdenke, so glaube ich nimmermehr, dass
ich damals bei gesunder Vernunft, oder meiner Handlungen Meister gewesen bin.
Es ist beinahe nicht möglich, mit eignem Willen sein Glück so zerstören zu wollen!
- Wir arme Menschen sind dem Schicksal untergeordnet, und der Weg unseres Lebens
ist uns vorgezeichnet! Meine Zukunft ist auf immer verdorben; doch bleibt mir
noch immer die Erinnerung von einigen seligen Augenblicken! -
Landschulz ist ein äuserst unangenehmer Mensch, und wenn ich mit dem gut auszukommen
gelehrnt habe, was schon ziemlich gut geht, so ist die mir angeborne Ungeduld,
und Laune, auf ewig ausgepeitscht. Ender ist der talentvollste und beste jung,
den ich kenne, ich werde mein ganzes Leben mich um ihn interessiren - der erste
war im Anfang krank - dan giengs besser. Ender, der jede Minute zu benützen
sucht, hat auch ein wenig gespien, dan sich aber zusammengenommen, und einige
charmante Gegenden an der Küste Dalmatiens aufgenommen und alle merkwürdigen
Menschen auf dem Orione gezeichnet -. Ich hab' bis 7 Uhr geschlaffen, nicht
ruhig, denn das kann ich seit einer Zeit nicht einmal auf dem Lande mehr, da
ich ein gewisses Zucken durch alle meine Glieder fühle, das mich alle Augenblicke
krampfhaft erweckt. - Nachdem ich angezogen war, zeigte man mir die kleine Insel
(es ist ein kahler Fels) Pomo, und Lissa - vonweitem sah man die hellblauen
Gebürge Dalmatiens - und andre unbedeutende Inseln - die in der schlechtesten
Karte angedeutet sind, und die höchstens ein Marin oberflächlich kennen muss;
nicht einmal der braucht ihre Laage genau zu kennen, da der Golph an der gegengesetzten
Seite so viel Wasser dem Schiffer darbiethet, dass er ein Esel sein müsste,
in der Zeit eines heftigen Sturmes sich zwischen alle die Klippen festzusetzen.
Die Insel Lagosta ist mit gefärlichen unsichtbaren Inseln umgeben.- Der Fels
Cazza dient denen Schiffern der benachbarten Inseln zum Spital, und man sagt
dass die kranken Schafe' und Geisse daselbst, von denen aromatischen Kräutern,
reschem Wasser und guter reiner Luft, wieder gesund werden - Oft, wenn sie länger
auf diesem abgesonderten Felsen wohnen, werden sie ganz wild und man braucht
Geschicklichkeit um sie wieder zu bekommen! Die Pelagosa liegt mitten in dem
Adriatischen Meer, und ist der gefährlichste Fels in dem ganzen Golf, unter
dem Wasser ziehen sich die Klippen rechts und links von diesem Feind der Seefahrer,
und manchmal steht ein Schiff mit dem günstigsten Wind durch eine lange Winternacht,
über das Quer, um nicht in das selbe zu gerathen - Überhaupt wissen die Schif's
Leute doch nie recht wo sie sind - und wiewohl die Seefahrt dem menschlichen
Verstand die grösste Ehre macht, wie man's gewöhnlich zu sagen pflegt, so hat
der gescheidste Marin, wenn er wo glücklich ankomt, viel mehr Glück als Verstand,
das ist meine unmassgebliche Meinung. Auf dieser Insel, wenn man es so nennen
kann, leben einige Fischers Leute, und die Sardeln die man in Winter daselbst
zu fangen pflegt, haben in der ganzen Gegend die meiste Renommée. - Gegen 10
Uhr abend hat der Wind ganz nachgelassen, und wir lavirten die ganze Nacht hindurch,
nicht eine Milie in einer Stunde! - die folgende Nacht ein wenig besser gesegelt,
und den 22 darauf den ganzen Tag noch besser - nous n'avons pas discontinué
de faire border le batiment autant que possible - Mehr als 65 Grad von einem
rechten Winkel kann man das Schiff gegen den Wind nie zwingen, und selbst dann
muss man sich ziemlich in Acht nehmen, um keinen Segel zu verlieren.
Den 22-ten auf den Abend sahen wir Brindisi - und kamen beinahe an das Land
- Die Gegend ist hübsch, pitoresque kann es aber gar nicht genannt weden. Wir
haben einige Schiffe begegnet - und eins davon segelte gerade auf uns zu - Der
alte Stalimene liess die Kanonen laden - wegen welcher precaution ich vom Herzen
lachen musste! - Man hat sie von weiten mit dem Sprachrohr angesprochen - und
sie antworteten höflich und mit erstaunlicher soumission. Die Rechte des Stärkern
auf dem Meer sind schrecklich! - Man hat mir gesagt, dass es sehr leicht wäre
aus Otranto einen sehr guten Hafen zu machen: indessen kann jetzt kein Kriegs
Schiff einlaufen, oder auch die unbequemste Herberge finden. - Den 23-ten in
der Früh waren wir 60 Milien von Corfu - Links presentiren sich die Gebürge
von Albanien in der Prachtvollsten Schönheit. Kein Maler kann die dunkel blaue
See und die lichten Berge malen! - Fano zeigt sich allerliebst. - Fische sahen
wir in der Menge; konnten keine fangen - Palameden heissen sie! - - Nachmittag
sahen wir mehrere kleine Inseln, die vor dem Canal von Corfu liegen - die Nacht
vergieng äuserst unruhig, da die kleinsten Manoeuvres, per bordegiare, auf unsern
Schiff so viel Pfeifen erfordern, dass man mit der besten disposition nicht
einen Augenblick schlafen kann. Der Wind hat sich übrigens auch mehrmal gerändert
- Um 8 Uhr Früh den 24-ten August waren wir völlig in dem Canal, beiläufig in
der Höche von Casopo (wo einstens Cassiopea hauste). Die Aussicht von einem,
mitten in dem Canal liegenden Brig ist sehr schön - Albanien hat etwas grosses,
rauhes, uncultivirtes, indessen die Insel Corfu selbst ein mildes Clima verräth,
und mit vielen Öhlbäumen die Küste bewachsen hat - die Franzosen haben sehr
viele Verbesserungen daselbst vorgenommen. - In welcher Geschichte sind solche
26 Jahre zu finden, die wir verlebt haben! -
Die Nordseite von Corfu ist äuserst schön, die Ostseite hingegen Öde. - Die
an der Küste liegenden Landhäuser, verschönern das Land ein wenig, sie haben
aber gar keine schönen und grossen Bäume zur Zierde - En Albanie (precisement
à la Butrinto - petite ville vis-à-vis de l'isle de Corfu à la distance de 1/4
lieues à la même hauteur) on fait des moutardes des Oeufs de Mulets. - On prétend
que le canal de Corfu est assez grand et sûr pour qu'une flotte toute entière
y mouille avec assez d'agrément. Je näher wir nach Corfu gekommen sind, desto
mehr concentrirte sich die schöne Aussicht. Links vom Ort sieht man ein grosses
Arsenal ganz nahe zu Govine - Um 11 sind wir angekommen, Anker gelegt und einen
Officier vom Bord in die Stadt geschickt, wir haben uns indessen zum Frühstück
gesetzt. Die Sanität sendete 2 Menschen zum Schif - die alles aufschrieben was
man in solcher Gelegenheit zu wissen braucht -. Der grösste Kahn wurde zurecht
gemacht, und wir waren eben im Begriff, zu dem G(eneral) Fredrick Adams uns
zu verfügen, als der Obristlieutenant John Maitland (Sohn des Earl of Lauderdale)
von dem General, der anstatt dem General Maitland der Gouverneur von denen Jonischen
und auch von der Insel Malta ist, sich aber in diesem Augenblick in Mailand
befindet, gegen uns abgesendet wurde, um den Herrn Internuncius (das konnten
sie sehr leicht erkennen, da wir an der Maistra den Pavillon quaré aufgesteckt
haben) in Namen der Britten zu beneventiren. Das ganze Gepack wurde also in
das Castel geführt - und eine Ceremonieuse Unterredung fand statt - Ich übergab
meinen Recommandations Brief, den ich von der Fürstin Kaunitz hatte, an den
General Adams - er ist ein hübscher Mann, grau, und 34 Jahre alt: die Fürstin
Kaunitz hat ihn vor 10 Jahren in Sicilien gekannt. - Die Engländer benützen
jede Gelegenheit, denen Östreichern einen Beweis ihrer Anhänglichkeit zu geben
- da sie keine Ursache dagegen haben, und weil es dem Vernünftigeren und dem
Gescheidern viel besser stehet - die ungebildeten und unkräftigen Nationen mit
Höfflichkeit zu behandeln, als ihnen mit Unart zu begegnen - Die émulation von
zwei Nationen ist die Mutter des Hasses, den wir in dem englischen und in dem
französischen Volk neuerer Zeit bemerken können: alle übrigen versammeln sich
gegen die Mächtigen, und werden aus Nothwendigkeit und Interesse Freunde - Es
ist noch kurz, dass Frankreich eine allgemeine Obermacht über alle die übrigen
erhielt, um dass die Freundschaft der Engländer und der Östreicher, schon aufgehoben
sein könnte - Mit der Zeit wird diese Liebe auch nachlassen, aber nicht darum,
weil die Östreicher die Emuli der Britten werden, aber weil sie mit andern Völkern
gegen die selben sich eben so sehr vereinigen müssen - wie sie gegen Napoleon
einst vereinigt gewesen sind. - Wenn man die Karte in die Hand nimmt, so wird
man des Lachens sich kaum enthalten können die Engländern in denen jonischen
Inseln zu erblicken! Was soll dass heissen? - Sind denn Menschen so gut, so
albern, dass Sie das Adriatische Meer für das Eigenthum des Kaisers von Östreich
halten? - Die wenigen Marin Officiers, die in unserm Dienst sind, und die ich
in der kurzen Zeit, als ich auf dem Brig Orione bin, kennen gelernt habe, fühlen
leider nur zu gut, dass sie commandanten von Paquet-Boot's, und von keinen Kriegs
Schiffen sind! - Eine grosse Monarchie, muss eine grosse Macht haben, ein kleines
Volk braucht keine Kraft, denn die brauchen immer die Stärkern nach ihrem Nutzen,
und die können ruhig und glücklich - fortleben, - ihr Land gleicht einem Land
See - welcher durch schöne Bäume und Blumen verziert werden kann - der Ocean
ist hingegen das Land, wo ein Schiffer leicht untergehen, aber auch über die
Gewalt der Wellen siegen kann. - General Adams empfing uns in dem Castel, wo
der General Maitland gewöhnlich wohnt, und welches auser dem private secretary
Colonel Hankey jetzt ganz leer ist, die Citadelle ist in gutem Zustand, links
von der Zug Brücke steht die Statue des Generals Grafen Schulenburg, der diesen
Platz gegen die Türken vertheidigte, als er in dem Dienst der Republique de
Venise gewesen ist. Das ist der nämliche Graf Schulenburg, von dem Voltaire
in seinem Charles XII so ruhmwoll erwähnt. - Graf Lützow scheint mir kein grosser
Vorsteller zu sein - das ist auch eine der jenigen Eigenschaften, die man sich
nicht geben kann - und glücklich der sie hat, denn es ist doch schön zu sehen,
wenn ein Gesandter mit grace eine entrée de chambre machen, und alle Leute unverlegen
ansprechen, und mit hübschen obligeanten Ausdrücken Antwort geben kann. - Die
7 Senatoren der 7 Inseln kamen auch in das Fort, und wurden von dem Baron Theodochy,
der hier Altesse gennant wird - in Reih und Gliedern angeführt. - Endlich wurden
Complimente gewechselt, und weggegangen - die erste course gieng zu dem Herrn
General Consul Obristen von Paulich (Bruder des Commandanten der Invaliden in
Wien). Dieser wohnt in einem luftigen Haus, und ist erst vor 4 Wochen angekommen
- Er ist ein unausstehlicher Schwätzer, und ist so bornirt, dass ich ihn gewiss
erkannt haben würde, dass er ein Östreicher in der Insel ist, wenn man mir gar
nichts gesagt hätte, denn, das muss man schon gestehen, dass wir, wiewohl wir
in allen übrigen nicht ungeschickt, nur langsam sind, doch eine besondere pointe
darein setzen,uns in dem Ausland durch lächerliche Menschen sehr oft representiren
zu lassen - Die Engländer, die in Corfu sind, lachen den guten Kerl aus. - Nachdem
auch die Visite geendigt gewesen ist, und ich gleich eingesehen, dass so ein
Dumkopf von einem Consul mir von gar keinem agrément sein kann, bin ich mit
dem Grafen Lützow ein wenig in der Stadt herumgegangen.-
Corfu scheint mir von allen italienischen, und teutschen Städten umsomehr verschieden
zu sein - die Strassen sind enge, das Pflaster ungeheuer schlecht, und die Menge
der Leute, die schmutzig und auffallend stinkend sind - ist nicht unbedeutend.
- Das gute Obst, welches wir gefunden haben, war uns Seemüden, denn krank sind
wir gar nicht gewesen, von einem nicht kleinen agrément. - Nachdem wir ohne
Zweck und ohne Ziel zwei Stunden herumgelaufen sind, bin ich mit Landschulz
und Ender durchgegangen, und haben in dem Wirtshaus di Venezia einige Zimmer
genommen. - Es ist auch ein Engländer, der ein Gasthaus hätte, aber keines von
beiden ist gut, nicht einmal erträglich, und ich kann dem, der einige Zeit hier
bleiben muss oder will, den einzigen Rath geben, ein privat Haus zu suchen und
das selbe zu bewohnen, denn diese établissements von denen ich gesprochen habe,
sind mit Wanzen, Flöhen, und anderen Insecten dergestallt angefüllt, dass ich
keine Nacht ruhig schlafen konnte, wiewohl ich nicht sehr leicht von dergleichen
Geschichten abgeschreckt werden kann, dass ich nur aus der Ursache, um recht
früh in das Land selbst einen spazier Gang zu machen und von dem Nachen unseres
Brigs nicht zu dependiren, den Aufenthalt auf dem Lande vorgezogen habe. - Ich
speisste dennoch auf dem Brig und kam gegen Abend wieder ans Land - 25-ten in
aller Früh bin ich nach Pagliopolis, wo einstens die Gärten des Alkinous gewesen
sind - Die Franzosen unternehmen mehrere excavationen, das aber, was sie gefunden
haben, lohnte ihre Bemühungen gar nicht - es ist übrigens gar nichts zu sehen
-. Zu Mittag war ich bei dem General Adams, der uns ein excellentes Mittagmahl
gegeben hat - ganz auf dem englischen Fuss. Da erneuerte ich die Bekanntschaft
des John Maitlands Obrist von dem Infanterie Regäiment 32 (Sohn des Earl of
Lauderdale). Sein Bruder commandirt die Frégate Glasgow und ist ganz zu dem
Dienst des Lord High Commissioner. - Nach dem Speisen gieng ich nach Hause,
und fand den kleinen Corfuaner Cazzetti; ein hübscher Name - den ich par hasard
den Abend vorher aufgegabelt habe, und der nebst allen avanien, in meinem ganzen
Aufenthalt in Corfu, mit dem besten Willen, aber nichts destoweniger mit der
grössten ignoranz, mich und meine compagnons, gleich einem Lohnbedienten bediente.-
(26. August
1818)
Den 26-ten war ich bei Maitland und zu Mittag bei Theodochy - Jemehr ich die
Engländer kennen lehrne, desto lieber habe ich sie - was für vernünftige reele
Menschen! Talente und Genie zur Poesie Musick und Malerey haben sie gar nicht
- Denker und Sinner sind sie aber vorzügliche.
Theodochy war von Bonaparte employirt, und ist ein gescheidter Kerl. Die Engländer
halten ihn für einen vernünftigen und einen braven Mann - Die Corfuaner hingegen
hassen ihn. - Das ist das gewöhnliche Loos derer die in einem unterdrückten
Lande eine Rolle spielen - und es ist viele Seelen-Kraft erforderlich, von seinen
Lands Leuten gehasst zu werden - vis-à-vis der Lands Leute im Grunde eine sehr
schlechte Figur und Rolle zu spielen, und ohne Dank seinem Lande doch zu dienen.
Nach dem diner versammelten sich einige griechische Famillen bei dem Baron -
und die Gattin samt einigen gelben Kindern erschienen in der cérémoniösesten
Art. - Eine griechische Dame, die in ihrer frühesten Jugend sehr hübsch gewesen
sein muss, und deren charmantes Benehmen mich in das grösste Erstaunen setzte,
da sie von Corfu nie weg gewesen ist, setzte sich zu dem Piano forte, und sang
einige duetten mit einem Insulaner, der eine Stimme wie ein Bär hat. - Einige
englische Officiers Weiber embellirten diese Gesellschaft - durch einen reinen
nationalen Anzug, der mir noch viel komischer vorkommt, als die Mode der Frauen
von Corfu. Madame Fraiser ist eine von denen Engländerinnen, von denen Voltaire
in seiner Pucelle so viel spricht, qui est modeste la nuit, et insolente le
jour.-
(27. August
1818)
Den 27-ten Früh hat mir Dabowits faux bond gemacht, und ich musste mit einer
Barchetta von Golph die embouchure des Baches Potamo aufsuchen. - Die Gegend
von dem Dorfe Potamo ist herrlich - das Gebürge St. Salvadore in der Insel -
und der Anfang von dem Acro Cerauno in alt Epirien schliessen die See dergestallt
ein, dass man sich in der Gegend von Genf vermuthen könnte. Das Widrige einer
Meer Gegend verliert sich ganz, - und die grossen Oliven Bäume - und im Allgemeinen
die Vegetation solcher Gesträuche, die man nicht einmal in Italien kennt, machen
die Spazier Gänge interessant. Um 4 speisste ich in der Mess des 32 englischen
infanterie Regimentes. Wie mich neuerdings diese Anstallt, dass alle Officiers
von einem Regiment mit einander speisen, erfreute, werde ich späterhin sub signo
erwähnen und was ich über die Engländer halte, die in Corfu sind, und deren
Bekanntschaft ich gemacht habe. Um 8 Uhr Abend sind wir mit gar keinen Wind,
von Corfu abgesegelt - und befanden uns
(28. August
1818)
Den andern Morgen, 3 Milien von der Stadt. - - Corfu hat einen sonderbaren Eindruck
auf mich gemacht -. Mir kam alles verschieden vor - Die Häuser sind alle von
Holz die Strassen äuserst enge und die Menge der Menschen so gross - dass man
auf denen Gassen kaum gehen kann. Wirtshäuser sind 2 - man kann aber, wie ich
später in Erfahrung gebracht habe, privat Häuser miethen, und daselbst ziemlich
gut wohnen. Zu kaufen ist nicht viel: Obst ist gut. Die Malaria ist von dem
Monat July und August sehr gefährlich - viele englische gemeine Soldaten liegen
im Fieber. - In Herbst giebt es viele Wachteln, aber noch mehr Wald Schnepfe.
Der Winter ist milde, - in Albanien hingegen - vis-á-vis äuserst streng -. Eis
haben sie auf der Insel nie, und man muss es von Albanien bringen, wo die Gebürge
natürliche reservoirs bilden. Ich war nicht so glücklich, frisches Wasser trinken
zu können, da seit 3 Wochen kein Transport Schnee von Epirus gekommen ist. Man
schreibt diesen retard der Pest zu, die in denen Staaten des Ali Pacha doch
Bedeutende ravagen machen soll. Ali Pacha ist der einzige Türk, vor welchen
die Türken in Constantinopel sich fürchten, und den sie respectiren. - Der gross
Herr hasst ihn.- Vor einigen Jahren hat man dem Ali Pacha prophezeit, dass er
in der Pest sterben wird, weswegen er sich ausnehmend fürchtet, und so viele
précautionen gegen dieses Übel nimmt, als es in der Türkey nur immer möglich
ist. - In seinen Staaten ist übrigens so eine Ordnung, dass man einen geld Sack
liegen lassen könnte, ohne dass es gestohlen würde. - Bis diese perfection erlangt
wurde, sind viele Menschen um's Leben gekommen! - Mister Cartwright, dessen
Bekanntschaft ich durch General Adams gemacht habe, sah ihn in Preveza, wohin
der Pacha sich begeben hat, um den General Maitland zu empfangen. Captain Fraiser,
einer der kolossalsten Menschen, die mir vorgekommen sind, begleitete den General
und man machte sich das Vergnügen dem Pacha zu sagen, dass alle Schottländer
dieselbe Grösse haben, worauf er auf der Stelle erwiderte, dass die grossen
Menschen nie brav sein können! Er ist 70 Jahre alt, und lacht wie ein Tiger.
- Die 7 Jonischen Inseln ist ein Frey-Staat, durch die Engländer protegirt!
Sie haben einen Senat und der Theodochi ist ihr Praeses! Kann man in der Welt
ein hübscheres Pasquil auf einen Frey Staat und einen Protector machen? Wenn
man vom Orient kommt, so muss man in Corfu 40 Tage quarantaine passiren: dass
ist die Regel, indessen ist das Gouvernement zu aufgeklärt um nicht manchmal,
wenn in denen Gegenden, wo von die Reisenden herkommen, gar keine Spuren von
der Pest sich zeigen, eine Ausnahme zu machen. Die von Corfu kommenden bleiben
in allen übrigen Europäischen Häfen 21 Tage in der quarantaine - weshalb die
Summe der Täge die man von denen andern Menschen abgesonder verleben muss 61
ist, wenn man von denen Enbländern in Corfu keinen Nachlass bekommt, und seinen
Weg von denen Staaten des Grossherrn zurück in's Vaterland über keine andre
Insel nehmt = Der also die joinschen Inseln besichen Will (den(n) in allen übreigen
ist's mit der Quarantaine eben si, wie es von der Insel Corfu gesagt ist) der
muss sie in seinem Hinweg besichtigen. - In Triest kann man nach allgemeiner
Meinung die Quarantaine am geschwindesten passiren, und datzu geben einige Geld
Stücke den grössten impuls. - In Otranto hat man im Spital, einen Engländer
der da seine 40 Tage aushalten musste, eine grosse revier zur Jagd Unterhaltung
assignirt, und er hat sich während der Zeit dieser gewöhnlichen Langerweile,
gar nicht übel unterhalten. - Ich werde miene Quarantaine vermuthlich in Malta
aushalten - Das Lazaret ist zwar vin der Stadt selbst äuserst entfernt, und
macht in Winters Zeit jeden Besuch unmöglich, indessen bekommt man alles zu
leihen, was man benöthigt um 4 leere Wände eines in sich selbst ohnehon so unangenehmen
Aufenthalts, so viel wie möglich zu verschönern und bewohnbar zu machen. Man
stellt's sich als ein ungeheures Unglück vor 40 lange Tage in einem engen schlecht
zu bewohnbaren Aufenthelt verleben zu müssen, (12) indessen Glaube ich das gar
nicht mehr, nachdem ich die Langeweile auf einem Schif' schon verkostet habe,
und nachdem ich die Erfahrung gemacht, wie angenehm es sei, von allen dem eine
gehörige ruhige recapitulation zu unternehmen, was man gesehen und unordentlich
und geschwind sich angemerkt hat. -
(28. August 1818)
Um 3 Uhr Nachmittag empfand ich einen kleinen Schlag - un coup de talon - ich
war in meinem kleinen Cabinet, und las Aladin oder Corregio von Öhlenschläger
- war aber auf der Stelle aus meiner Vertiefung (so nennt Herr Kranichsfeld
seine Stimmung in welcher er Verse zu machen pflegt) so herausgebracht, dass
ich der Neugierde nicht widerstehen konnte, auf das Verdeck mich zu begeben.
Die Bewegung des Schiffes war gar nicht zu stark - wie wir an die Sandbank gerathen
sind - denn das war eingentlich das was ich entdeckte sobald ich mit meinem
Kopf aus der Cajute war -, nichts mehr und nichts weniger - Wir segelten eine
Milie in einer Stunde, daher konnte auch das Schiff mit einmal nicht tief in
dem Sand sinken - und die Bewegung am Bord war vorhin auch so unbedeutend, dass
man das gänzliche still Stehen gar nicht gut merken konnte - indessen war es
doch wahr, da sogar das Steuerruder unbeweglich geworden ist - der Commandant
hat geschlafen, und der Lieutenant, der dei Wache hatte, begieng die Dummheit
zu nahe zum Lande zu gehen, denn von dem waren wir nicht weiter als 500 Schritte,
weswegen auch die ganze Sache in sich selbst mehr spassig und komisch gewesen
ist, als es auch einen Augenblick gefährlich ausgesehen haben konnte. Nur für
den Commandanten war es ernsthaft, und für den Lieutenant, denn diese beiden
wären in einem grossen Procès verwickelt geworden - der erste wegen der Unbesonnenheit,
keinen Pilote genommen zu haben, der andre aber wegen der Ungeschicklichkeit
selbst. Stalimene kam ohne Halstuch auf's Verdeck mit dem erschrockensten Gesicht,
welches ich bei einem italiener bemerkt habe, und das will ziemlich viel sagen.
Ender malte seine caricature mit eben so vielem Talent, wie er alles übrige
zeichnet. - Graf Lützow, und sein Gefolg kam auch allmählig aus denen Löchern
hervor - und man sah sich verwundernd, gar nicht ängstig, denn das Land war
nah, die Luft rein, der Wind unbedeutend - wechselweise in's Gesicht und auf
die Équipage - mir selbst war der ganze Vorfall ausnehmend spassig, und mein
Plan schon gemacht, im Fall der Brig aus seinem Bett nicht mehr herausgebracht
werden könnte, - mich samt denen meinigen auf das Land setzen, und bis Prevesa,
wie es auch immer sei transportiren zu lassen - und sodann meinen Weg über Janina
und des Ali Pacha's Reich - nach Saloniki und von da nach Constantinopel - bei
Land zu beginnen, und den Orione seinem künftigen Schicksal gänzlich zu überlassen.
Graf Lützow wäre in weit grösserer Verlegenheit gewesen. Und wenn ich auch einstens
Schiffbruch leiden sollte, was wohl möglich wäre, da ich noch mehrere See Reisen
in Vorschlag habe, so wäre ich es bei Gott, in dem Canal von Corfu mir an willkommensten
gewesen: - Ein Schiffbruch ohne dass jemand dabei ersauft, ist gewiss eine seltene
Sache - und das wäre doch geschehen, wenn wir nicht das Glück gehabt hätten,
in einer und einer halben Stunde ganz flott zu werden. - Welcher Lärm aber und
welche Unordnung auf dem Schiff gewesen ist, das bleibt mir wieder als ein neuer
Beweis - was die italiener für superficiel Menschen sind, und wie wenig sie
in ernsthaften Augenblicken taugen. Um uns flott zu kriegen hat man zu nächst
alle Segeln eingezogen, um das Schiff nicht noch mehr in den Sand zu schieben,
und so dann einen grossen Anker gelegt, und in obliquer Linie an demselben gezogen
- was in der Reihe der Matrosen die an dem grossen Seil, welches den Anker hielt,
angestellt gewesen sind, geschrien wurde - ist wirklich merkwürdig -. Später
hin versprachen wir dem Commandanten, dass wir von der Begebenheit nie eine
Erwähnung in unsern Briefen nach Wien machen werden, welches ich auch halten
will; da ein (...?) mit Cassation oder degradirung ziemlich leicht auf eine
solche Begebenheit verfolgen könnte. - Dieses Blatt mag diese Kleinigkeit also
als Geheimniss aufbewahren - es wird's doch kein Mensch und ich selbst auch
nicht mehr lesen. Gegen halb Acht Uhr sind wir aus dem Canal heraus gekommen,
und segelten in unserer direction 3 Milien in einer Stunde. Die Nacht vergieng
ganz ohne Manoeuvres, was in der Schiffahrt eine äusserst seltene Sache ist.
(29. August
1818)
In der Früh sah ich die Inseln Paso und St. Maura: diese letztere war einstens
eine halb Insel - und das Inselwerden verdankte wahrscheinlich einem Erd Beben,
die in denen Jonischen Inseln äusserst oft vorkommen. - Von da kann man sehr
leincht in den Golpho di Lepanto - wo einstens Philip der 2-te von denen Türken
geschlagen wurde. - Um 11 Uhr morgens waren wir in der Höche von Monte Nero
in der Insel Cephalonia - dieser Berg ist der höchste in allen Jonischen Inseln,
und erhielt seinen Namen wegen seiner ganz schwarzen Farbe - die ihm wegen denen
Pinien, die ihn bekleiden, eigen ist - indessen war er noch bei weiten dunkler
- und wird durch das Feuer, welches aus Unvorsichtigkeit der Hirten in denen
Wäldern oft enstehet, jährlich lichter. Die Pinien dienen gut für Mastbäume,
und da die Engländer solches Gehölz benöthigen, so ist wohl zu denken, dass
dieser schöne Berg, seine jetzige Farbe eine Zeit lang wohl behalten wird. Um
12 Uhr waren wir 38 Grad 21 Minuten N. B. - Man sieht einige detachirte Felsen
auf einem der Vorgebürge der Insel Cephalonia, wo nun die Stadt Scala unter
dem Wasser liegt - da sie vor 200 Jahren von ihrer schönen Höche durch eine
Erderschütterung herabgefallen ist. - Um 1/2 8 Uhr sind wir in der Mitte von der
Insel Zante gewesen, und würden bestimmt in den Canal hereingesegelt sein, um
den Hafen und die Stadt Zante zu sehen - deren Aussicht und Laae vorzüglich
schön und angenehm sein soll - Indessen ist das Schöne in Gegenden noch vielmehr
relatif, als das Schöne in denen Menschen, und man muss sich durchhaus angewöhnen,
ein Land hübsch zu finden, wo keine Bäume, und eine durch die Sonne arsgebrannte
Vegetation ist -. Früchte trägt zwar in Orient alles, was, auch ich möchte sagen,
keinen Stamm und keine Äste und keine Blätter hat. Oeconomen müssen diese Sonne,
die nur für das Nützliche Wärme hat - noch mehr lieben, als solche Verschwender
wie ich - die einen Platanen und einen Eichenbaum allen übrigen in der Welt
vorziehen, und wenn sie auch nur als Zierde in einem Garten stehen sollten.
- Es war aber viel zu spät um uns bei der Nacht in den Canal zu wagen und wir
blieben in grosser distanz heraus.
(30. August
1818)
Den andern Morgen haben wir um 8 Uhr die Küste von Morea erblickt, und ganz
von weiten die Insel Sapienzia! - Das Land zu erreichen muss schwer sein! werde
ich in meinem Leben in ihre Nähe kommen? -
Um 11 Uhr sahen wir die Stadt und Hafen Modon - er soll gut sein: um 1/2 5 Uhr
Coron: diese beiden Häfen haben das gute, dass man mit jedem Wind in einem oder
in dem andern einlaufen kann, da sie an einer Land Zunge so zu sagen, rechts
und links liegen. Den Abend legte der Wind sich und wir blieben die ganze Nacht
auf dem nämlichen Fleck stehen - das ist ein unangenehmer Spass - und der Lärm,
und die Wärme, die man in der Cajute ausstehen muss, erfordern Geduld, wenn
man sie ohne Murren tragen will. - Mir ist's aber sehr gesund - und eine gute
Lehre für die Zukunft, wenn ich's nur dan zu benützen verstünde.
(31. August
1818)
Den 31 in der Früh gieng es schon ein wenig besser mit dem Zephir und gegen
9 Uhr waren wir in der Höche von Matapan. Auf den Abend zeigte sich in der Nähe
der Fels Ovo, und von weitem die letzte jonische Insel Cerigo - Die Nacht hindurch
war wieder bonaccia, wie es die Marins in dem Golph und dem Archipelagus heissen;
und wir avancirten nicht einen Schritt.
(1. September
1818 )
Der 1. September war auch kein äusserst angenehmer Tag - da der Wind beinahe
entgegen gesetzt gewesen ist, und wir mit dem unbequemsten Tanz mit harter Mühe
mittelst des langweiligsten Laviren's nicht weiter als zwischen Cerigo und Cerigotto
kommen konnten. Nach der Insel Candia, die einen grossen prospect gewährt, hätten
wir ganz leicht in 2 Stunden kommen können, denn in dieser Richtung hätten wir
den Wind beinahe ganz im Rücken gehabt.
(2. September
1818)
Den scheusslichsten Wind genossen! Quelle Tangage! -
16 Milien vor Milo sind wir bei der Nacht stehen geblieben. Mein Koch Krebs,
den wir schon früher wegen allen denen sonderbaren Bemerkungen, die er macht,
der Menschenkenner getauft haben - ist bei der Nacht auf's Verdeck - keiner
von denen Mitgliedern der Equipage bemerkte ihn - er aber merkte, dass ein grosser
Anker, mit dem grössten Stillschweigen in's Meer gelassen wurde. In der Früh
fragen wir immer wie viele Milien bei der Nacht gemacht worden sind - und die
bonaccia können wir uns nun leicht erklären - Die guten Leute kennen den Archipelagus
gar nicht und ohne Piloten, den sie in Corfu zu nehmen versäumten, welches doch
in des Commandanten Instruction gewesen ist, wagen sie sich nicht bei der Nacht
vorwärts zu gehen - indessen ist dieses schöne bequeme Übernachten charmant,
wenn man so wie wir, kleine Winde und schönes helles Wetter hat, indessen weiss
ich nicht, was sie, die zwar grossen Muth und Kenntnis in denen ruhigen und
ungefährlichen Augenblicken, in welchen ich sie sah, zeigten - bei Sturm und
in dunkler Nacht unternehmen würden.
(3. September
1818)
Der dritte dieses Monath's vergieng sehr langweilig - wir hatten immerfort tramontana,
und wiewohl mir auch diese Bewegung des Schiff's, wenn nämlich nicht von der
Stelle - die Bewegung auf einem Fleck weit stärker geschieht, als wenn man in
einem ziemlich heftigen Sturm wäre; nicht unangenehm ist, so glaube ich, dass
ich in dieser See Reise noch keine unangenehmere 12 Stunden verlebte - wir sind
indessen mit Mühe und Fleiss endlich doch zwischen dem Fels Annane und der Insel
Milo - wo wir auch übernachteten. Der Tag war lang, indessen haben wir so viel
dem Wind abgewonnen - dass wir den 3-ten in aller Früh Meister gewesen sind,
in dem Hafen Milo einzulaufen oder weiter zu laviren -. Der Commandant war der
Meinung einzulaufen Graf Lützow auch - ich auch - mit einem Wort wir alle -
indessen leben wir seit einiger Zeit auf einem so gespannten Fuss, dass wir
uns gegenseitig nicht immer offen begegnen, und die beiden Partheien aus übertriebener
Artigkeit nichts vorzuschlagen sich wagen, sondern nur den Willen des andern
erfüllen wollen. Diese Art ist in vielen Verhältnissen der Menschen die Grund
Ursache alles Missverständnisses und Übels - dem man sehr leicht entgehen könnte,
wenn man bei dem System festbleiben wollte, dass überspannte delicate Menschen
im gewöhnlichen Leben eben so, wenn nicht noch unangenehmer sind als Grobe ungeschliffene
Leute. - Der langweiligen Unentschlossenheit des Commandanten - den Vorschlag
zu machen, in dem Hafen einsegeln zu wollen, machte ich ein Ende - und nach
einigen Complimenten - von einer Seite, dass der Brig und die ganze Equipage
nur zu dem Dienst des Inter Nuncius ausgerüstet sei, und von dessen Willen alles
abhänge, - von der andern - dass es einem so ausgezeichneten Commandanten alles
anheim gestellt sei, - wurde endlich entschieden im Hafen einzulaufen. - Um
das letztere gänzlich zu bewerkstelligen, mussten wir anderthalb Stunden den
Wind erst suchen, to look for a Wind, und uns in die Richtung stellen - dieses
Manoeuvre war nicht langweilig, denn mit jedem Schritt wechselte die östliche
Küste der Insel Milo: grosse steile Felsen bilden das Ufer - einige sind halb
heruntergestürzt, andre machen Miene das selbe zu thun - das Meer bricht sich
hart an sie, und keine Bäume bedecken ihre Spitzen - das Land ist öde, wie man
sich's nur immer vorstellen kann - und sogar das Gras, welches hie und da selbst
zwischen Stein oftmalen sich zeigt, ist von der Sonne dergestallt verbrannt,
dass diese Küste der benannten Insel ein vollkommenes Bild der Unfruchtbarkeit
zeigt: gegen 10 Uhr haben wir uns vor dem Canal, der in den Hafen der Insel
Milo führt, so gestellt, dass wir die Insel Anti Molo in dem Rücken hatten und
waren im Stande ohne aller Gefahr endlich einzulaufen. Links zeigt sich auf
einem spitzigen Fels die kleine Stadt Castro, in einer dürftigen und ariden
Unordnung, rechts hingegen, einige grössere Anhöchen und durchaus unbewohnte
und uncultivirte Landschaften. Die linke Küste des Canals sieht auch sehr traurig
öde und düster aus - einige Feigen Bäume - und andre Gesträuche erfüllen jedoch
den harten Dienst, die abscheuliche Gegend einigermassen zu zieren -. Da wir
seit 6 Tagen kein Rindfleisch gegessen haben - erfreute uns der Anblick der
Kühe und Ochsen die am Rand zwischen Felsen Klüften ärmlich ihre Nahrung suchten.
Und ich hab mir lebhaft vorstellen können, dass der Anblick dieses vortrefflichen
Thieres - denen gewiss äuserst willkommen sein muss, die einige Jahre auf den
kleinen Genuss, sich mit fettem Hammel Fleisch ernähren zu müssen, reducirt
worden sind. - Keine Oliven Bäume merkte ich durchaus niergends -, später erfuhr
ich auch, dass auf der ganzen Insel keine sind. - Die ganze Passage zeigt ein
uninteressantes Bild - sowohl dem Maler, als auch dem Officier, der für die
Anschaffung frischer Lebensmitteln sorgen muss -. Der Maler braucht 2 Farben
um die Insel Milo darzustellen: Blau und Grau - die Bäume sind auch grau, und
die Häuser haben kein Dach - keine Fenster, und sind auch grau. - Wie wir in
der Hälfte des Canals gewesen sind - kam ein kleines Boot gegen uns - 2 Menschen
sassen darin, sie ruderten aber schwer denn sie hatten den Wind gegen sich,
und das Meer war gross - Wir dachten, dass es Fischer seyen - doch zeigte sich's
bald, dass sie den decidirten Willen hatten auf uns loszusteuern - der Brig
wurde gegen sie gelenkt, einige Segeln eingespannt - und ein grosser Strick
zugeworfen - den erhaschte der eine Grieche, der darin sass - musste aber wegen
der Gewalt, mit welcher wir giengen, gleich wieder auslassen - und in einigen
Augenblicken waren wir so weit von ihnen, dass wir es aufschiegen mussten -
mit ihnen zu sprechen, bis wir vor Anker lagten - Das geschah bald - nachdem
wir das Vergnügen hatten mit jedem Schritt neue Schiffe in dem Hafen zu entdecken
- Der Hafen formirt eine Schlucht oder vielmehr eine Buchte in welcher 1000
Fahrzeuge bequem stehen könnten - In dem ganzen Archipelagen findet sich kein
andrer Schutzort für Kriegsschife - der mit Milo vergliechen werden könnte -
der einzige Fehler den man ihm aussetzen könnte, ist der, dass er beinahe zu
viel Grund hatt, und dass das Meer zu kräftig ist - Für Handels Schiffe ist
das freilich ein grosser Fehler, für Kriegs Schiffe gar keiner. - Es waren gegen
20 Fahrzeuge in dem Hafen, wie wir angekommen sind - worunter 2österreichische:
gegenseitig wurden Flaggen aufgespannt und die Handels Leute, die unter Kaiser
Franz Scepter ihrem Gewinn nachgehen, salutirten den Oriono mit 7-ben Kanonen
Schüsse. - Der Grieche, der uns in dem kleinen Boot entgegen gekommen ist -
spannte indessen ein kleines Segelchen auf und kam allmählich auch am Bord -
es war ein Pilote der seine Dienste uns antragen wollte. - Wir nahmen diesen
Antrag mit Vergnügen an, denn bei Gott - ist diese Person auf unserm Bord nicht
überflüssig gewesen. - Dieser Grieche - der einer der angesehenen Männer in
der Insel ist, trug uns seine Dienste - in jedem Genre an - und erfreute uns
nicht wenig, mit der Nachricht, dass man in Castro alles das, was man auf einem
Schiff kaum entbehren kann, als Wein, Brodt, Fleisch und Wasser - in guter Qualität
und in Abondanz bekommen könne. (2 1/2 Zeilen gestrichen). Der Lieutenant Gnoato
wurde mit 12 Matrosen und einige Unterofficiere ans Land gesendet um - alle
nöthigen provisionen anzuschaffen - et pour faire de l'Eau. - Der Ragionato
begleitete ihn und der Pilote, der von Triest mitgekommen ist. - Ich und alle
meine Leute konnten den Augenblick gar nicht erwarten - mit dem Fuss wieder
ans feste Land zu steigen und wir schifften uns auf dem mittlern Boot ein. -
Das Land ist sonderber, - und ich dachte nicht, dass in dem Archipelagus solche
Inseln geben könne -. Durchaus sind Felsen und grosse Steine, und man sollte
glauben, dass Feuerspeyende Berge, und dan ganze Meere die Gegend in solche
Unordnung gebracht haben, wie man's findet: kurz es sieht alles so aride aus,
dass ich die Empfindung gehabt, bevor ich das Land bessen gelehrnt habe, mich
um jeden kleinen Bissen zu ängstigen, den ich essen wollte - da ich mir glatterdings
nicht vorstellen konnte, dass das Land das mindeste erzeugen kann -. Der Fuss
Steig gehet zwischen Felsen bis nach Castro - wie beschwerlich und lang! - Sonderber
war auch die Empfindung wie wir in den Hafen eingelaufen sind - und nach und
nach immer mehrere Schiffe und um den Hafen herum kein einziges Haus sahen!
- und endlich merkten, dass das auf eine Felsen Spitze erbaute Castro der Haupt
Ort der Insel sei! - Zwei kleine Wohnungen sind dennoch an dem Hafen angebaut
- es sind Magazine von Wein und Brandewein - und ein guter Brunnen steht neben
ihnen. -
Auf dem Hinweg nach dem Felsendorf, sah ich hie und da umgegrabnes Feld, - kleine
Streifen zwischen Steinern, und von Mauern umgeben, die aber gar nicht hoch
sind - sah das erstemal in meinem Leben, die Baumwolle blühen - und die Frucht
an der Pflanze selbst! Sah' mehrere Gattungen von Marmor und Porphir - und emdlich
ein halb ausgegrabnes ausnehmend gut erhaltnes Theater - von Marmor aus Paros
- aus der Zeit der Athenienser. - Vor einigen Jahren ist es ausgegraben worden,
und das zwar von einem Mylord (ob das aber ein Engländer oder Italiener war,
das weiss kein Mensch - denn so heisst einmal alles was Geld ausgiebt) der vor
kurzer Zeit in Athene gestorben ist - dessen Name in der Insel verloren ist,
der aber von dem Grossherrn das Firman erhielt, dass das Theater seine Proprietät
sei, und kein Mensch sich wagen dürfe, auch an das kleinste Stück Hand zu legen
-. Wer auf diese Proprietät des Verstorbnen wache - weiss ich wahrlich nicht;
gewiss ist's aber, dass davon nichts abgehet - vermuthlich weil die Einwohner
keinen Gebrauch davon machen können. - Nach einer äuserst beschwerlichen Fussreise
von beiläufig anderthalben Stunden, die mit der ascension der Vesuv's vergliechen
werden kann, sind wir endlich in dem dürren Castro angekommen -. Unser erster
Gang war zu dem Griechen der unser Pilote werden sollte, was er auch geworden
ist. - Die Wärme war gross, der Weg lang und beschwerlich - wir fühlten uns
erschöpft. Landsch(ulz) war ganz auser sich - und ich war besorgt, dass diese
heftige Probe, einen bedeutenden und unvortheilhaften Einfluss auf seine Gesundheit
haben könnte, in dessen erhohlte er sich bald und befindet sich ganz wohl. -
In Castro haben alle bedeutendere Nationen, die einen Handel in dem Archipelagos
treiben - Consuls - Der Kaiser von Östreich - hat in diesem Augenblick keinen.
Was aber ein Consul dem Staat, dessen Diener er ist, in einer Insel wie Milo,
und mit so weingen oder vielmehr gar keinen Kenntnissen, wie die Eingebornen
begabt und ausgerüstet sind, nützen können, hab ich noch nicht in Erfahrung
bringen können - und begreife es auch gar nicht. Bezahlt werden sie aber gar
nicht, das ist das aller Beste bei der Geschichte, und Diener unter solchen
Conditionen kann man mehrere tausende halten. Die Einwohner ambitioniren aber
sehr - eine solche Stelle zu bekleiden, da sie von allen Abgaben dadurch befreyet
werden - und auch andre Prerogativen geniessen, die ich trotz ewigen Nachfragens
nicht erfahren konnte. - Dass ein Consul von keinem Nutzen in so einer Insel
wie Milo sein könne, glaube ich aus der Ursache, weil ich an unsern Brig und
denen andern Östreichischen Schiffen, die anjetzt in dem Hafen liegen, eben
so viele Attentionen von denen Einwohnern prodiguiren sehe - als wenn alle Einwohner
in Östreich angestellt wären, und vieleicht noch mehr: diese Leute leben aber
zum Theil von allen dem was sie denen Schiffen verkaufen, die in ihren Hafen
einlauffen um sich zu ravitailliren - Sie sind daher zuvorkommend und dienstfertig
- ohne dabei ein zu sehr interessirtes Wesen zu verrathen, welches die Griechen
im allgemeinen characterisirt - Die in der Insel Milo unterscheiden sich von
denen andern hassens werthen Lands Leuten auf eine auffallende Art und sie sind
durchgehends gute gefälline und brawe Leute. - Unser künftiger Pilote zum Beispiel
hat so etwas angenehmes und zuvorkommendes in seiner Art, dass wir alle ihn
bereits sehr lieb gewonnen haben. - In dem Haus des letzeren hat man uns zur
Erfrischung - Käse, Wien, Rhum - gutes Brodt und vortreffliche Weintrauben aufgesetzt.
Alles in gehöriger Menge. - Wie in solchen Augenblicken Trauben schmecken, das
kann auch nicht ein jeder sich vorstellen. - Ich hab' aber in meinem ganzen
Leben nicht so viele gegessen - 4 oder 5 Stunden hinter ein ander machte ich
beinahe gar nichts anders. - Die Frau des Piloten ist eine bejahrte aber frische
Frau - die Tochter hingegen 14 Jahr alt, und durchaus das aller hübscheste Gesicht,
was man nur in der Welt sehen kann - Von der taille habe ich leider gar keine
Idee, denn die griechischen Mädchen kriegen, wahrscheinlich des decorum wegen,
so einen grossen Polster auf den Hintern, dass man durchaus gar nichts verrathen
kann. - Ender der alle Augenblicke zu benützen pflegt - brachte sein kleines
Zeichnung's Buch mit sich - und fing mit dem Portrait dem Mamsel Marussa an
- nur mit Bleistift -. Der ganze Ort lief nach und nach zusammen, und wir mussten
wegen der Eitelkeit der Mädchen, die alle in der Ordnung hübsch sind, und ausnehmend
ambitioniren sich zeichnen zu lassen, recht viel lachen - Überhaupt stellte
unser Caravan, so bald sie angekommen war, ein komisches Bild dar, - der Officier,
der im Dienste auf das Land gesendet wurde um alle Provisionen für die Equipage
einzukaufen - ass und trank mit denen Matrosen ganz fidele - und schlief endlich
ruhig ein - Ender malte oder zeichnete eine oder die andre jungfrau - ich blieb
bei denen Weintrauben und unterhielt mich mit dem Piloten, der mir über manche
Sachen einen nicht unbedeutenden Aufschluss gegeben hat - Landschulz ergriff
alle Mitteln um sich wieder heraufzukriegen, indessen der Ragionato mit Gewalt
einen ducaten von mir nahm, in Paras ausswechselte und endlich, ohne aller Ursach,
unter alle die Kinder austheilte, die sich allmählig um uns herum versammelten
- Der Wein gefiel ihnen allen gut, der letzte aber genoss von dieser Gabe so
viel und so geschwind, dass er total besoffen wurde, und in denen ersten Stunden,
dieser schönen Stimmung, die sonderbersten exhibitionen von Spass und Scherz
darstellte, die ich in meinem Leben gesehen habe. - Länger wollte ich nimmer
bleiben - besonders da wir um 5 Uhr dem Grafen Lützow zum diner am Bord rendez-vous
gegeben haben. Der Rückweg ist äusserst unbequem - und man machte uns den Vorschlag
mit dem kleinen Schife zu dem Fuss der Stadt Castro kommen zu wollen - und sodann
uns zu Wasser zu transportiren - diess wurde angenommen, da diese Art gewiss
die einzige bequeme ist, diesen Weg zu machen. - Die discipline auf einem Italienischen
Schiff ist indessen nicht so gross, wie mir scheint, dass ein Officier ganz
sicher sein könne, dass seine Befehle erfüllt werden, denn das Schiff kam nicht,
nachdem wir auf dem Strand mehr als 2 Stunden gewartet haben - und wir mussen
mit Mühe alle Berge wieder ersteigen, und kamen endlich müde und hungrig gegen
8 Uhr Abends am Bord - So endigte der Tag - der mir immer in Gedächtniss verbleiben
wird. - Die Einwohner dieser Insel, wie unangenehm und schrecklich sie auch
sein mag, sind weit glücklicher als man's in dem ersten Augenblick denken sollte
- In der Sphere in der sie leben, ist die einzige condition zum Glück, selbst
bei denen Gebildeteren - gutes Essen - eine ruhige Wohnung und eine Frau - zu
allen dem ein ununtebrochener Genuss und die leichte Verschaffung dieser 3 Articlen
- In Milo ist der Grossherr Regent - der hat aber gar keinen Verwalter, kein
einziger Türk ist im Land, und sie führen alle Jahre gegen 45,000 Piaster dem
Cadi von Scio ab und sind dann vor Steuer und andern Massregeln frei -. Sie
bebauen das Land mit Fleiss, wo es nämlich möglich ist - und jede Pflanze, wenn
Sie noch so klein ist, bringt in diesem Clima Früchte! Man sieht die Frucht
eher als den Baum. - Viele von denen Einwohnern sind Piloten und werden für
geschickt gehalten. Die meisten Handels Leute, die selbst den Archipelagus nicht
kennen, nehmen gewöhnlich ihre Piloten in dieser Insel und es ist spassig alle
die Frauen der Piloten aus Profession mit grossen perspectiven an denen Fenstern
oder in kleinen von Holz gemachten observatorien sitzen und auf alle Schiffe
acht geben zu sehen, die vor der Insel herumsegeln. - Der ganze Ort Castro bestehet
aus 1500 Einwohnern, die sich beinahe alle verwandt sind. Ein junger Grieche,
den ich frug warum er nicht verheurathet sei, gab mir zur Antwort, dass alle
die Mädchen auf der Insel seine Cousinen seyen: Indessen ist es sehr leicht,
ein Weib zu kriegen, sagt er mir, wenn man nur Geld hat. - Woher der gute Mann
aber sie hohlen will lassen, weiss ich nicht recht, wenn es nicht von denen
neben Inseln wäre - von denen habe ich aber noch keine Notizen eingehohlt.
(4. September
1818)
Den 4-ten in dr Früh bin ich auf die Jagd - es giebt sehr viele Rebhühner, die
sich zwischen Felsenschluchten aufhalten, und von dem besten Jäger nicht ausgerottet
werden können, vielweniger also von denen Griechen, die sich in Milo mit der
Jagd beschäftigen - Der erste Schütz auf der Insel war mein Führer - mit einem
ungeheueren Gewehr und einem magern Haushund und einer weissen Schlaf haube
presentirte er sich mir, und nachdem wir einige Stunden herumgegangen sind,
war ich so glücklich ein Rebhuhn zu erschiessen. Ich bemerkte, dass sie nicht
wie bei uns in Compagnien auffliegen sondern beiläufig so wie bei uns im Frühjahr
wenn sie paarweis sind - der Vogel ist übrigens ein wenig grösser und anders
gezeichnet. Mir scheint es ist die perdrix rouge - sicher bin ich aber nicht
- Hasen giebt es nicht viele. - Endlich bin ich in cultivirteres Land und Weingärten
gerathen - und hab' mich in denen letzteren lang aufgehalten. Die jüngsten Weinstöcke
tragen! - Die Trauben werden in der Weinlese, in der wir nun sind, abgeschnitten,
und neben die Pflanze gelegt. - Da erreichen sie die allerhöchste Stufe der
Zeitigung - und werden dann theils zu Wein verwendet theils aber getrocknet.
- Diess letztere aber nur zum eignen Gebrauch. - Sie handeln nur mit Wein -
Baumwolle - Frucht und Gerste - Öhlbäume haben sie in kleiner Zahl - genug für
ihren Bedarf. Zu Mittag bin ich am Bord, und genoss die frischen Fische, die
die Equipage gefangen hat - es war eber nichts besonderes; den Abend blieb ich
ruhig in der Gesellschaft des Grafen Lützow und auch ein wenig langweilig. -
(5. September
1818)
Den 5-ten bin ich mit Ender und Kranichsfeld in einer griechischen Barke, in
einem heftigen Wind - neuerdings an das Land nach Castro - und stiegen bei unserm
Piloten (Signor Francesco Micheli) ab, der und in der Stadt herumführte, von
der äussersten Spitze des Felsens sieht man mehrere Inseln - Argentera, Srifa
Srifanto usw. Bei hellem Wetter sieht man Morea und das Land wo Athene liegt
- bis dorthin sind nicht mehr als 60 Milien - Ender malte die Marussa in Farben,
der ich bei jeder séance einen ducaten geschenkt habe - sodann eine andre griechische
Jungfrau, die ein schönes Bild darstellt und Raphaels Fornarina in's Gedächtniss
bringt. -
(6. September
1818)
Der 6-te war Sonntag - Der Sohn des verstorbenen östreichischen Consuls wünscht
in dei Fussstapfen des Vaters zu tretten, und denkt, mit Recht, den Internuncius
für eine wichtige Person, um in dieser Angelegenheit zu réussiren: veranstalltet
daher ein Mittagmal, ladet den Grafen Lützow zum Fest - schickte einen ganzen
Teufel Eseln zu dem Platz, wo man zu debarquiren pflegt, und erwartet, mit denen
nächsten Anverwandten, den sonst müsst es das ganze Ort sein, den Gesandten
und seine suite.
- Graf Lützow nehmt die Einladung an, und lässt nicht absagen und macht dem
Griechen faux bond - Überhaupt ist er ein spassiger Mensch - noch war er auf
dem Lande nicht - und mir scheint er wird auch gar nie an das Land steigen -
Er treibt ein einfaches Leben, bei Gott! und vegetirt wie eine sehr unschuldige
Pflanze. Gift hat diess Kraut nicht viel in sich - keine heilsamen Säfte aber
auch nicht. - Wenn nur solche Menschen in der Welt wären - ich glaube sie würde
aus Langerweile einschlafen und ganz aufhören zu gehen. - Dabowich setzte uns
alle, ausser dem Grafen Lützow und dem Commandanten in den mittlern Kahn ans
Land - von wo die Cavalcade auf denen Eseln seinen Anfang genommen hat - Wir
lachten recht viel -! Ich war neuerdings erstaunt wie ein Esel sicher geht,
denn wir sind über Berge und Felsen, die man zu Fuss schwer besteigen kann -
ohne Zaum und ohne Gurten. Für den Gesandten wurde natürlicher weise ein extra
Sattel auf dem ruhigsten Esel aufgelegt - den bekam ich - (1 1/2 Zeilen gestrichen)
- - -
Diessmal stiegen wir bei dem Gastgeber ab. Die Leute waren besser, wie an denen
Werktagen angezogen - Die Mädchen werden aber desto hässlicher jemehr sie sich
anziehen, da der modeste maintien einer griechischen Jungfrau die scheusslichste
Tournure in der ganzen Welt ist. Ich wahr sehr hungrig, da ich gar nichts frühstückte,
und es bereits 2 Uhr war. - Es wäre möglich gewesen, dass der Graf Lützow absagen
liess, ohne uns davon zu avertiren - Das kleine Schiff, welches uns abhohlen
sollte, war um 5 Uhr erst bestellt, mir war Angst den ganzen Tag ohne Mittagmahl
zu bleiben.- Ender war in dem selben Fall, wollte aber dennoch um die Zeit mit
beiläufig 50 Personen, die in dem Zimmer vereinigt gewesen sind, nicht gänzlich
zu versitzen - da nur wenige Italienisch sprechen - einige Zeichnungen Vormittag
anfangen. Diesen Wunsch entdeckte ich dem Piloten, der mir den Rath gab - es
bis auf den Nachmittag aufschieben zu wollen - diess war mir genug, um auf einen
baldigen Schmaus sichere Hoffnung machen zu können - Nach einer ziemlich kleiner
Weile wurde ein Tischchen aufgedeckt, und eine Unter Tasse, mit 29 schlecht
eingesottenen Citronen Schällern und einige Gläser Limonade darauf gesetzt -
Ich und wir alle dachten, dass es das ganze Mittagmahl nun schon sei, und ich
bin nicht wenig erschrocken, wie der Pilote zu mir kam, um mir zu sagen, dass
wir nun Zeit haben würden, einige Gesichter zu zeichnen. Nicht einmal Brodt
habe ich gegessen, den das kommt zu diesem vor Mahl nie - Mit der artigsten
contenance nahm ich Abschied - wie ich aber hörte, dass wir wieder zurück kommen
sollen, war ich endlich doch gänzlich überzeugt, dass das wahre pranso erst
im Ankommen sei. In einer Stunde war wieder zurück - Das Mahls bestand aus einer
Suppe mit Reis - in Wasser gekochten 2 schönen Hühnern - und 4 Eingemachten.
Süsser Wein und Obst. - Die ganze Compagnie blieb im Zimmer - 5 Teller hat aufgethürmt
jeder Gast vor sich, auf diese Art giebt man's nur immer weg und braucht nie
zu wechseln! Das déjeuner, welches mich so erschreckte, ist eine Gewohnheit,
wie man mir's späterhin explicirt hat, die überall statt findet, und die aus
der Ursache den Appetit zu schärfen allmählich adoptirt worden ist - Ich finde
das ungeschickt angefangen, und ein bittrer Wermuth taugt zu dem Behuff besser,
wie mir scheint. Zu Mittag machte ich die Bekanntschaft des englischen Consuls.
Auch ein Einheimischer aber nichts destoweniger ein vernünfiger Kerl. Die Speisen
enthielten viel Gewürz. - Die Luft in Castro ist allerliebst, und ohne im mindesten
warm zu haben, kann man gerne leicht angezogen sein, ohne zu befürchten sich
erkälten zu müssen - man fühlt's, dass man der Gefahr gar nicht ausgesetzt ist
- Durch ein Fenster des Appartements, in welchem wir uns labten, sahen 4 hübsche
Jungfrauen herein. - Es giebt viele hübsche Mädchen. - Wie Ender Marussa' Portrait
malte, sahen viele in das Bild, waren aber gar nicht erstaunt, wie wohl es charmant
ist - Sie selbst aber fand es gar nicht gut genug gemacht, den Mund viel zu
gross, die Linien zu kräftig, zu marquirt. - Ihre Eitelkeit fand eine Menge
von Ausstellungen zu bemerken
nothwendig - Sie genoss aber doch die Satisfaction - durch das empressement,
welches wir hatten ihr Portrait zu besitzen, von allen denen übrigen distinguirt
zu werden - in solchen Jahren setzen die Mädchen einen grossen Werth auf Auszeichnungen
dieser Art.
(7. September
1818)
Den 7-ten war ich wieder auf der Jagd - nicht so sehr des Schiessens wegen,
denn das verstehe ich gar nicht, als um die Gegend besehend ein wenig Bewegung
zu machen. Ich hab' gar nichts geschossen, hab' aber einen grossen Berg bestiegen,
und mit harter Mühe, um ein établissment von einigen griechischen Priestern
zu sehen, die in dem Kloster San Marino ein Mönchen Leben führen. - Sie haben
2 Gemüse Gärten, die einzigen auf der Insel - ein herrliches Wasser - und gute
Früchte, sie waren gastfreundlich ich schenkte ihnen einen ducaten - Sie gaben
mir, nachdem ich Wein Liqueur Birnen, Weintrauben und Brodt mit meinen Begleitern
genossen habe, noch zwei grosse Körbe Obst mit. - Gegen 2 Uhr Nachmittag hab'
ich mich in dem Meer gebadet und fühlte mich sehr wohl, jedoch war das Wasser
äusserst kalt. Graf Lützow ist endlich an das Land - Ich glaube er hat es so
lang aufgeschoben weil - die See vorher zu unruhig gewesen ist - und er kein
besonderer Freund des Wassers sein mag. -
(8. September
1818)
Heute in aller Früh calmirte der Wind gänzlich - und alle Bewegungen oder vielmehr
Manoeuvres, die am Bord successivement vorgenommen wurden, um bei der ersten
favorablen Luft - den weitern Weg beginnen zu können, sind so kräftig gewesen,
- dass ich nach und nach einsehen lehrne, dass ein Italienisches Volk - gar
nichts machen könne, ohne durch unnöthigen Lärm und Geschrei - der Handlung
einen gewissen Relief zu geben. Ich wollte heute die vormalige alte Stadt Milo
ansehen - wo anjetzt noch Häuser und Einwohner sind - wo aber die Luft so schlecht
und tödtend ist, dass alle nach und nach ausgestorben oder weggezogen sind.
- Es ist ein grosses Unglück durch Verhältnisse gezwugen zu werden - solche
Gegenden bewohnen zu müssen, wo die Luft und das Wasser schlecht ist. - Diese
2 Sachen will sogar der Éremite gut und rein geniessen, wenn er auch auf alles
übrige in der Welt Verzicht leistet - dennoch kenne ich manche, die keine Einsiedler
sind, und den Genuss der frischen reinen Luft sich doch nicht gönnen wollen.
Mein Vorhaben auch diese Gegend der Insel anzusehen, und sodann mit der Besichtigung
dieses ariden Landes fertig zu werden - musste ich aufgeben - da der Wind in
unserer Faveur zu blasen schien - und die ganze Flotte in Bewegugn gerathen
ist. - Unlieb war mir dieser Vorfall gar nicht, da ich meine Zeit in interessantern
Gegenden zu verleben gedenke: denen armen Handels Leuten, die in dem Hafen lagen,
musste es aber noch weit angenehmer, wie mir sein, denn manche von diesen sind
über 2 Monathe hier, und wurden bis zu dem heutigen Tag durch widriege Winde
abgehalten, ihre Reise nach der Levante fortzusetzen. Überhaupt finde ich's
merkwürdig, wie die Jahrs Zeiten in deiser Latitude unveränderlich regulirt
sind -, seit 6 Monathen z. B. ist kein Regen gewesen! Die Periode der Kälte,
der Regen, der verschiedenen Winde kommen aber genau mit dem Tag. Einer von
uns fragte einen der Einwohner - ob nun der Regen bald kommen würde, da sich
mehrere Wolken am Himmel zeigten - mit der grössten Gewissheit sagte er, nein
- "da dieser Monath nun einmal nicht von der saison der Regens ist".
- Heute ist der Mond in das neue Viertel gegangen - und das soll die Änderung
des Windes hervorgebracht haben - Wie hengt doch das kleinste mit dem grössten
in der Welt zusammen - und in einem ewigen Ganzen ist's vereinigt und concentrirt.
- Im Herbst gibt es viele Waldschnepfen -. Der Winter ist nie streng, man sieht
auch in dem ganzen Ort keine Anstallten, um die Kälte ertragen zu können -.
Die Häuser haben keine Dächer: sie sind oben ganz flach - und dienen um das
Regenwasser aufzufangen, welches durch angebrachte Röhre von Thon - in eine,
unter den Häusern angebrachte Cisterne läuft, und zum trinken und allen andern
Bedürfnissen verwendet wird. - Manche Häuser haben auch mehrere Cisternen, und
brauchen dann das Jahr hindurch für Wasser gar nicht mehr zu sorgen. Jene, deren
Wasser Verhältnisse zu klein sind, müssen durch Eseln das Wasser von dem Thal
bringen lassen. Wenn das Regen Wasser durch Kohlen strömen könnte, so würde
diese Art gewiss die aller beste sein, stets das gesündeste und reinste Trink
Wasser im Haus zu haben. - Die Weinstöcke haben keinen Pflock - sie sind aber
mit Erde dermassen umgeben, dass sie, so zu sagen in einem tiefen Trichter liegen
und den Wind gar nicht im mindesten ausgesetzt, eine concentrirte Wärme empfangen.
Ob diese Art Weinbaues nicht in jedem Lande vortheilhaft wäre? - Aloe Bäume
sah ich mehrere - Dateln tragen sie aber in diesem Clima nie. - Haller, einer
von denen 4, die mit ... in der Insel Egina das Frontispice in dem Tempel der
Minerva gefunden hat, ist der Mylord, der das griechische Theater hier ausgegraben
hatte. Später ist er in Griechenland gestorben. - Auf der Insel sind noch 2
andre Kloster, die aber wegen ihrer Armuth unbedeutend sein sollen. - San Marino
liegt auf dem Fuss des Berges Santa Anilea, auf den vor einigen Wochen der Commandant
eines franzöischen Corvette mit mehreren andern Anstronomen und Gelehrten gestiegen
ist. Die Einwohner geben an den gross Herrn das Zehnte - und ausserdem alles
das, was der Capudan Basha unbestimmt und willkührlich fordern mag. - Die Insel
hat gegen 2500 Einwohner, und 3 Primas, von welchem der eine zuweilen auch Gouverneur
genannt wird - sind ihre Obrigkeit. Die werden immer im Monat März - von dem
Volk durch Mehrheit der Stimme erwählt. Das Amt bleibt ein Jahr bei der selben
Person - manchmal wird aber ein und derselbe durch mehrere Jahre beibehalten:
wenn das Volk mit ihm zufrieden ist. Alle die Consuls sind von denen extra Abgaben
frei, das Zehnte müssen sie aber auch geben. Wenn der Capudan Basha 2 oder 3
Tausend Piaster haben will, so schickt er einen seiner Officiere mit dem Befehl
nach der Insel - am Sonntag, wenn das ganze Volk versammelt ist, wird's ihnen
von einem der 3 Primaten vorgetragen, und sodann alsogleich zur gerechten Vertheilung
geschritten, im ganzen kann die Insel Milo des Jahrs 85 mille piaster dem Grand
Signor abgeben. Die gewöhnliche Zehend bringt der Gouverneur alle Jahre einmal
regelmässig nach der Insel Naxia -. (Der Commandant hofft gar nie zu sterben:
da diese Änderung in der Welt alle Tage statt haben könnte) - Der Morgen des
8-ten ist angenehm - eine ganze Flotte laäuft auf einmal aus dem Hafen. - Jetzt
hab' ich endlich erfahren, zu was ein Consul gut ist. Gar nicht um denen Schiff's
Capitains dienlich zu sein, sondern um auf die Waare der Handels Leute zu wachen.
Es geschieht oft, dass ein Capitaine die Waare auf seinem Schiff verkauft, und
dann zu Fleiss Schiffbruch macht - Solches Zeug muss der Consul melden. Gegen
12 Uhr Mittag hebt sich gewöhnlich in jedem Meer der Wind - als ob die Sonne
zur Entwicklung seiner Kraft etwas beitrüge. - Mit kleiner Luft kann ein Leichtes
Schiff leichter und geschwinder segeln, als ein schweres - folglich hat ein
Kriegsschiff gegen andre Fahrzeuge in einem heftigen Wind den grössten Vortheil
- mehr als 15 See Meilen in einer Stunde zu fahren, ist bis jetzt nicht möglich
gewesen. - Wenn das geschehen soll, darf der Wind nicht in puppa kommen, da
ein Segel den andern eine Bonanza macht. Mit demselben Wind können sich 2 Schiffe
begegnen. - Der beste Wein in Zante heisst Verdea und ich bin überzeugt, dass
aller der Wein, den wir in Wien für Madeira kaufen - von denen jonischen Inseln,
oder aus Marsalla ist - die englischen Officiere, die in Corfu en guarnison
sind, und sich alles zu verschaffen wissen, können keinen Madeira bekommen!
-
(9. September 1818) 9-ten.
In der Früh sah ich Negroponte und gegen 9 Uhr waren wir zwischen ihn und Andros,
gegen Abend Zea - und bei der Nacht auf dem 10-ten Mytiline. Wir hatten excellenten
Wind - das Schiff machte keine Bewegung - Ich hab' mich neulich durch's Meerbad
erkältet - befind mich nicht wohl -
(10. September
1818)
Den 10-ten in der Früh kamen wir vor Tenedos. In Tenedos ist die Pest, zwar
nicht stark aber es sterben doch alle Tag 2 auch 3 Menschen. Der Ort auf der
Insel ist von der Farbe der übrigen Erde, so dass wir nur durch das Perspectif
entdecken konnten, dass nebst der Citadelle, die schneeweiss ist, und die man
weit sehen kann, noch andre Gebäude sind - Die Vegetation auf der Insel Tenedos
scheint nicht sehr brillant zu sein. Der Wein wird übrigens vor allen andern
in dem Archipelagus von denen kennern vorgezogen. Karapapas heisst eine Gattung
rother Wein (schwarzer Pfaff, denn die trinken ihn so gerne). Wie herrlich sieht
die Küste Asiens aus! Die sind doch Farben! Bäume, schön geformte Berge! - Auf
der Insel Tenedos sind einige grüne Flecke, die dem Auge äuserst wohlthun. Die
Küste von Asien scheint auch mit Bäumen bewachsen zu sein. Die Vegetation die
ich übrigens bis jetzt bemerkt habe, gehet von Norden gegen Süden, mit jedem
Grad der Breite decrescendo - und ich bin fest überzeugt, dass selbst im Frühjahr
und im Herbst, wenn alles frischer ist, die Gegenden des Orientes an Anmuthigkeit
mit unsern Landschaften nie verglichen werden können, und ich komme immer auf
meinen alten Satz zurück, dass eine Meers Gegend nie dieselben Gefühle in uns
erwecken kann, als wir sie oft in unsern Wäldern und an unsern Flüssen zu haben
pflegen. Die Weintrauben, die der Östreichische Vice Consul uns am Bord brachte,
die sodann sorgfältig gewaschen wurden, um die Pest Qualität zu verlieren, sind
mannigfaltiger, als jene in Milo - die letzteren sprechen jedoch für ein kräftigeres
Clima - die ersteren hin sind besser um Wein daraus zu machen - sind auch unsern
Trauben ähnlich - Wenn man Weintrauben von der Insel Milo in Wien haben könnte,
würden sie auffallen. Die Weine, die ich bis jetzt in Italien und in dem Archipelagus
getrunken habe, sind dem jenigen durchaus entbehrlich, der französische oder
selbst gute ungrische Weine zur freyen disposition hat. - Für den Empfang des
Grafen Lützow wurde gar nicht gedacht - und wenn Baron Stürmer nicht genau ist
und etwas pedantisch, welche gute Eigenschaft kann er noch haben? - Sie versicherten
mich, dass diese Inattention gar nicht aus Nachlässigkeit, sonden mit Willen
geschehen ist. - Er soll bereut haben, dass er um eine andre Bestimmung ansuchte
- Wenn man 70 Jahre alt ist, könnte ein solche Übereilung für Unverzeihlich
gehalten werden. Graf Lützow sagt aber, dass er auf alles bereitet gewesen sei!
das ist ein Glück! So muss ich sogar diesen Menschen beneiden! - Der Francesco
Micheli, unser Pilote, erzählt mir, dass er vor einigen Jahren mit einer englischen
Fregate nach Smyrna gesegelt ist. Es war im Herbst, der Himmel war hell, die
Sterne leuchteten, und der Wind war günstig - Sie machten gegen 9 Milien in
einer Stunde. Die Segeln waren beinahe alle heraus - da merkte er durch die
Bewegung des Meeres, dass ein westlicher Sturm im Anzug sei. Welches Auge, welche
Übung braucht man aber nicht, um den Wind vor seinem blitzschnellen Ankommen
an denen Wellen erkennen zu können? Und wie sonderbar ist es, dass das Wasser
seine Bewegung schneller mit theilen kann, als die Luft selbst ankommen? Man
sollte es gar nicht glauben. Der Officier der Wache - war aber ein Hals starriger
Engländer, und glaubte dem Piloten nicht - der Commandant war auch nicht leichter
zu überreden, und die Segeln blieben alle heraus. Auf einmal kam der Wind und
mit solcher Stärke, dass es nicht mehr möglich gewesen ist, die Segeln einzuspannen
- Sie wurden abgeschnitten und die Fregate kam in verschiedenen embarras - In
der Breite konnten sie nicht stehen, es war nicht möglich und machten 13 Milien
in einer Stunde, ohne Segel. - Ein Schiffs Commandant soll einem erfahrenen
Piloten glauben - Sein ganzes Zutraun verdient jedoch nur eine gut organisirte
Équipage und ein gut gemachtes und fest gebautes Schiff: alles was ein Pilote
bei gutem Wetter und beim Tag bestimmen kann - und alles das was er in ruhiger
Gelegenheit wissen mag, gehet bei einer stürmischen Winter Nacht mit einmal
verlohren.
Von Ali Pasha erzählt man mir folgende Geschichte. "In Janina leben zwei
Griechen, sie sich anverwandt und waren durch ihre Handels Geschäfte noch mehr
vereinigt und hatten so viel Zutraun gegenseitig, dass sie sich mehrmal, ohne
aller Schrift oder Schuldschein bedeutendere Summen borgten. Eines Tages aber
leugnete einer derselben, von dem andern 60 mille piaster empfangen zu haben
- der es bestättigte und als Ankläger vor dem Ali Pasha auftratt - Alle beide
schwuren, der eine dass er das Geld wirklich zur Leih gegeben habe, der andre
hingegen dass er nichts bekommen. Ali konnte nichts entscheiden - liess alle
beide wiegen - und schickte sie fort -. Die Sache schien abgethan - der Unschuldige
kam um sein ganzes Glück, der andre wurde Reicher. Der erste härmte sich hoffnungslos
ab, der andre glaubte in Sicherheit sein Vermögen geniessen zu können. Nach
3 Monathen wurden sie auf einmal wieder geruffen und gewogen - da entdeckte
der Unschuldige durch sein geringes Gewicht sich auf der Stelle."
Die Ungeschicklichkeit und der schwache Willen der Fränkchen Minister ist Ursache,
dass bis jetzt kein Kriegs-Schiff durch den Canal der Dardanellen passiren darf.
Jeder Reisende also, der zu Wasser nach Constantinopel reisen will, soll, wenn
er nicht unendlichen Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu sein wünscht, auf einem
Kauffahrthei Schiff sich einschiffen - da dieselben, ohne angehalten zu werden,
ungestört ihren Weg bis Constantinopel fortsetzen können. - Wenn ein Minister
für die Erlaubniss negocirt, mit einer Fregate oder mit einem Brig den Canal
durchfahren zu dürfen, so wird es von der gnädigen Pforte zuweilen erlaubt -
wenn man sich gefallen lassen will, die Munition und die Kanonen ausschiffen
oder weingstens zu verstecken. Fürst Metternich - hat dieses Manoeuvre mit einem
Officier verglichen, der ohne Säbel und port d'epée eine Entrée de chambre machen
würde - und hat es dem Grafen Lützow untersagt. - Das nenne ich "sich nicht
ergeben" - eine tiefe Politick! - Indessen haben wir keine Marine - das
ist auch überflüssig. - Der General Wilson war auf dem Berg Ida - er ist mit
Schnee bedeckt: man hält ihn für höher, als den Olympus. - In der Gegend von
Zara kam ein Schiff mit Reisenden an - der Wind war günstig - der Capitaine
sagte, dass sie angekommen sind, da er ganz nahe bei der Stadt Zara schon war;
nun gieng's über die Provision her, und assen alles was sie hatten - da änderte
der Wind sich, und sie wurden in's Meer zurückgeschlagen, erhungerten beinahe.
Daher das Sprichwort: "siamo arrivati a Zara". Uns gieng's auch so,
denn wir glaubten in Tenedos uns schon zu Haus und haben endlich vor Anker gelegt,
und schickten eins unser kleinen Schiffe ans Land, und hofften einen Firman
oder wenigstens eine Art renseignement zu finden, auf welche Art wir unsere
weitere Reise fortsetzen könnten - indessen war für alles das gar nicht gesorgt,
und der Vice Consul, der ein blossfüssiger Grieche ist, hatte gar keine andre
Instruction, als die Ankunft des Grafen Lützow nach denen Dardanellen zu melden.
- Wir blieben langweilig am Bord und sahen viele Kaufmanns Schiffe ruhig bei
uns vorbei segeln: Solche verlohrne Tage kränken mich sehr - und für solche
kann man sie annehmen, da man zu gar nichts aufgelegt ist.
(11. September
1818)
Den 11 in der Früh um 11 Uhr kam endlich der Herr von Lippa mit einem Michmandar
- vor denen erschien noch der Commandant des Forts in Tenedos: trug uns Weintrauben,
und 10 Castraten an - wir machten ihnen kein Gegen Geschenk denn Graf Lützow
sagte, dass das nicht der Augenblick sei - wie vernünftig! - Der Michmandar
ist der jenige, der von dem Grand Signor gegen die aufrührerischen Pasha's abgesendet
wird, um sie zu stranguliren: ist auch Kammerherr und hat Obristens Rang, schönes
Amt. - Diese wurden endlich angenommen, da in Constantinopel und in allen übrigen
Gegenden sich keine Spur der Pest zeigen. - Ich war toll, wie ich erfuhr, dass
für unsere Abreise noch nicht gesorgt ist, und dass sie erst kamen, um die Befehle
Seiner Excellenz einzuhohlen - Dümmer kann man nicht sein, wenn man die Verhältnisse
so genau kennt, wie's der Consul und B. Lippa es wissen soll. - Graf Lützow
indessen, der unentschieden und langsan ist, hielt ein Consilium und es wurde
entschieden, dass das Schiff, mit welchem der Michmandar angekommen ist, zurückgesendet
und andre Fahrzeuge bestellt werden sollen, theils um den Internuncius als auch
alle Bagage nach denen Dardanellen zu transportiren. Ich war entschieden und
das zwar geschwind, mit meinen 2 Reise Compagnon's - nicht länger auf dem Schiff
mehr zu blieben, und die gute Gelegenheit zu benützen - an das Land zu kommen.
Was der Graf Lützow in solchen Augenblicken für ein unangenehmer, pedantischer
Mensch ist, werde ich nie vergessen -. Er findet alles unmöglich und risquirt.
Auf der Reise haben wir ihn doch manchmal in gute Laune gebracht, wenn wir auf
Buchner und Valentin gekommen sind - Wir packten also unsere nothwendigsten
Sache zusammen und bestiegen das türkische Boot, welches viel länger und tiefer
wie die unsern sind. - Sie segeln schneller, chaviriren aber leichter - das
Steuer Ruder geht ganz unter das Schiff - Die innern Wände sind charmant ausgeziert.
Wir sind gegen 1/2 2 weg, und kamen um 7 Uhr in Chanah Kalesi an -. Das Meer strömt
wie bekanntlich, mit grosser Gewalt von dem Mare di Marmora in den Archipelagus,
ohne allen Wind geht das Wasser gegen 3 Milien in einer Stunde. Von Constantinopel
gehet der Courrent.
Von der Insel Tenedos sind nach Asien nicht ganz 3 Milien. Von dort wo der Orione
gestanden hat, sieht man den Cap de Troya ziemlich gut. (Das ist Troya des Alexander.)
Während unserer Fahrt, die ziemlich langweilig gewesen ist, da die Sonne äuserst
brennend war, und der östreichische 1-ste Dragoman, ein Jude, die scheusslichsten
Lieder, die der Selim vor seinem Tode gesungen hat - die ganze Weile aus voller
Kehle anstimmte. - Effendim sagte er allemal, wenn er nicht recht verstanden
hat! Die Juden sind in der Türkei viel reiner, und haben keine türkisch jüdische
Aussprache. So oft wir in den Torrent gekommen sind, wurde gerudert. Um 7 Uhr
ausgestiegen - - Sonderbare Empfindungen in Asien! An Gabriele gedacht. Zum
Consul gegangen - der war nicht zu Hause - ein Sultan ist abgesetzt - wohnt
in Gallipoli, und ist krank, liess ihn mit artiger Gewalt hohlen -. Ein andrer
Italiener emfieng uns, der, wie wir später erfuhren, ein armer Teufel ist, der
bei dem Consul für Speis und Trank - denen Kindern Lehr Stunden giebt - erzählt
viel von der vorigen Königin von Neapel, die in Constantinopel gewesen ist.
Man führt uns in ein Zimmer, welches 3 Fenster hat - und ein langes Sofa knapp
an dieselben angelehnt ist. 3 Schritte von der Thüre erhebt sich der Boden um
eine Stufe, ist mit feinem Rohrteppich bedeckt. An dem Sofa sind viele gute
Pölster - und ich finde es vernünftig nahe an die Fenster festgemachte Ruhe
Betten zu haben, zumal wenn die Fenster gut schliessen und wenn die Aussicht
hübsch ist -. Man gab uns ungeheuer lange Pfeifen. - Der Consul kam - hat einen
türkischen Shawl zu schenken bekommen, ist ein gescheider Kerl, und spielt eine
Rolle als Consul gut - war übrigens im Anfang nicht sehr freundlich - Wir genirten
ihn aber so wenig, dass er zuletzt ganz freundschaftlich geworden ist -. Sebastiani
hatte grossen Einfluss, weil er sich darum bemühte. Admiral Duckworth ist anno
1817 mit 9 Linien Schiffen durch den Canal, von dem Fort des Dorfes, wo wir
sind, wurden sie beschossen - Sie haben Kanonen dei Kugel halten können, die
mehr als 4 Zenten wägen. Eine einzige hat getroffen, dem Schiff bedeutenden
Schaden gethan, und 27 Menschen Tod geschlagen. - Damals, sagte er, haben die
Türken in Constantinopel dermassen gezittert, dass sie jeden Frieden ohne Anstand
unterschrieben hätten - wenn nicht Sebastiani durch die bekannte Geschichte
mit denen falschen Briefen - sie verhindert hätte. Was der lange Bailly auch
immer sagen mag, so bin ich sicher, dass sich die Türken gegen keine regulirten
Truppen schlagen können - die grösseren im Lande sehen das auch nur zu gut ein,
und wollten mehrmal schon regulirte Soldaten einführen - das verhinderten die
Janitscharen jedesmal - die letzte Revolution entstand aus der delben Ursache.
- Die Janitscharen haben keine andre Art ihren Willen durchzusetzen, als die
halbe Stadt in Flammen zu setzen. - Das geschah auch jetzt, indessen sagen die
Leute - das macht gar nichts, hat nichts zu bedeuten. In der Insel Milo hiess
es, dass 70 mille Häuser in Constantinopel abgebrannt sind, in Tenedos 30 mille,
nun bin ich neugierig, wie viele wirklich Raub der Flammen geworden sind - Die
Türken haben viele Feuerspritzen - Reissen ganze Abtheilungen der Stadt ab,
um die Kraft der Flammen zu dämpfen, können aber nur dann réussiren, wenn der
Kaiser erscheint - dann muss es aber geschehen. Opinion: Die Türken sagen, "ich
baue mein Haus für mich, und so soll's mein Sohn, jeder nach seinem Geschmack
" - darum sind sie von Holz und werden nur auf ein Menschenleben berechnet.
Um übrigens ein Gebäu recht elegant und Licht machen zu können, ist allemal
Holz dem Stein vorzuziehen. - Der Consul sprach von seiner Bekanntschaft mit
dem Grafen Capo d'Istria, dessen Vater in Corfu noch lebt; er selbst ist ein
Corfiote un heisst... Ein frugales Abandessen, wobei eingemachte Zuchy keine
unbedeutende Rolle spielten, machte keinen besondern Effect, und der Consul
gab mir ihn mit dem Zusatz gleich zurück, dass ich keine Recommandation Schreibens
bedarf um von ihm gut empfangen, und nach Möglichkeit bewirthet zu werden. Natürliche
Freundlichkeit mit heiterer Laune machte unsere Wirthe bald zu unsere Freunde,
und noch denselben Abend theilten war uns mit der Ungezwungenheit, die uns in
unsern Ländern oft nur nach Jahren eigen wird. Ender machte eine kleine Skizze
der Raumes, welcher uns das erstemal in Asien zum Nachtlager diente - Die Nacht
wurde ich von Flöhen auf das aller erbärmlichste misshandelt - musste aber -
mitten in der schmerzhaften Operazion, die gegen 8 Stunden währte über die Geschichte
des Consuls lachen, der bei dem Abendessen erzählte, dass seine vorige Nacht
so schrecklich gewesen sei, da er bei dem abgesetzten Vezir von Wanzen so abscheulich
zerbissen wurde. Von Flöhen fürchtet er sich also gar nicht - dachte ich mir,
sonst könnte er in seinem eigenen Haus, die Augen keine Nacht schliessen -
(12. September
1818)
Ein türkischer Caffe wurde den 12-ten Früh gereicht und Pfeifen, sodann
giengs in die Stadt - In denen Caffe Häusern sitzen die Türken zu
allen Stunden, in der Gasse liegen die gewissen Gemeinde Hunde - und die Strassen
geben das Bild einer faulen schmutzigen und müssigen Männer Gesellschaft
- Alle Häuser sind von Holz - manche darunter, nicht übel - Ein Grabmal
eines Türken, in einem Garten mit Weinlaub bedeckt, ist nicht übel
gewesen, ich finde die freye Luft bei weitem besser als eine feuchte finstre
Gruft - Ein lebendiger Pelikan steigt vor dem Consul sein Haus herum. - Mit
Ender war ich in einem türkischen Bade, erinnerte mich aux bains chinois
in Paris. Wir zogen uns ganz aus, und waren in der Gesellschaft von einigen
nackten Türken, die man bis auf das lächerlichste frotirte und abseifte
- dieses letztere wurde sogar an die Augen und Haare operirt. - Die kleinen
Schiffe wurden endlich, nach langen preparatifs um den Grafen Lützow abzuhohlen,
abgesendet - Der Consul schiffte sich auch ein, aber mit grosser Aufopferung
- überhaupt ist man in diesem Land viel furchtsamer und bequemer, wie man's
bei uns zu sein pflegt - eine Nacht ganz ohne Schlaf zuzubringen, z. B. ist
erwas grosses. - Alle jene die mit Kriegsschiffen nach Constantinopel kommen,
müssen, wie bewusst in Tenedos aufhalten und sodann die übrige Reise
mit kleinen Schiffen bis zur
Hauptstadt fortsetzen, die, besonders wenn man keinen Firman oder wenigsten
einen Bujurdi hat, die unangenehmste Art ist, die man sich vorstellen kann.
Die Türkschen Barquen mögen sehr viel guts haben, ich will's glauben,
für sicher halte ich sie aber nicht - und bequem, wenn es mehr als für
einen Spatziergang sein soll, sind sie nicht im mindesten. Die Leute sagen einem
freylich man soll auf ein Mercantil Schiff nach Constantinopel reisen, nachdem
man aus dem Brig oder aus einer Fregate gesteigen ist, wie soll man aber das
in der Praxis ausführen, was jene in der Theorie lehren. Die Schiffe halten
sich niergends auf; soll man also zu erst ganze Tage mit Bagage und allen Leuten
am Ufer sitzen um mit einem schnell vorbei segelnden Schiff zu parlamentiren?
- Das weiss ich nicht - und wenn man das Glück hat, auf diese Art bis Constantinopel
seine Reise fortzusetzen, so ist's allerdings eine angenehme Begebenheit, ein
glücklicher Zufall - keine sichere Methode aber ist's nicht - und ich widerrathe
noch einmal alle Kriegsschiffe, in so lang wenigstens, bis man schwach genug
bleibt, sich von denen dummen Türken auf eine so gar täppische Art
imponiren zu lassen. Gegen Mittag presentirte uns ein Türk, der in der
verstorbenen Gouverneurs Haus wohnt Caffe. 6 Bediente und 2 Mooren stehen stillschweigend
im Grund des Saals auf Befehl harred - sind ehrerbiethig und blossfüssig
- bringen den Caffe und die blechernen Tassen, auf welchen die Pfeifen ruhen
- mit einer sondern acquit - es muss in der Art eine besondere pointe liegen
- Der Türk, der einen interims Geschäftsträger vorstellt, wie
mir scheint, erlaubte auf unser Ansuchen, die grossen Kanonen in dem Fort anzusehen;
entschuldigte sich aber späterhin mit dem Bemerken, dass es nicht der Gebrauch
sei - Bevor die Engländer die Dardanellen passirt sind, machte man in diesem
Genre nicht die mindesten Schwierigkeiten - Seit der Zeit sind sie dificil -
da es Ihnen einleuchtend geworden ist, dass alle die Reisenden, die Festungswerke
ansehen, Spione gewesen sind - Méfiance ist doch ein charmanter Zug der
Türken - und wie sollte der dümmere gegen den gescheidern keine haben,
besonders wenn er das fatale Verhältniss einsieht? Zu Mittag bewirthete
der Consul uns mit allen griechischen Leckerbissen, die das Land und die Kunst
der langbärtigen Artisten darbiethet - leider haben sie noch keine Suppe
erfunden! die auf solchen Reisen, wo man doch so viel entbehren muss, was zum
Genuss des Lebens unbedingt gehört - eine der vorzüglichsten restauranten
ist. - Auf diese Erquickung muss man, wenn man keinen Krebs mit sich führt,
auf immer Verzicht leisten - Sie können es gar nicht verfertigen, und mir
scheint, weil es zu einfach ist, und weil man natürlich zu Werke gehet.
Diess ist hinlänglich und von der übrigen Kocherey im allgemeinen
einen kleinen Begriff zu geben - So viel ist es aber wahr, dass man 50 Jahre
in der Gegend leben kann, ohne in der ganzen Zeit einen einzigen unverdorbenen
Bissen in dem Mund zu kriegen.
(13. September
1818)
Den 13-ten in aller Früh kam Graf Lützow mit einem unendlichen Hallo an - Wir
wurden en sursaut aus unsern Betten herausgejagt, ich brachte eine böse Nacht
zu - Später giengen wir neuerdings zu dem Commandanten, bei dem wir den vorigen
Abend schon gewesen sind - der gab uns den vesprochenen Bujurdi - und einen
Türken zur Begleitung nach der Trojade - wir bekamen auch die Erlaubniss die
grossen Kanonen anzusehen die wirklich merkwürdig sind - eine derselben wird
mit 5 Centner schweren Stein Kugeln geladen - ist, wie alle andern von Bronze.
Um 12 Uhr sind wir mit Stalimene in einem kleinen türkschen Schiff nach Sidd-el-Bahr,
wo der Bediente des englischen Consuls uns das Werk des Herrn Rennel gegeben
hat, von da nach Kum Kali. - Ich könnte auf einem kleinen türkschen Schiff seekrank
werden! In erwas mehr als 4 Stunden sind wir angekommen - Als wir ausstiegen,
wurde der Türk mit dem Bujurdi expedirt und wir warteten indessen - sahen das
Fort an, wurden mit höfflicher Art abgewiesen und giengen gegen das Minaret
- da verrichtete der Türk seine Commision schon, und kam mit dem voll Tumeurs
behaffteten Gouverneur entgegen, auf welchen der Brief des Commandanten zu Dardanellen
einen ziemlichen Eindruck gemacht zu haben schien! Wir wurden in ein öffentliches
Haus, die so wie in Ungarn immer mit dem Amt verbleiben, geführt, und dann mit
harten Eyern, Weintrauben und recht gutem Käse bewirthet. Der Gouverneur las
dan Bujurdi mehrmal, und nahm einmal sogar die Brillen des Landschulz, die ihm
aber gar nicht dienten. Wir blieben nicht lang und besuchten das Grabmal des
Achilles, und das des Patroclus - nahmen einen tendre Adieu von dem Schiffs
Capitaine und wurden auf des erstern Grab durch ein Erdbeben ziemlich durchgebeudelt.
- Diese Erfahrung hab' ich also auch erneuert. Gegen die Meer Seite zu links
- sieht man ganz nahe das Vorgebürg Sigaeum - gegenüber die Insel Imbros und
Tenedos - man kann bei hellem Wetter dem Berg Monte Santo (Athos) auch sehen.
In dem öffentlichen Haus, wo man uns empfieng, wurden wir auch einlogirt, und
eilten zur Ruhe, nachdem der Krebs das erstemal seine Geschicklichkeit an Tag
gelegt. Um 9 Uhr ist allemal türkische Musick, die bestehet in einer melancholischen
Pfeife (ganz das ungrische Tárogató Sip) und einer Trommel, die eine 1/4 Stunde
auseinanderstehen, und veinahe eine 1/2 Stunde ohne Tact und ohne Pause fortgespielt
werden. - Eine rothe Katz macht mir die Cour - manche sagen "man kann durch
sie die Pest nicht kriegen, andre behaupten das Gegentheil: dass sie aber von
allen Stanken, die in ihren Häusern welche haben, todt geschlagen werden, ist
ganz gewiss - Hunde mit glatten Haaren sind nicht gefährlich, desto mehr jene
mit Wolle behengten. Wenn die Pest stark ist, flüchten alle Leute in die Campagne,
man speist immer ohne Servietten. Der östreichischen Consuls Frau zu denen Dardanellen
starb ein 40 tägiges Kind, welches sie an der Brust hatte, an der Pest - die
Liebe zu ihrem Leben musste der Liebe zum Kinde doch weichen und sie stillte
es bis zum Tode - ohne angesteckt zu werden. Die Symptomen der Pest sind bekannt
-. Thucydides beschreibt sie am besten: die rothe entzündete Farbe des Gesichts
und verdrehte Augen sind die vorzüglichsten Kennzeichen. - Der Consul in denen
Dardanellen der ein Arzt ist, und sein ganzes Leben so zu sagen in der Levante
zugebracht hat - verstehet von der Krankheit, wie er es doch selbst gestehet,
gar nichts, - weiss nicht einmal, ob's ansteckend ist. Die sich davor hüten,
werden oft gerade angesteckt, indessen andre, die das ganze Jahr mit pestiferirten
sich abgeben und selbe sogar begraben und ihre Klider anziehen, gesund bleiben!
Gewiss ist mir, dass man sich in unsern Ländern, eine weit grössere Gefahr einbildet,
als sie wirklich existirt. Die Menschen leben immer gerne, und überall, wo ich
bis jetzt noch gewesen bin - man braucht daher nur die nämlichen precautionen
zu brauchen, die die Einwohner gewiss nicht versäumen. Die Pest ist übrigens
kein so ein Übel, wie Feuer zum Beispiel, welches nur dann aufhören würde, wenn
es alles verheert hat, oder wenn es barrieren findet - Das Übel hört nie ganz
auf - in Constantinopel sterben alle Tage wenigstens 5 oder 6 Menschen in der
Pest, keine Gesundheits Anstallten, wie es bekannt ist, existiren nicht, und
doch greift's nicht weiter! Die Luft muss also den Miasma, der vorhanden ist,
und bei zu grosser Wärme oder Kälte gar keine Kraft hat, erst entwickeln, um
ihn gefährlich zu machen. Wenn 2 mille Menschen in einem Tag sterben, so muss
man sich in Acht nehmen - früher als die Krankheit solchen Grad erstiegen hat
- ist das Flüchten in's Land übereilt, da man in Pera viele Vorsicht brauchen
kann. - Gut und rathsam ist's immer, wenn man sich selbst eine gewisse Regel
macht, vor was allen man zu fürchten sich erlauben kann, und vor was nicht -
denn hat man die einmahl einstudirt und sich selbst fest eingeprägt - so braucht
man sich weiter unnöthig micht mehr zu kümmern und abzuhärmen - Vor ungewöhnlichen
Unglücks Fällen soll man sich nur dann fürchten, wenn man sich selbst für ein
sonderbares Wesen hält - Ich werde wie mir scheint auf eine ganz gemeine Art
zu Grunde gehen - und weil mir noch nicht viel in der Welt geschehen ist, so
wie ich's mir wünschte - und ich immer ein Liebhaber von Sonderbaren, Ausserordentlichen
gewesen bin - so bin ich auf ein ganz gewöhnliches Ende gefasst: bekümmere mich
daher für keine sichern Schiffe - trage nicht immer Waffen, und gehe in alle
Häuser - Frag nie nach der Pest. -
(14. September
1818)
Den 14-ten sind wir an linken Ufer des Mendere bis Bunarbaschi - und haben den,
auf der Rennellschen Karte angezeichneten Simois nicht getroffen - Der Rückweg
gieng am linken Ufer des Bunarbaschi.
(15. September
1818)
Den 15-ten bin ich bis Kalifati, um den Simois zu finden: das hab' ich auch,
aber nicht in dem Thal, der auf der Rennelleschen Karte angedeutet ist, sondern
in der selben Ebne, in welcher der Mendere fliesst - Unser Rückweg war zwischen
dem Bunarbaschi und der Mendere.
(16. September
1818)
Den 16-ten waren wir in dem Thal Thymbros - konnten wegen Regen nicht nach Athsekö,
was mich sehr interessirt hätte, um die grosse Quelle da zu sehen, die aus der
Erde quillt.
(17. September
1818)
Den 17-ten sind wir über Ekinkö - nächst dem Grab des Ajax, nach Chanak Kalesi.
(18. September
1818)
Den 18-ten sind wir weg und hielten uns in Gallipoli eine halbe Stunde auf.
- Die Karte des Lechevaliers von den Dardanellen und von dem Hellespont ect.
ect. bis Constantinopel scheint nicht sehr genau zu sein - Die Türken halten
die Distanz von Chanak Kalesi bis Constantinopel 250 türksche Meilen. (12 Türk.
Meilen = 8 englische Meilen), indessen ist es nicht so viel, wenn man selbst
die Länge annehmen würde, die durch den Umweg, den ein kleines Schiff zu machen
gezwungen ist, entstehen muss. - Alle die Unbequemlichkeiten und der Zeitverlust,
den wir erdulden müssen, entsteht immer, wenn auf einem Kriegsschiff embarquirt
gewesen ist. Die Unanehmlichkeiten denen man ausgesetzt ist, bestehen in der
Unmöglichkeit weiter zu kommen, wenn Nordwind ist - Windfeyern zu müssen, und
ohne Herberge und ohne guter Nahrung mehrere Tage bleiben zu müssen. Wir haben
das Glück, schönes Wetter zu haben - Wir hatten auch etwas Wind en notre faveur,
und mein Koch bereitet uns eine Suppe von alten Hühnern und Hammel Fleisch.
- Wenn es aber regnete, wenn ich keinen Koch mit hätte, wenn es endlich Tramontana
bliess, da wäre es in unserer Lage Fatal - Kein Mensch fühlt das mehr als L(andschulz)
- der wie ein verzweifelter in einem Eck sitzt - und denkt, dass es ihm schon
recht schlecht gehet. Miriofte: ein türkisches Dorf - wohnen aber mehr Griechen
darin, ist der Aufenthalt, in welchem ich schreibe. -
(19. September
1818)
19. Wir sind den 18-ten in der Früh gegen 9 Uhr von Csanak Kalesi weg, der Consul
war so artig seinen Pavillon mir zu Ehren spannen zu lassen; eine Pistole wurde,
wie mir scheint, zu unserm salut abgefeuert und so ruderten wir mit heiterm
Wetter von dannen. - Die türkschen Seeleute sind ziemlich ungeschickt mit denen
Segeln, indessen rudern sie braw, und amimiren sich durch ein tactmässiges Gespräch
manchmal - besonders aber wenn sie an den courrenten ankommen. Der Strom aus
dem Schwarzen Meere - schlägt am heftigsten gegen Gallipoli von da nach Abydos
und endlich alla punta dei Baibieri - Von dem alten Abydos, von wo Leander ins
Wasser sprang, und Sesto, wo Hero lebte, sieht man nur noch den Platz, sonst
aber gar keine Merkmale nicht einmal eine hübsche Gegend - Lord Byron soll zwischen
Abydos und Sesto über die Dardanellen geschwommen sein. Allgemein glaubt man's
- er selbst spricht in seinen Gedichten davon - wahr ist's aber nicht, denn
des Wassers Strom erlaubt es durchaus nicht; wie er es mit einem englischen
Fregaten Capitain versuchen wollte - weiter hinab aber - wo es zwar um ein gutes
Stück breiter ist, gelang's ihm -. Ohne Liebe ist so eine tour auch unmöglich.
- Von dem alten Lampsacum sieht man gar nichts mehr; als einige uninteressante
Steine. Von der Zeit, die ich in der Nähe des alten Iliums zugebracht habe -
werde ich auser meinem Tagebuch - ausführlicher schreiben. -
Der Canal der Dardanellen engt und erweitert sich hie und da. Wo Xerxes seine
Brücke schlug, wo man's nämlich glaubt, ist's am engsten. Alexander der Grosse
soll auch auf dem selben Ort mit einem Theil seiner Armée übersetzt haben -
indem der Feldherr und sein Freund Parmenion bei der Halb Insel Cyrique, den
Propontis übersetzte. -
In Rodosto sind die Grabmäler mehrerer Ungarn, unter andern die des Rákotzy
- Bercsényi etc. etc.
(21. September
1818)
21. In aller Früh haben wir das Vorgebürg San Stephano doublirt, und gegen 8
Uhr sind wir in San Stephano selbst bei einem Griechen abgestiegen, der der
Sohn des bekannten Arztes ist, der auf eine meuchelmörderische Art vor wenigen
Jahren in Constantinopel erstochen wurde. Sein Haus ist gross und hat eine sehr
hübsche Aussicht gegen das Meer, - so pitoresque ist's aber dennoch nicht, als
man's in der Nähe von Constantinopel vermuthen könnte. - Die Wachteln halten
ihren Zug über die nahe gelegenen Felder St. Stephanos, und die Franken pflegen
häufig da zu wohnen, um den Augenblick der Jagd nicht zu versäumen, - denn der
Zug kömt gewöhnlich, beinahe allemal bei der Nacht, und verbleibt nur einen
Tag hindurch. Manche Jäger haben's auf 200 Wachteln in einem Tage gebracht,
ohne Hunde würde man durchaus gar nichts richten können, da die armen ermüdeten
Wachteln sich beinahe tretten lassen, bevor sie aufstehen. Ich und meine Freunde
haben toilette gemacht, indessen der Jude, unser dolmetsch den wir von den Dardanellen
mitgenommen haben, vortreffliche Weintrauben hohlte. Krebs machte Caffe. - Von
dem Juden muss ich nur noch das bemerken, dass er einer der moralisch miserablen
Menschen ist, die unser Erbarmen zu erwecken pflegen - da sie nicht einen Augenblick
die Ruhe geniessen, die uns manchmal doch zu theil wird. Während der ganzen
Reise ass er beinahe gar nichts, als Brodt, und ein wenigWeintrauben - legte
sich gar nie nieder, und verrichtete vor uns nach Sonnen Aufgang sein ängstliches
Gebeth - Wenn ich in der Früh aus einem ruhigen Schlaf erwachte, sah ich ihn
blass und in seinem Gehrock eingewickelt wie einen tiefen Sünder, vor mir sitzen
- und was noch mehr die Anthipathie die ich gegen diesen Meschino fühlte, vergrösserte,
war, dass er in Constantinopel, wie ich ihn frug, was er für seine Reise und
Dienste, die er mir leistete, zu haben wünscht, die indescreteste Forderung
von allen denen gemacht hat, mit denen ich in Geld Contact auf meiner Reise
gekommen bin. Ich hab' diese Frage auch nur aus der Ursache gemacht, um die
schändliche Kleinheit dieses Elenden ganz zu erkennen. Er hat mich übrigens
auch noch betrogen, was ich so hingehen liess, um mit dem Kerl in gar keine
weiteren démêles zu kommen. Von San Stephano segelten wir also mit günstigem
Wind weg - der aber bald in einem zu starken Wind ausartete, und so schnell
kam, dass unsere Schiffsleute kaum die Zeit hatten die Segel einzuspannen: in
welchem Manoeuvre sie insgemein ungeschickt und langsam sind. Meine 2 Reisegefährten,
die in allen viel ängstlicher, wie ich bin, haben das gute an sich, dass sie
auf jede Gefahr dermassen aufmerken, dass mir zu sorgen, um auf meine Haut acht
zu geben, wenn ich in ihrer Gesellschaft bin, ganz überflüssig wird. - Man sagt
allgemein, dass die Gegend von Constantinopel schöner ist, als jene von Neapel.
Nach meiner Meinung ist das eine Dummheit, und ich begreife gar nicht, wem es
zu erst eingefallen ist, diesen Vergleich zu machen - Ich liebe die Vergleiche
gar nicht, am wenigsten aber diese - denn man könnte Constantinopel eben so
gut mit einer andern See Stadt, als Neapel vergleichen - denn ihre Laage sieht
sich in gar nichts ähnlich - die Gegenden sind in ganz verschiedenem Genre.
- Wenn man mich fragen würde, welche mir besser gefiel, - dann würde ich Neapel
sagen. Das ist aber ganz eine Geschmack Sache - und in einer Gegend und einer
Aussicht sind durchaus gar keine Regeln anzugeben. - der eine liebt das Wilde,
der andere die schöne Vegetation, der dritte zieht eine fruchtbare Gegend allen
andern vor. - Neapel zum Beispiel ist ein grösseres Tableau - man übersieht
das ganze Bild auf einmal - und Schnee Gebirge füllen den Hinter Grund aus -
Constantinopel hingegen ist ein ewig wechselnder Canal - ohne dabei doch frappante
Contraste zu geben. Garstig nenne ich in einer Gegend alles das, was keinen
besondern Character hat. Zum Beispiel das was kein Felsen und kein fruchtbarer
Berg ist ect. ect. Solche Öden sind an denen Ufern des Bosphorus mehrere, und
um besser zu sagen, sind die meisten Hügeln, die das Meer einschliessen, graue
- traurige Anhöhen; sind alle gleich hoch - ziehen sich in die Länge. - Die
Häuser sind klein, - da sie aber rothe Dächer haben, und grüne, schöne Bäume
in ihrer Umgebung, so macht sich das ganze Bild - hübsch - ein wenig kindisch
- wie ein Krippel Spiel. Für den Landschaftsmaler ist beinahe keine einzige
hübsche Aussicht - denn es gibt so viel kleinliches Detail, dass der Effect
im ganzen verlieren müsste, wenn man sich in dem einliess, und das kann man
ja doch nicht vermeiden, zumal die Entfernungen nicht so gross sind, als man
sich's vorstellen könnte. - Die Varietät der Gegenden glaubt man, ist gross,
indessen ist man betrogen, wenn man sich das einbildet - denn man sieht immer
die Wiederhohlung derselben Aussicht - nie ein andres Thema - immer die selbe
Variation. - Man beurtheilt aber die meisten Sachen falsch - und immer nach
dem Standpunct, auf welchem man stehet: in allen Sachen ist das der Fall - und
eben so, wie in London die Verkauf Gewölber uns zu frappiren pflegen, weil wir
uns da ennuiren, und unsere ganze Aufmerksamkeit ungestört auf dieselben richten
können, eben so persuadiren wir uns, dass die Gegend von Constantinopel viel
schöner, als alle andern in der Welt sei, weil wir da keinen andern Genuss haben
- als den der Aussicht - indem alles übrige, was man da auch immer begegnen
könnte, nicht den kleinsten Reitz gewähren kann. - Alle die Franken, die in
deiser Hauptstadt wohnen, scheinen die Abscheuen ihrer Nationen zu sein - und
so wohl an Figur als Geist sah ich nie eine so zahlreiche Assemblée von unbedeutenden,
inhaltsleeren Menschen, als in Constantinopel. - Ich nehme selbst das diplomatische
Personale nicht gänzlich aus - Denn wer könnte Constantinopel sich zum Sejour
wählen, wenn nicht ein bedeutendes Geld Interesse einen datzu stimmte, und gelassen
alle die Erniedrigungen dulden, der selbst die Gesandten alle Tage ausgesetzt
sind - und vor einer Nation, deren Stolz eben so lächerlich geworden ist, wie
ihre ganze Verfassung. -
Nachdem die Segeln eingespannt wurden, nahm man das Ruder, und fuhr längst dem
Quai des Serails nach Galata, wo wir ausschifften. Mautbar sind nur einige Esswaren,
als Getreide, Öhl, ect. ect. dem ohngeachtet wurden die unbedeutendsten unserer
Mantelsäcke eröffnet, um uns zu zwingen, durch die Macht der Baktschisch uns
loszukaufen. - 2 Zechinen wurden also einem der Mautbeamten in die Hände gedrückt,
die er sorgfältig ansah, ob sie auch echt und gewichtig wären - die Mantelsäcke
hingegen und unsre Betten von einer Menge von Trägern auf eine erbärmliche Art
herumgerissen, die sich um den Rang disputirten. Die Trindgelder oder vielmehr
das, was man in andern Ländern denen zu geben pflegt, die einem öffentlichen
Amt vorsehen, um sie indulgent zu machen - ist in der Türkey heufiger als anderswo
-, und es gehet soweit, dass sich die Menschen gar nicht mehr schämen sich bestechen
zu lassen, sondern geradezu das Geld beim Namen nennen, wenn man sie engagirt,
in ihrer Pflicht und Amt nicht so gar genau zu sein. Beim Hof ist's so, wie
in der Nieder Klasse der Türken - und wenn das Geld wirklich als die mächtigste
der Triebfeder angesehen wird, so könnte man glauben, dass in der Türkey es
noch mehr Gewalt hat, als in allen übrigen Ländern. - Die Leute, die sich zum
Tragen bestimmen, erreichen, so wie überall, eine ungeheure Stärke in diesem
Genre: dennoch war ich erstaunt zu hören, dass mein grösster Koffer, an dem
sonst 4 Menschen genug zu tragen haben, da er gegen 3 Centner wiegt, von einem
einzigen Türken, von dem Ort unserer Ausschiffung bis in die Hauptstrasse von
Pera getragen wurde: was wirklich auffallend ist, da nicht nur die Weite des
Weges, sondern der infame Weg und die Anhöchen, die man ersteigen muss, jede
Exhibition dieser Art beschwerlich macht. - Von der Pest hörte man äuserst wenig
in Constantinopel - wie man die vermeiden könnte, im Fall sie sehr stark wäre,
und man auf diese Art, wie wir, debarquiren müsste, begreife ich wahrlich nicht
- denn man kann sie nur durch das Vermeiden der Berührung einigermassen vom
Leibe halten - und in der Visitirung der Effecten, und in der Confusion, die
immer entstehet, - kann man zufrieden sein, wenn man die Beine ganz behalten
kann, und wenn sie einem nichts wegnehmen. - Lachen musste ich, wie man Enders
Zeichenbuch untersuchte, um zu sehen, ob kein Öhl darin verborgen sei. - Pera
hab' ich mir ganz anders, als Constantinopel vorgestellt - An dem Rand des Meeres,
flach liegend - Eine lange breite Strasse - und so weiter mit einem Wort, ein
wenig menschlicher - die Wirtshäuser erträglicher - mehr freyen Platz - Pera
liegt auf Anhöchen, die Häuser sind so auf ein ander hinaufgebaut,dass man sich
wundert, wie es möglich ist, dass viele Menschen in einem so engen Platz wohnen
können, ohne immerfort krank zu sein, zumalen die einzigen freyen Plätze, die
hie und da die Häuser theilen, zur Aufbewahrung der Vestorbenen dienen - die
gewöhnlich neben ihren Häusern begraben werden. Die eine lange Strasse in Pera
mag 2 1/2 Klafter breit sein auf denen beiden Seiten sind ganz schmale Trottoirs,
kaum für 2 Personen, und der pavé so niederträchtig, dass man sich einen ganz
andern Gang angewöhnen muss, wenn man da gehen will - und das muss man, wenn
man aus dem Hause zu kommen wünscht, indem gar keine zu Fuss oder Pferd Équipage
existirt, der man sich ohne sein Leben zu risquiren vertrauen könnte. - Das
Gasthaus zu den Giosseppino wird für das beste gehalten, sie sind aber alle
so schlecht, so dégoutant, dass man sich in dem grössten embarras du choix ist,
das man sich nur immer vorstellen kann. Der Eingang vor allen andern Dingen
ist eine der greulichern Sachen, von denen ich noch eine Errinerung habe, mit
keinem Gefängniss kann man's nicht vergleichen, ohne diesem letzteren zu Nahe
zu tretten, ausser einem ungrischen Komitats Kerker - Der Aufgang, die Stiege
sind natürlich von Holz - da nur wenige Häuser von Stein gebaut sind, und endlich
das appartement selbst bestehet aus unmoeublirten Zimmern, die gewöhnlich voll
von Wanzen, die in Holz einen herrlichen Fortgang haben, Flöhen und manchmal
auch Läusen sind,und den Reisenden die wenigen Stunden der Ruhe nicht gönnen,
die sie in Traum wenigstens, in bessere Gegenden bringen würden. - Anstatt einer
zu verschliessenden Thüre sind einige zerlumpte Bettler und viele Hunde die
Barriere über die man setzen muss, um in's Haus kommen zu können. - Die Hunde
sind, wie bekannt, die Lieblinge der Türken, und im allgemeinen habe ich auch
späterhin bemerkt, und was wirklich auffallend ist, dass die Türken für Vögel,
Schlangen, Hunde, Pferde weit besser gestimmt sind, wie für Christen - Warum
das aber ist, begreife ich nicht, da unsere Religion von der ihren doch nicht
so gar sehr verschieden ist. Eines Morgens waren wir in Scutari und mein Bedienter
David erschlug eine Schlange, die sich gerade auf unserm Weg befand - der Janitschar
fragte ihn gleich, warum er das gethan habe, indem die Schlange ihn doch nicht
beleidigte. - Aus diesem dumm guten Princip entstehen nach und nach auch so
viele Hunde, dass man oft nicht weiss, wie man seine Füsse setzen soll - Ihre
Zahl fiel mir doch am meisten an dem Eingang der Pforte, wo alle Minister wohnen,
auf. - Böse sind sie nicht, da sie in dem elendsten Zustand leben - Die Racen
vermischten sich auch dermassen, dass sie klein und schwach sind, und denen
Wölfen ziemlich gleichen. Oder sahen die Hunde so aus, wie sie noch wild geblieben,
und bevor die Menschen sie apprivoisirten. Zum Glück werden sie nicht wüthend
- und man giebt die Bequemlichkeit, ihre Komodität zu pflegen, als Ursache davon
an. - Ein Türk hatte so viel Aversion gegen die Hunde, dass er inmal eine hübsche
Anzahl auf die Princen Inseln transportiren liess, wo die sich untereinander
aufgefressen, oder von Hunger krepirt sind. Graf Lützow zeigt eine grosse aversion
gegen diese Haus Thiere, zieht sie denen Katzen doch vor.
Im dem Wirtshaus des Giussepino waren alle die Zimmer genommen und wir mussten
mit Sack und Pack weiter suchen gehen. Auch fanden wir bald eine andre Wohnung
- wo ich mich schnell umgezogen, und alsogleich zum Grafen Lützow begeben habe,
da ich doch wusste, dass man mir in dem Palazzo di Venezia ein Kammerchen bereitet
hat. - Der Palast, in welchem der Baron Stürmer 16 Jahre zubrachte, liegt an
dem Abhang eines Berges - und die von Holz bemalten Säulen, die über die Stiege
placirt sind, geben dem Haus eine possierliche Ansicht -. Die erste Person,
die ich begegnete, war der alte Baron Stürmer, den ich gleich erkannte. Im Hause
empfing man mich gut - aber mit Ceremonien, die später aufgehoben wurden. Der
Baron Stürmer ist ein ehrwürdiger guter alter Mann - der sehr unrecht hatte
seine Rappellation zu begehren - die Frau ist, wie man sagt, Ursache daran,
denn die konnte den Aufenthalt in Constantinopel nicht mehr ertragen, da sie
ihren eigenen Sohn in der Pest eben damals verlohren hat, wie sie beinahe gar
nicht existirte. So aber, wie der Baron vom Pferd auf den Esel kömt, wenn er
nach Wien geht, ist's nicht bald jemanden auffallender ergangen - Die Fräulein,
die noch den Schnabel nicht aus Constantinopel gehabt haben, sind hässlich und
unangenehm, freuen sich aber nach Wien, wo sie kein Mensch ansehen wird. - Die
Composition der Mission in Pera ist zahlreich - die Russische noch mehr, die
franzöische am meisten. Zu was aber so viele Menschen bezahlt werden, weiss
ich wahrlich nicht, denn ein paar fleissige geschickte Leut würden dasselbe
richten können; lächerlich ist's aber was für eine importanz die Leute sich
geben und welchen Staat und Representation jeder einzelne dragoman in seinem
Haus handhabt, und von dem gran' Signor und dem Gross Vesir mit so vielem Nachdruck
spricht, und dabei so wichtig thut, als ob es wirklich eine bedeutende Sache
wäre, indessen wir andern in denen Zeitungen den Articel Constantinopel gar
umschlagen, über die dummen Türken lachen, und wohl wissen, dass sie in der
politique nun keine andere Rolle mehr spielen, als die des Apfels der Zwietracht,
der NB. noch nicht ganz zeitig geworden ist. - Man gab mir ein sehr gutes Zimmer
zur ebener Erde, und ich wurde zum täglichen Gast gebethen, - was man gerne
annehmt, wenn man einmal die ecklichen Gasthäuser kennen gelehrnt hat. Landschulz
und Ender wurden aus dem Wirtshaus, was wir zum zweiten attaquirt haben, delogirt,
und in ein andres, mir scheint, noch weit schlechteres logirt, welches von dem
Herrn Husar, Schwiegersohn des Barons Stürmer, vorläufig für diese beiden Herrn
bestellt wurde. Auf der Reise, gestehe ich, separire ich mich nicht gerne von
meinen Reisegefährten, und theile alles am liebsten mit ihnen - Wohnung und
Speise wurden mir aber so höflich aufgedrungen, dass ich's wohl annehmen musste.
- Wenigstens konnte ich meine Abende unter Menschen zubringen, was nicht hätte
leicht sein können. wenn ich nicht in dem Haus eine Wohnung gehabt hätte - da
der Hügel, auf welchem die gewisse lange Gasse ist, wo auch das Wirtshaus existirt,
so steil, und unangenehm zu ersteigen ist, dass man diese Reise vermeiden muss.
- Gleich den ersten Tag nach meiner Ankunft, machte ich mir einen Plan, jeden
Tag, so gut wie möglich zu benützen, zumal ich die gute Saison benütze und höchstens
3 Wochen in Constantinopel zu bleiben gedachte. - Durch manche Unterredungen
mit dem Herrn von Husar, dessen Bekanntschaft ich gemacht habe - und bei dem
ich die meisten Vor Abende eine Nargile rauchend, zubrachte, erfuhr ich verschiedenes,
was kein Reisender aufzuschreiben sich die Mühe nehmt, welches in keinen Büchern
stehet und doch eben so nothwendig ist, zu wissen - wie man die nöthigen Reise
Requisiten und Victualien nicht vergessen darf.
Kein besonders Tag Buch in Constantinopel zu führen nahm ich mir die Mühe nicht,
besonders, da die ersten Tage meines Aufenthalts, meine Gesundheit so schlecht
gewesen ist, dass mir das allermeiste uninteressnt vorkam. Späterhin wurde ich
dann ein wenig besser - dennoch errinnere ich mich in keinem Ort so angegriffene
Nerven gehabt zu haben, wie in Constantinopel. Und ich bin neugrierig zu wissen,
ob ich überall mit mir so viel zu thun haben werde wie in Pera, oder ob wirklich
das Clima und die schnelle Veränderung des Wetters auf mich so sonderbar gewirkt
habe. - So gut sonst aber auch die Luft in Constantinopel sein mag, so gestehe
ich doch, dass die schnelle Änderung, die mit jedem Nord oder Süd Wind auffallend
erfolgen muss, zur Gesundheit keinesweges dienlich und zuträglich sein kann.
- Neapel liegt beiläufig in der nämlichen Breite als Constantinopel - um sich
aber einen Begriff des Unterschieds zu machen, der in dem Clima dieser beiden
Städte, statt hat - muss man nur bemerken, dass in Neapel die Pomeranzen und
Ananas in Freiem gediegen können - indessen hier das erstere in Häuser überwintert
wird, und von dem 2-ten die Leute gar keine rechte Kentniss haben. - Vor einigen
Jahren machte der Baron Stürmer dem Gross Herrn mit einigen Ananas Geschenke,
und bekam mehrere Schawls dafür. In Bujukdere sind einige gebildete Griechen,
und unter andern der spanische Gesandte Harat, die gute und leidenschaftliche
Gärtner sind, und sich mit der Veredlung der Früchte sehr viel abgeben. Sie
ziehen die Pfirsiche und Trauben zu einer auffallenden Grösse, man möchte sie
aber viel besser finden, wenn sie nicht so übertrieben gross wären - und vom
ihren feinen Geschmack nichts verlohren haben würden. Die Feige ist das einzige
Obst, welches gut reussirt: man muss aber auch nicht vergessen, dass die Feige
eigentlich ein wilder Baum ist, und in einer gewissen Wärme überall fortkommen
muss.
Von der Gegend will ich also gar nichts mehr anders sagen, als dass sie niergends
mir den Effect gemacht hat - in eine gewisse höhere Stimmung oder exaltation
zu kommen. Der Bosphorus selbst ist auserordentlich schön, und die in Europa
und Asien gelegnen festen Plätze und Landhäuser geben der Fahrt auf diesem einem
Strom gleichenden Canal - eine immerwährende Abwechslung - und es ist wahr,
dass ich keinen Ort in der Welt - dass heisst in meiner kleinen Welt, gesehen
habe, der mehr Bequemlichkeit und Leichtigkeit anbot, aus sich den aller herrlichsten
Aufenthalt mit kleiner Mühe und geringen Kosten machen zu lassen. - Die alten
waren in denen meisten doch vernünftiger wie wir? denn zum glücklichen Leben
gehört auch ein gesunder - fröhlicher Aufenthalt - und ist ein Theil Asiens
und der Archipelagus samt Griechenland mit denen Cycladen und jonischen Inseln
dem kalten Teutschland, dem nassen Ungarn und dem stäubigen Frankreich nicht
vorzuziehen? - Ob man wohl in Aachen davon jetzt spricht? und ob dieses herrliche
Reich nicht noch in meinem Leben zum Zank-Apfel wird?
- Italy's a
pleasant place to me
Who love to see the Sun shine every day
And wines, (not nail'd to walls) from tree to tree
Festoon'd, much like the back scene of a play,
Or melodrame, which people flock to sec,
When the first act is ended by a dance
In vineyards copied from the south of France - ect. (Beppo).
Mir fallen diese Verse immer ein, wenn von einem Lande die Rede ist, wo ich
wohnen sollte und so ist beinahe die ganze Türkey, wenn nur einige wenn erfüllt
werden könnten.
Der Baron Ottenfels, der eine Weile in Constantinopel geblieben ist, verfertigte
ein kleines Itinéraire ausschlüsslich nur für Constantinopel und alle Reisende
werden wohl daran thun, sich das Original, welches bei der Östreichischen Mission
wohl zu finden sein wird, abzuschreiben. - So hab ich's auch gethan, und besah
alles jene, was in dem Itineraire geschrieben stehet, nicht durchaus um meine
Neugierde zu befriedigen, als um "pour avoir la conscience nette"
- denn viele Sachen die da angemerkt sind, verdienen bei Gott nicht aller geringste
Attention. - Sehen muss man aber doch alles, was für merkwürdig angenommen wird,
besonders, da man doch nur damals ganz sicher sein kann, ob ein Gegenstand verdient,
angesehen zu werden, oder nicht, wenn man es selbst in Augenschein genommen
hat, denn wer kann sich auf diese Reisebeschreibungen wohl verlassen? die zum
Theil unrichtig sind, und zum Theil auch äuserst superficiel ihre details enthalten.
Sodan hat jeder seine Ansicht darüber und der eine findet das besonders und
auffallend, was dem andern gänzlich entgehet. - Herr von Palin z. B., der Schwedischer
Gesandte ist, und eine hübsche kleine Tochter hat, die einem Finger, wie Baron
Miltig sagt, ähnlich sieht - findet eine kleine kupferne Münze, auf der gar
kein Zeichen ist, die er aber für sehr alt anerkent, ohne gewisse Proben dafür
zu haben - weit merkwürdiger, als ich den Canal von Lyon oder den Weg über den
Mont Cenis mit aller meiner Vorliebe für derley neuere Kunstwerke - für sonderbar
und ausgezeichnet statuiren könnte. - Wie kann man also, wenn man schon an denen
Reisen in Orient, wo man mit so vielen Beschwerlichkeiten und so vieler Langerweile
zu kämpfen hat, einen Gefallen, einen Genuss haben will - verhindern, durch
Leidenschaften und falschen Illusionen in keine Irrwege und Abgründe geführt
zu werden - sondern bewirken, dass man auf dem Weg bleibt, wo von man alles
Schöne und Nachahmungswürdige, ohne falschen Ansichten veurtheilen könne - und
durch Alterthums Leidenschaft das Verdienst der Neuen Erfondungen nicht abspreche?
- wie kann man das? Ich hab' oft darüber nachgedacht, und hab gefunden, dass
die Menschen im Allgemeinen, das was sie in der Welt haben, so selten vernünftig
geniessen, dass sie meistens - ausschweifen - und durch Übergenuss sich die
Lust verkürzen, oder - sich andere Unannehmlichkeiten zuziehen - indem sie mit
vernünftiger Ansicht der Dinge - ihre Freude, ihr Glück, so vervielfältigen,
so mannigfaltig variiren könnten! -
Ich gestehe, ich liebe alles, was nur als ein Beweis dient, dass die Menschen
von ihrem Verstand einen guten Gebrauch machten - ob es nun alt oder auch neu
sei - Aus dieser Ursache glaube ich auch nie, dass mich eine Leidenschaft für
alte Münzen und schlechten ausgegrabenen Statuen bemeistern wird. -
Mit dem Itineraire des Baron Ottenfels ausgerüstet, machten wir durch mehrere
Tage dei Tour von Constantinopel und haben beiläufig alles gesehen, was in dem
selben angemerkt ist. - Wir gaben uns alle Mühe die Mosquée St. Sophia zu sehen,
das war aber glatterdings unmöglich, wiewohl ich gerne 200 Piaster gegeben hätte,
um hinein kommen zu können. Vor einigen Jahren waren aber einige Franken unter
der Protection der russischen Mission mit einem Firman ausgerüstet, um die ganze
Tour der Mosqueen zu machen - die waren so glücklich die St. Sophia ungestört
ansehen zu können. - In der Sulimanie, in dessen Nähe eine der zahlreichsten
Schulen ist, giengs ihnen aber nicht so ganz gut - und der Herr und Frau wurden
von denen Stundenten mit Steinen beworfen - und tüchtig durchgeprügelt und aus
dem Tempel gejagt, einer aber der Begleiter so sonderbar auf das Maul geworfen
(Mr de Fonton), dass er um alle beiden Reihen von Vorder Zähnen gekommen ist.
Seit dieser Begebenheit hat die Pforte den Grundsatz angenommen, gar keine Firmans
denen Franken mehr zu ertheilen, weil sie gesehen hat, wie schlecht derselbe
respectirt wurde, mit dem die benannte Gesellschaft seine Expedition antratt.
- Nicht zu vergessen ist jedoch, dass das Russische Cabinet bei der Gelegenheit
um eine éclatante Genugthung sich mühte und auch wirklich - erhielt, denn es
erhielt - für die geprügelten und Zahn beraubten Individuen - im Durchschnitt
ein Geschenk von beiläufig 5000 Piaster, - nach welcher Gabe man die Sache auf
die Seite legte. - Wurdern muss man sich aber über das gar nicht, denn das Annehmen
überhaupt ist in diesem Lande so weit gekommen, dass man sich gar nicht genirt,
laut zu erklären, dass man sich nach Constantinopel versetzen liess, um sich
da einiges Geld zu machen, um dann durch zu gehen -. Diesen letzten Ausdruck
brauche ich nur, denn die Franken gehen nie durch, weil sie den Kopf sicher
sitzen haben; das gilt nur von denen Türken - die aber - wie in allen andern
- so auch in Geld und speculatif Sachen, den Ton durchaus angeben. Ein Dragoman
stirbt aber ruhig in seinem Amt, denn von weiterkommen ist keine Rede; was sollte
man auch mit solchen, durch lange Tiraney, zur Sclaven dienst und Gehorsam angewöhnten
Personen - in einer Freyen Welt vornehmen? Sie würden sich eben so, wie allen
andern, die mit ihnen leben würden, zur grössten Last sein. -
Über Constantinopel ist so viel gesprochen worden - und die sehenswürdigen Gegenstände
sind so selten, und so wenige, der Geschmack fehlt allen dem, was in Morgenland
seine Quelle hat - dass ich anzumerken weiter nicht viel habe, als dass die
Laage allerdings eine der aller Schönsten ist, dei man in Welt für eine Hauptstadt
finden kann. Alles was Indien und Europa erzeugt, kann zu Wasser dahin gebracht
werden, und die reiche Vegetation, die umgrenzende fruchtbare Gegend, der Überfluss
an Wein, Früchte, Fische und Wild würde in Händen einer gebildeten Nation Constantinopel
gewiss zu dem schönsten Aufenthalt machen, den wir nur vorstellen können. Von
angenehm und gesund will ich da nichts sagen - denn die Änderung des Wetters,
und die schnell aufeinander kalt und dann warm, wechselnden Täge können Menschen
von einer gewissen Empfindlichkeit gewiss nicht zur Gesundheit dienen. Durch
meinen 33 tägigen Aufenthalt war aber meine Gesundheit in der Regel immer so
schlecht, dass ich in diesem Augenblick, als ich diess schreibe, in schlechter
Laune wäre, wenn ich mir die consolation nicht machen könnte, alle meine Nerven
Krankheiten seyen Folge des Climas in Constantinopel.