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Gabor
Terebess
DAS JAPANISCHE RAKU UND SEINE AMERIKANISCHE RENAISSANCE
Deutsche
Übersetzung: László Erős
Englische
Version
Ungarische Version (Művészet, XXIII. évfolyam,
9. szám, 1982. szeptember, 12-14. oldal)
"Wir
haben aber solchen Schatz in irdischen Gefäßen, auf daß die überschwengliche
Kraft sei Gottes und nicht von uns."
[2 Korinther 4:7] Luther (1545)
Vor
einigen Jahren geschah etwas Überraschendes: XIV. Raku (Kichizaemon mit Personennamen)
verlangte die mehreren Museen unbefristet verliehene Teeschalensammlung seiner
Familie, welche einen unermesslichen Wert darstellt, mit folgender Begründung
zurück: eine Rakuschale, wenn nicht gebraucht, gehe kaputt. Selbst wenn sie ihrem
Vitrinensarg im Museum entnommen werden könnte, wäre es ein betrübendes Gefühl,
ein ausgetrocknetes, kühles Raku in die Hand zu nehmen, besonders für jemanden,
der schon Gelegenheit gehabt hatte, beim zeremoniellen Teetrinken an Fingern und
Lippen seine intime Wärme und Feuchtigkeit zu erleben. Falls der Leser jetzt verlegen
wird, so möchte ich ihn an den Abscheu neueren Datums gegen Betastung erinnern,
der von Philip Rawson "taktile Kastration" genannt wurde. Ja, den Kunstgenuss
einer Rakuschale könnte man am besten mit einem sexuellen Erlebnis, mit dem zeremoniellen
Streicheln, Liebkosen menschlicher Formen vergleichen. Bei der Benutzung einer
Schale geschieht das auf eine weitgehend natürliche Weise, während eine Statue
oder ein Schmuckstück der angewandten Kunst zu befingern oder an den Mund zu führen
als deviantes Verhalten gelten würde.
Die japanische Rakukeramik ist
gerade 400 Jahre alt und von Anfang an mit der Teezeremonie verbunden. Die ersten
Rakuschalen wurden auf Anregung des grossen Teezeremonienmeisters Sen no Rikyu
von einem Dachziegelmacher namens Chojiro Ende der 1570-er oder Anfang der 80-er
Jahre in Kioto angefertigt. Diese Verbindung ist -- um moderne Terminologie zu
verwenden -- kein Aufeinandergeraten von Entwerfer und Ausführer, sondern ein
seltenes Zusammentreffen von Kritiker und Künstler. Der Teemeister erkannte die
aussergewöhnliche Bildhauergabe, die rauhe Bauernkraft des Tonhandwerkers und
ergriff die Gelegenheit, um endlich statt der bis dahin zunächst aus China, dann
aus Korea importierten und immer mehr unbezahlbaren Essschalen ein ausgesprochen
für das zeremonielle Teetrinken hergestelltes, einheimisches Gefäss zu erhalten.
Shunkan
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Omokage
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Jirōbō
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Ōguro
|
Jirōbō |
Yūgure |
Dōjōji |
|
Ichimonji
|
Muichi-motsu
|
Tsutsumi-gaki
|
Hayafune
|
Kōtō |
Kamiyaguro |
Tōyōbō |
Hijiri |
Sen no Rikyu als Teegrossmeister und Hofästhet des regierenden Schoguns Toyotomi
Hideyoshi war ein genialer Former und Bediener des Geschmacks in seiner Zeit.
Es gelang ihm, das (vom säkularisierten Zen-Buddhismus unterstützte) puritanische,
spartanische Bekenntnis der Militärdiktatur mit den Luxusansprüchen der Samurairitter,
der neugebackenen Beamten und der sich bereichernden Kaufleute auf einen gemeinsamen
Nenner zu bringen. Wabi-Cha -- wie die Rikyu-Teezeremonie gennant wird -- ist
die Kunst der raffinierten Schlichtheit, der absichtlichen Eventualität, der erfundenen
Natürlichkeit. Scheinbar sind alle ihrer Gegenstände ungeschnitzt, wüst, möglichst
dürftig, die Herstellung der Gegenstände erfolgt jedoch mit einem unendlich raffinierten
Kunstfleiss.
In der Zeremonie, welche die Synthese der japanischen Künste
darstellt, ist nichts autonom, alles ist angewandt und alles hängt mit allem zusammen.
Es verschwindet nicht nur die Trennlinie zwischen den bildenden und den angewandten
Künsten, wie so oft im Falle der orientalischen Künste, sondern auch die zwischen
Religion und Philosophie, Etikette, Kleidung und Ernährung. Die Zeremonie verkündet
die Unteilbarkeit, die Integrität von Leben und Kunst, in der Wirklichkeit wird
das aber vom alltäglichen Leben separiert, in einem speziellen Teegarten, in einer
speziellen Teehütte, mit extra nach dem Zen-Geschmack zu diesem Zweck ausgewählten
Mitteln umgesetzt.
Chojiro als Ziegelmacher erlernte nie die Benutzung
der Töpferscheibe. Er schnitzte seine "Statuen, aus denen Tee getrunken wird"
in lederhart getrocknete Tonerde. Seinen primitiven Ofen konnte er lediglich auf
niedrige Temperatur erhitzen; er versuchte den Brennraum besser auszunutzen, indem
er die Schale nicht "im Ofen abkühlen liess" (Yakizamashi), sondern sie mit einer
langstieligen Zange aus Schmiedeeisen noch "im heissen Zustand herausnahm" (Hasami-Dashi)
und sofort mit einer neuen ersetzte. Das rote Raku liess er an der Luft abkühlen,
das schwarze tauchte er gleich in lauwarmes Wasser. Er mochte diese beiden Farben:
die rote stellte er aus ockerfarbiger Gusserde und mit mehreren Schichten farbloser
Glasur her, die schwarze mahlte er aus dem eisen- und manganhaltigen Kies des
Flusses Kamo in Kioto. So entstand das schnellgebrannte Raku, das eine frei geformte,
auf niedriger Temperatur gebrannte Keramik mit rasch erstarrter Glasur ist. Mit
Hinsicht auf das technische Niveau der zeitgenössischen japanischen Keramik scheint
das ein Rückschritt zu sein, da seit der Nara-Epoche (8. Jh.) Gebrauchsgefässe
auch in den entlegensten Dörfchen nicht anders als auf hoher Temperatur über 1200
Grad Celsius gebrannt wurden. Jedoch kann auch die poröse, niedriggebrannte Keramik
ihre Funktion gut erfüllen. Der Erntekrug hält das Wasser frisch, weil er es durchlässt
und über eine grosse Oberfläche verdunstet. Der Kochtopf über dem offenen Feuer
springt nicht, weil in seiner weichen Wand keine allzu grossen Spannungen durch
die einseitige Aufheizung entstehen. Die Rakuschale -- weil ein schlechter Wärmeleiter
-- hält den Tee während der gemessen langsamen Zeremonie warm, wird dabei auch
nicht heiss (da die Schale keinen Henkel hat, muss man sie beim Trinken mit beiden
Händen anfassen). Wird sie angeschlagen, so muss sie stumpf klingen -- Glasur
mit Haarrissen! -- denn das laute Geräusch des Bambusrührers würde den Frieden
der Zeremonie stören.
Die Benennung "Raku" selbst stammt vom Schogun
Hideyoshi, der als Zeichen seiner Hochachtung nach dem Tod von Chojiro seinem
adoptierten Sohn einen goldenen Stempel mit dem Schriftzeichen "Raku" schenkte,
welches -- in der sinngemässen Übersetzung -- soviel wie "Genuss der Musse" bedeutet.
Er beehrte ihn auch mit dem Namen "Tenka no Ichi" -- "Der Beste unter dem Himmel".
Die Abkömmlinge von Jokei benutzten von da an den Namen Raku auch als Familiennamen.
Auf ihren ursprünglichen Familiennamen Tanaka verzichteten sie endgültig nach
der Meidschi-Epoche zugunsten des Namens Raku. Die Werkstätte der Familie Raku
in Kioto heisst Hongama; das ist die Hauptwerstatt oder der offizielle Ofen, wo
zur gleichen Zeit nur ein Meister arbeitet bis sein eigener oder adoptierter Sohn
das Gewerbe übernimmt. Die sonstigen Rakukeramiken werden in Waki-Gamas, Nebenwerkstätten
hergestellt.
Amagumo
|
Kaga Kōetsu
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Shichiri
|
Fuji-san
|
Kansetsu |
Azuma |
Seppen |
Murakumo |
Jukushi
|
Otogoze
|
Kamiya
|
Seppō
|
Bishamondō |
Minegumo |
Suiō |
Shigure |
Kōetsu: Teeschalen
Kenzan: Teeschalen
Hon'ami Koetsu (1658-1637) und Ogata Kenzan (1663-1743), die grössten Gestalten
der Rakukeramik neben Chojiro arbeiteten in Waki-Gamas. Während die sich in die
Hand schmiegenden Schalen von Chojiro von einer zurückhaltenden Visualität zeugen,
den feingeschliffenen Flusskiesen, den im Gebrauch abgewetzten Werkzeugstielen
ähnlich sind, gilt die geübte Pinselführung, der besondere Farbensinn, die Kompositionsgabe
des Grossmeisters der eindrucksvollen Dekorativität, Kenzan, nicht der Hand, sondern
in erster Linie dem Auge. Koetsu war es, der von den dreien am besten den goldenen
Mittelweg, das Gleichgewicht zwischen den taktilen und visuellen Qualitäten fand.
Der aus einer Familie von Schwertexperten stammende Koetsu befasste sich lediglich
als Amateur mit Anfertigung von Keramiken, wie auch mit Lackkunst und Kalligraphie.
Siebzehn Schalen lediglich blieben von ihm erhalten, jedoch genug, um ihn zu einem
der grössten Keramiker aller Zeiten zu machen. Er arbeitete nie auf Bestellung,
nur aus purer Neigung. Man sieht seinen Schalen an, dass sie als Gelegenheitstücke
hergestellt wurden; alle sind verschieden in der Gestaltung, der Meister hat keine
gereiften, stereotypen Formen. Sein schönstes Stück heisst Fuji-San oder Sode
Chawan; Ärmelschale -- das war die einzige Mitgift seiner Tochter, die sie in
den Ärmel ihres Kimonos gewickelt aus dem väterlichen Haus mitnahm.
Die Rakukeramiker von Kioto sind die ersten in der Geschichte der japanischen
Keramik, die keine namenlosen Handwerker mehr, sondern bekannte Künstler sind.
Es werden sogar einzelne ihrer Werke mit Namen in Evidenz gehalten. Die schönsten
Stücke von Chojiro sind Oguro: Die grosse Schwarze und Hayabune: Das schnelle
Schiff, die von Koetsu neben dem erwähnten Fuji Berg, Amagumo: Regenwolke, Seppo:
Schneebedeckter Gipfel und Jukushi: Reife Dattelpflaume. Versuchen wir eine typische
Rakuschale zu beschreiben. Sie wird ausschliesslich zum zeremoniellen Teetrinken
und zu keinem anderen Zweck verwendet. Sie hat keinen Henkel, immer aber eine
Sohle, einen Sohlenring. Sie darf mit heissem Tee nie vollgefüllt werden. Die
Schale wird an den beiden kältesten Stellen, am Mundrand mit der rechten, an der
Sohle mit der linken Hand angefasst. Ihr Durchmesser beträgt im allgemeinen 8-15
cm, liegt jedoch meistens zwischen 10 und 13 cm. Ihr asymmetrisches Gleichgewicht
wird mit der Hand, durch Schnitzen ausgeformt. Visuell ist sie unreproduzierbar;
die im voraus berechenbare Geometrie der Formung auf der Töpferscheibe ist ihr
fremd. Ihr Mundrand wellt sich, an ihm erheben sich in der Regel 3, 5 oder 7 Hügel.
Ihre Formen sind in die Hand passende, stumpfe Formen, sie meiden scharfe Vorsprünge.
Sie muss aber nicht nur intim in der Hand sitzen, sondern auch auf den Tatami
gestellt sicher stehen, denn die Aufregung infolge der Angst vor dem Umkippen
würde die Zeremonie stören . Zum Ansammeln der letzten Teetropfen verläuft in
ihrem Inneren eine Spirallinie bis zur tiefsten Stelle des Bodens hinunter, die
Cha-Damari, "Teelache", genannt wird und für welche angesammeltes Regenwasser
in den Aushöhlungen von Felsen als Muster diente. Unter dem inneren Rand zieht
sich ein leichter, lebendiger Grat entlang, damit der Tee mit dem Bambusschläger
nicht ausgespritzt wird; dieser Grat sinkt oder bricht an einer Stelle, beim Trinkpunkt
ab, damit der Tee glatt und gleichmässig in den Mund fliessen kann. Der Gast bekommt
die Schale vom Teemeister mit dem Vorderteil zu diesem gerichtet und muss sie
umdrehen um aus ihr trinken zu können. Dabei streichelt er die feinen Modulationen,
das abwechselnde Rauhe-Glatte der Schale.
Die Farbe der Teeschale darf
nur mit Tee vollgefüllt untersucht werden, ihre Schönheit entfaltet sich voll
im Gebrauch. Die meistverbreiteten Schalen sind die mit roter -- voller lachsfarbener
-- und schwarzer Glasur, eine weisse kommt nur selten vor, noch seltener sind
die grünen. Die Schönheit der Schale hängt aber nicht nur vom Tee, sondern auch
von der Umgebung aus Holz, Papier und Stroh der Teehütte ab; sie passt zu Steinwänden
und Glasfenstern nicht. Im Winter werden Schalen mit hoher Wand und nach innen
gebogenem Rand, im Sommer flache Formen mit weitem Mund verwendet. Die japanischen
Rakugefässe spielen mit dem Widerspruch der visuellen und taktilen Eigenschaften
nicht. Nicht nur ihre Farbe, auch ihre Berührung ist warm. Nicht nur ihr Material
is porös, sie sind auch leicht; mit den Fingernägeln geschlagen klingen sie dumpf.
Nicht nur ihr Aussehen wirkt nass, sondern sie fühlen sich auch so an. Dem glatten,
einen angenehmen Kontakt bietenden Trinkpunkt gegenüber befinden sich einige Pinselstriche
als Zier, wenn überhaupt und die markante, klare "Narbe" der Eisenzange. Korrektionsmöglichkeit
gibt es keine, die einmalige Bewegung ist unabänderlich, nicht zu verschleiern.
Die Glasur erstarrt inmitten des Abkühlungprozesses in ihrem flüssigen Zustand
als "abhängender Lumpen" (Maku Gusuri) oder als "abreissender Tropfen" (Nagare)
abrupt, mit Haarrissen durchwoben, am Körper der Schale. Eine fehlerlose Glasuroberfläche
des Raku gibt es nicht. Aber die Vollkommenheit des makellosen, qualitätskontrollierten
Industrieartikels ist ihr auch fremd. Die Zufälligkeiten sind keine erfundenen,
gemachten Unfälle, sondern die natürlichen Folgen dieser Technik. Denn diese Technik
nimmt die Grenzen des menschlichen Entschlusses an, ist geöffnet für Effekte über
den menschlichen Absichten, vertuscht die Fehler nicht. Obwohl die Rakuschale
grob, verhudelt wirkt, ist sie verfeinerter als etwas, das ostentativ verfeinert
wurde-- wie zum Beispiel eine Rokoko -Teetasse. Sie ist es im Verborgenen. Im
Gegensatz zum Design erfindet sie keine Formen, sondern eine Arbeitsmethode. Wenn
der Rakumeister den glühheissen Ofen öffnet, muss er im Bruchteil einer Sekunde,
in voller Identität mit dem Augenblick handeln. Wenn die Glasur geronnen ist,
kann er nicht untersuchen, was er schon machte, was noch zu tun ist -- es gibt
keine Vergangenheit und keine Zukunft -- er kann von der Gegenwart nicht abschweifen.
Er hat keine Zeit zum Überlegen. So gut eine späte Antwort auch sein mag, ist
sie doch umsonst, wenn sich die Schale inzwischen abkühlte. Er sucht keine besonderen
Effekte, sondern ist bereit für alles, egal, ob das etwas Besonderes oder Alltägliches
ist. Seine volle, alles umfassende Aufmerksamkeit empfängt, was kommt und lässt
gehen, was vergeht. Er verfliesst voll und vollkommen mit dem Augenblick ohne
Umkehren, Vorauseilen, Zögern, wie der Fluss, er korrigiert nichts. Sein Ziel
ist nicht die Vervollkommung, sondern das Erfahren der Technik. "Er weiss nicht,
was er denkt, solange er es nicht sieht." Diese Disziplin unterscheidet sich von
der Genauigkeit und der fachgemässen Durchführung eines Entwurfes. In der Konzentration
des Aufpassens "ist sein Benehmen wie das des Wassers, seine Ruhe wie die des
Spiegels, seine Antwort wie die des Echos".
Der
erste authentische Bericht über das Raku stammt in Europa von Bernard Leach --
dem Erneuerer der englischen Keramik, der die Technologie vom letzten Spross der
Familie Raku lernte und selbt berechtigt ist, den Stempel zu benutzen. Trotzdem
hörte Leach bald mit der Anwendung auf -- er wusste nicht so richtig, was er damit
anfangen sollte.
Am
Ende der 50-er Jahre hatte der Amerikaner Paul Soldner nach dem Töpferbuch von
Leach die Idee, mit seinen Studenten den Rakubrand auszuprobieren. Nach einigen
misslungenen Versuchen fuhr ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf das aus dem
Ofen herausgerissene, glühheisse Gefäss vor dem Hineintauchen ins Wasser unter
dürre Blätter zu stecken. Mit dieser nachträglichen Reduktion ausserhalb des Ofens
begann der Siegeszug des Raku in Amerika.
Die Glasur des japanischen
Raku kam nie in unmittelbare Berührung mit brennbarem Material. Ihre Oberfläche
brach nur an der einen Stelle, wo sie von der Zange berührt wurde. Die rissige,
verräucherte, gebrannte Oberfläche des amerikanischen Raku ist eine künstliche,
"instante" Antiquität. Sie befriedigt die in Europa undenkbare amerikanische Nostalgie
für antike Gegenstände. Dazu knüpft sie an jene Tendenz der Keramik an, die der
Technologie des "Raumzeitalters" überdrüssig wurde, mit primitiven Methoden Keramik
anzufertigen versucht und sich gegen den Funktionalismus, die Symmetrie auflehnt.
Das amerikanische Raku imitiert das japanische nicht. Das ist ihr höchster
Vorzug, das setzt ihr aber auch die Grenzen. Da sie keine bestimmte Funktion hat,
wie die japanische Rakuschale, versucht sie mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit
des Publikums auf sich zu lenken. So verschob sie sich völlig in die Richtung
der prunkhaften, visuellen Effekte. Während das japanische Raku als zeitlos empfunden
wird, wirkt das amerikanische ein bisschen altmodisch, weil es sich in seinem
Bestreben, Käufer zu finden, nach den gestrigen Tendenzen der bildenden Kunst
-- in erster Linie nach dem abstrakten Expressionismus -- richtet. Während das
japanische Raku ein einziges Material, eine Technik -- das aber gründlich -- ausbeutet,
hat das amerikanische die Qual der Wahl. Während das japanische Raku auch die
Disziplin der Natur kennt, empfand das amerikanische lediglich die Eventualitäten
der Natur nach. Seiner Ungeduld gefiel das sofortige Ergebnis, bemerkte jedoch
den langsamen Reifeprozess nicht, den ein japanischer Rakumeister so beschrieb:
"Wenn du ein bestimmtes Ding erreichen willst, muss du zunächst zu einem bestimmten
Menschen werden". Für den Amerikaner ist der Brand der Höhepunkt, das grosse "Happening",
für die Schaffenden des japanischen Raku ist jeder Punkt gleicherweise ein Höhepunkt,
"jeder Tag ist ein guter Tag". Vom amerikanischen Gesichtspunkt aus sind die japanischen
Rakuschalen ein wenig banal, uninteressant, sie unterscheiden sich kaum voneinander
(alle sind gleich, wie die Japaner), bleiben innerhalb ihrer engen Grenzen. Der
amerikanische "Raku Artist" versteht weder die zur Verfeinerung zwingende Kraft
der Grenzen, den ästhetischen Wert der Öde, der Würde, der Andeutung, noch die
Wichtigkeit dessen, dass die Tradition ein Massstab für die Leistung ist. Der
Wille, um jeden Preis etwas Neues zu schaffen, trieb ihn in die Suche nach spannenden,
aber oberflächlichen Effekten. Die primitven, ruhelosen Oberflächen (die bei den
Produkten der elektrischen Öfen fehlen), die lebhaften Lüster der seltenen Chloride
und Nitrate berauschten ihn. Die speziellen technischen Neuerungen (modern ausgestaltete
Zangen, Wagen- und Fassöfen) ermöglichten unvorstellbare Masse. Die wichtigste
Eigenart des japanischen Raku, die Intimität, die Einfachheit, die Ruhe gingen
aber verloren.
Bei uns ist einerseits die japanische Teezeremonie unbekannt,
unsere Keramikkultur ist im besten Fall zu primitiv zur Wertung der Teeschalen,
andererseits verstehen wir den Ekel der amerikanischen Keramiker vor der modernen
Technik nicht, da wir ja primitive Keramik aus Not und nicht als Aufruhr machen.
Es erscheint uns also gleicherweise seltsam, uns an eine japanische Richtung aus
dem 16. Jahrhundert, wie auch an eine amerikanische Tendenz der 1960-er Jahre
anzuknüpfen. Es gibt jedoch solche Bestrebungen: Imre Schrammel, dann Károly Szekeres
waren die ersten, die mit dem Raku der amerikanischen Stilart Versuche machten
und Ilona Benkõ gewann mit ihren Rakuplastiken mehrere internationale Preise.
Am Internationalen Keramiksymposion zu Siklós im vorigen Jahr stellte der Amerikaner
David Davidson auch die Sodaraku-Technik vor, welche eine Kombination der Salzglasur
und des Raku ist. Sicherlich wird es einheimische Nachfolger geben. Was mich betrifft,
untersuche ich seit mehr als zehn Jahren die Möglichkeiten des japanischen Raku
in Theorie und Praxis.
(Zeitschrift Művészet, Jg. XXIII., No.9, September 1982, S. 12-14.)