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Imma von Bodmershof: »Haiku«
(1895-1982)
http://kulturserver-nds.de/home/haiku-dhg/Archiv/Willens_Bodmershof.htm


FRÜHLING

Eis löst sich vom Bach-
klar aus der Tiefe leuchten
braungold die Steine.

Immer noch Reif am Morgen -
aber mein Nachbar
klopft und wetzt am Pflug.

Wildgänse rufen -
Nun schrein die andern im Dorf:
»Da - da zu Hause.«

Sturm poltert ums Dach
Eisregen schlägt ans Fenster -
lautlos wächst der Tag.

Ging mit der Hacke
zum schwarzen Schlehdorngestrüpp -
fand licht blühende Wolken.

Schau mitten im Ei
klein und gelb eine Sonne -
wie kam sie hinein?

Erstes Lärchengrün -
o Duft Nachts im Gewitter
sprangen die Knospen.

Das alte Mühlrad
vom Wasser hell übersprücht -
es dreht sich wieder.

Lange schon fleht die Drossel -
der Mond kommt sie schweigt.
Gab er ihr Antwort?

Der Fichtenwald blüht,
Gold bestäubt den Weg,
auch den Gaul vor dem Karren.

Tiefe Nacht ich schlief
da rief es: Uhr ruckt - Lug Trug -
Such nur - Kuckuck - du -

Ein großer Tag heut
die Kaulquappe steigt an Land
als Frosch - ganz als Frosch.

Krokus füllt seinen Becher
voll mit Licht. Sucht sonst
kein andres Geschäft.

Hell schimmernd im Blau
ziehn Weidenflocken - jüngste
Schwestern der Wolken?

Herz schlag nicht so laut
der Falter war nah
gewiß erschrak er vor dir.

Voll scheint heut der Mond
stärker schreien die Frösche
im spiegelnden Teich.

Diese Frühlingsnacht -
selbst der Helm des Wachmanns trägt
eine Mütze Mond.

Lärm - schwarzroter Rauch
doch nachts wenn die Straße schläft
wippt im Baum ein Stern.

Löwenzahn - Spielverderber
bläst schon den Samen
Herbst in das Frühjahr.

Lieber Storch laß mich leben -
so viel Frösche gibt's
friß einen andern.

Dieser Mai - meinen Kater
rief ich und drohte -
er kam nicht zurück.

Den ganzen Tag steht
in der Sonne die Tulpe
setzt keinen Hut auf.

Junge Libellen
durchsichtig noch - sie steigen
vom See aufs Schilfrohr
und zögernd traumbefangen
entfalten sie die Flügel.

Vor Tag im Dämmern
hört ich den Ruf des Pirols -
ach ich schlief weiter.

Steh vor dem Abgrund -
ein Regenbogen allein
wölbt sich darüber.

Der Salamander
taucht aus der Tiefe -
holt sich eine Perle Luft.

Finkenruf taglang
im kahlen Kirschbaum-plötzlich
steht er in Blüten.

Flaumfederleichte
Wolken ziehen - shau - der Mond
er fliegt mit ihnen.

Mit Birke leuchtet
als trüg sie den Mond in sich -
wie dunkel der Wald.

Nacht. Der Lärm verstummt.
Die Wachtel im Käfig wagt
nun leis zu rufen.

In Schlehdornblüten
ruht ein leuchtender Falter -
o lichte Wohnung.

Über das tiefe Wasser
laufen die Spinnlein
trockenen Fußes.

Helle Nacht im Mai -
Ahornblätter auf dem Weg?
Ja, der Mond malt sie.

Leuchtende Wolke
wie nahe - weit ach wie weit
dahinter der Mond.

Im fremden Garten
blüht Jasmin. Ich vor dem Tor
atme den Duft ein.

Wollt das Glühwürmchen greifen
es erlosch. Hielt still
da leuchtet's wieder.

Von weißem Flieder
verschneit ist die Quelle - selbst
das Wasser duftet.

Waldwege im Tau
öffnen sich schimmernd vor mir -
doch der Zug hält nicht.

Schwerlos die Samen
in meiner Hand - einst Enkeln
machtwolle linden?

In meinem Garten
rote Rosen, schwarz glänzend
Früchte des Efeus.

Fremdes Mondenlicht
auf der alten Sonnenuhr.
Wo gilt diese Zeit?

Wiesen voll Blumen
traumerfüllt. Nur der Bach fließt
und fließt immer fort.

 

SOMMER

Wilde Mohnblüten
Fest des Tags. Wenn der Mond kommt
löscht euch der Nachtwind.

Wachtelruf im Feld
als schlüge warnend
dreimal ein Hammer auf Stein.

Im hohlen Strunk der Weide
Nistet ein Grünspecht.
Hörst du sein Lachen?

Kuckuck - oft hört ich's
doch nie zeigte sich
der verbogene Rufer.

Wie du sichtbar wirst
im sanftgeblähten Segel
unsichtbarer Wind.

Im grünen Wasser
das grüne Fischlein -
nur sein Schatten verrät es.

Aufgewühltes Meer
das Ufer dunkel von Tang
darin ein Seetern.

Lange lauscht ich der Brandung -
sind die Grillen tot?
Ich hör keine mehr.

Aus meinen Händen
rieselt der Sand ganz langsam
zurück in das Meer.

Die Sonne sinkt - sieh
überm dunklen Boot
leuchtet das Segel golden.

Aufs trockne Land wirft
der Taucher den Schwamm
feucht vom Wasser der Tiefe.

Der Mittagswind weht
aus dunklen Wellen springen
goldweiße Blitze.

Die Biene allein
schläft in der Sonnenblume -
vergaß sie ihr Haus?

Sah jäh unterm Kahn
des Himmels Abgrund und mich
schwebend inmitten.

Blitze im dunkeln Gewölk
doch ruhig atmet
weißer Holunder.

Hoch hoch über mir
wirft sich der Segler ins Blau -
ich stehe unten.

Die Kerze verlöscht.
Wie laut ruft jetzt die Grille
im dunklen Garten.

Zwei Falter kreisen
ziehn hoch - höher noch im Blau.
Was suchen sie doch?

Die starke Herde
ganz allein den Weg dahin
treibt barfuß ein Knirps.

Schatten. Der Kater
im Sonnenfleck leckt das Gold
von seinen Pfoten.

Auf den Zeigern der Turmuhr
schnäbeln die Schwalben -
die Zeit muß warten.

Fort mit der Fliege -
sitzt jetzt nah putzt die Flügel
zärtlich - schnurrt sie gar?

Ein Sonnenstrahl dringt
schräg durch das Dickicht -
wie der Moosgrund nun atmet!

Warf den Holzstab ins Wasser
gleich fuhr er kraftvoll
zurück zur Höhe.

Glühkäfer, Sterne.
Schwirren in Dunkeln -
irrst du dich Fledermaus nie?

Nur wie ein Tropfen
scheint mir der Teich vor dem Haus
seit ich das Meer sah.

Verhängte Fenster -
ins Dunkel leuchtet
ein Kerzlein vom Armenhaus.

Bloßfüßig als Kind
ging ich auf Kreuzotternjagd
fing ihrer manche.

Mittagstiller Teich.
Ein Kreis - darin hebt lautlos
die Natter ihr Haupt.

Duft reifer Felder -
in welche ferne Scheune
bringt ihn der Wind ein?

Im Haus alles fremd
doch Schwalben kreisen darum
rufend wie einstmals.

Mond übernm reifen Kornfeld
Kommt der Ruf von ihm?
Ach - nur ein Käuzchen!

 

HERBST

Später Bienen Flug
Voll blüht der Efeu -
reift seine Frucht im Winter.

Keiner erklettert
den Wipfel, er streut
reife Früchte den Kindern.

Sind schon beim Keltern
ihrer vollreifen Trauben
die andern - und ich?

Wenn der Schwan auffliegt
stößt er sich von dem Wasser -
ich sah es genau.

Fernher weht Wind um das Haus
Sag mer spürst auch du
Salz auf den Lippen?

Ein Greis starrt in das Dunkel
die Lampe flackert
er beachtet's nicht.

Im Mondlicht fallen
tote Blätter doch den Ton
hört keiner der schläft.

Des Himmels Kirschengärten
blühen jede Nacht-
mein Zelt ist dunkel.

Septemberstille -
einer Hummel Gebrumm wächst
dröhnt - füllt jetzt die Welt.

Bohnen, bunt gefleckt
jede anders. Die Schoten
die schienen mir gleich.

Das Huhn pickt im Mist
den ganzen Tag. Vergessen
läuft sein Schatten mit.

Nachtfahrt im Nebel.
Grell stürzt der Weg auf uns zu
rechts und links Dunkel.

Kann nicht nach dem Feuer seh'n
muß rühren - rühren
sonst verdirbt der Brei.

Der Wind schlägt das Tor
auf und zu - ist denn kein Herr
im Haus der es hört?

Über den Strom her
hörte ich heute Stimmen
bald wird es regnen.

Kleiner Wellen Schlag
leck und voll von grauem Schlamm
der Kahn am Ufer.

Den Hügel hinauf
führt gewunden die Straße -
mehr sehe ich nicht.

Kein Röslein war schön
wie dieses dunkle silbern
vom Reif überhaucht.

Süßer Vogelsang
verklingt im Dämmern. Fernher
tönt des Käuzchens Ruf.

Ach Mond wüßt ich nicht
daß nur Schatten dich decken
müßt ich verzweifeln.

Zwischen den Scherben
der braunen irdnen Schale
wie hell glänzt der Reis.

Gräber im Nebel
leere Nester. Die Schwalben
kreisen im Süden.

Ein Baum voll dunkler Früchte?
Krähen schwirrten auf
als ich herankam.

Ein Hahnenschrei weckte mich
lang lange vor Tag.
Was war nur mein Traum?

Es traf den Reiher.
Die Augen brechen -
er hebt die schwingen zum Flug.

Schön war der Sommer -
doch schien je der Mond so hell
ehe der Reif fiel?

 

WINTER

Harter Frost. Bebend
gefangen im Eiskristall -
ein Funke Mondlicht.

Wildgänse ziehen -
durchs vergittertes Fenster
blickt ein alter Mönch.

Im grauen Nebel
die roten Gimpel - ihr Ruf
tönt leise ums Haus.
Sag mir mein Lieb noch ein Wort
denn über Nacht kommt der Schnee.

Ein Schwarm von Krähen-
was schreibt ihr Flug schwarz und wirr
auf den fahlen Grund?

Dicht dicht fällt der Schnee
nichts bleibt als Weiß - schon rutschen
die Kinder darauf.

Vereiste Scheiben
Farne Moose und Palmen
aus Frost geboren.

Zum Wasserholen
aus dem Regenfaß braucht ich
heute den Hammer.

Ich schloß alles zu
wollte schlafen. Doch der Traum
rief mich beim Namen.

Der See friert nicht zu
unter den Flügelschlägen
der Wildentenschar.

Langsam dämmert der Morgen
braucht seine Zeit- die
kann keiner kürzen.

Ist nichts in der Luft?
Nichts. Ein Sonnenstrahl
und tausend Stäubchen tanzen.

Eisenfeilspäne -
wie sie zusammenschießen
Stern um den Magnet.

Der See gefroren
jetzt erst suchen die Fische
die tiefste Tiefe.

Sturm verweht der Glocke Klang
oder kann vom Berg
einer ihn hören?

Verschneiter Waldteich
Wildspuren laufen sorglos
über die Tiefe.

Nächtlicher Schneesturm
unsre Laterne flackert -
schwankt nicht auch der Mond?

Die Flammen steigen
vom Herd in die dunkle Nacht.
Hellrote Falken
blaugefiederte Tauben
wüßt ich nur wo sie horsten.

Morgenweg im Schnee
groß lag da die Spur -
heimzu fand ich sie nicht mehr.

Ehe die Nacht kommt
streigt der Falke zur Höhe.
Die Spatzen lärmen.

Schlagt Löcher ins Eis!
Luft für die Fische
die tief am Seegrund schlafen.

Nach diesen Regentagen
ist das Salz nun schwer
kann's nicht mehr streuen.

Kleine Sonne blitzt
springt aus dem Zündholz
holt die Welt aus dem Dunkel.

Samen auf dem Schnee?
Dicht säen ihn die Birken
mitten im Winter.

Nachts über dem Eis
Funken dem Mond entlaufen -
suchen sie Obdach?

Helle Kristalle schimmern
ein Straßenkehrer
fegt sie als Schlamm fort.

Rückkehr aus Sonne und Schnee
ich tappe zum Herd
ist hier mein Zuhaus?

Der Nachtigall Nest
sucht ich im Frühling -
fand's heut im kahlen Gezweig.

Der große Fluß schweigt
manchmal nur tönt es leise
tief unter dem Eis.

 

Imma von Bodmershof: Haiku. München Wien, Langen-Müller: 1962

Imma von Bodmershof: Im fremden Garten. 99 Haiku. Zürich, Arche: 1980

Imma von Bodmershof: Haiku. Mit einer Studie über das Haiku von Wilhelm von Bodmershof. Dtv, München, 2002 (Erstveröffentlichung 1962). Neu herausgegeben von Carlgeorg Stoffregen. Mit Zeichnungen von Ruth Stoffregen. 160 S.

 

Jane Reichhold’s
excerpt from Those Women Writing Haiku; Chapter Five: In Europe

Imma von Bodmershof was born on August, 10th, 1895 in Graz, Austria; the daughter of the founder of the Gestalt Theory, Christian Freiherr von Ehrenfels. Through early contact with the expert on Hölderlin, Norbert von Hellingrath, Rilke and the group around Stefan George, she was influenced in her development of a literary career. From 1925, she and her husband, Dr. Wilhelm von Bodmershop managed the manor Rastback in the lower Austrian forest.

At first (1937) she wrote novels and collections of short stories and in 1962 Hajo Jappe chose a selection of her works to be published under the title, Unter acht Winden or Under Eight Winds. This could show that through their co-production, haiku was a factor as in that same year Imma von Bodmershof published her first book of poetry – Haiku. Though Frau von Bodmershof also maintained a home in Vienna, one wonders how much contact or the importance of the contact with Hajo Jappa (who later published haiku) and Anna von Rottauscher she had. Imma von Bodmershof writes in the introduction to her book, Sonnenuhr [Sundial] the following rather charming story.

"The manuscript with mine first German haiku was already with the publishers Langen-Müller, when the Frankfurter Allegeimen Newspaper came out with a long article about the Japanese haiku which was written by Erwin Jahn who had taught German literature for 30 years in the universities of Kyoto and Tokyo.

After a deep analysis of the Japanese art of haiku, the article ended with the comment that true haiku could not be produced in Europe. The reasons were: first, that no poets here live in the close togetherness with nature as do the haiku masters in Japan, and secondly, because this art can only grow out of the basis of Zen culture, from which Europeans are cut off.

Dr. Schondorf, who headed the Langen-Müller Publishing, sent me the article without comment. That left only one thing to do. To send my manuscript to Professor Jahn. His opinion would decide, and I was prepared to accept it, however it would turn out.

The letter, that he then sent to me, belongs to the loveliest that I have ever received, and began a friendship that lasted until his death. I should not worry, he wrote, my haiku fulfill all the requirements for the future German haiku poems. He described how his reading of my work felt like being taken into shady Shinto shrine forest after a long hike through glowing hot Japanese rice fields.

With that was the decision to publish my haiku book in Germany."

Through her close association with Erwin Jahn, Imma von Bodmershof's contacts with other persons concerning haiku were concentrated in Japan she kept informed of haiku activities in North America, citing in her book, Sonnenuhr, contact with Aric Amann in Canada. Through this it came about that her haiku were translated by Claire Pratt and the essay written by Wilhem von Bodmershof, "Studie über das Haiku" from the book, Im Fremden Garten, was translated into English to be published in Milkweed, edited by Marshall Hycuik in 1988.

Though Imma von Bodmershof did not have students or disciples in the way Japanese masters did, she, and her husband, were aware of the need to educate and share information about the Japanese culture and literature. Each of her books contains, not only her poems but always a healthy portion of education with them.

Being outspoken, Imma von Bodmershof, was also very critical of the haiku being written in Japan as well as the first efforts made by Germans. In many of her letters to Dr. Sabine Sommerkamp, she repeatedly refers to the misuse of haiku by the uninformed. She maintained that one could not "write" haiku but could only "meet" them and then put down the words. Yet she implied that what most wrote down were not pure haiku.

As she was critical with herself, rewriting her own haiku many times, she was also exact and blunt with others.

For poets and authors who were already publishing, this was often very hard to take, especially when they found in her work, what they thought to be detrimental weaknesses. Still, her poems and her efforts inspired many; including myself, up until her death stopped our flow of letters in August of 1982.

NOTES

Imma von Bodmershof. Sonneuhr. Salzburg: Stifterbibliothek Salzburg; Newgebauer Press Bad Goisern, Austria, 1970.

This resulted in the book, Löwenzahn -Die 17 Silben verküzten Haiku-. Imma von Bodmershof. Matsuyama, Japan:Verlag Itadori-Hakkosho, September 20, 1979. The remarkable on this edition are the appendix. One is by Hans Karsdoff, who writes explanations for 40 of the haiku. Then is an essay concerning a meeting with Imma von Bodmershof written by Gertrud von Heiseler, followed by tables compiled by Hajo Jappa showing and explaining the revisions Frau von Bodmershof made in these haiku (which were the same 99 published in 1962). Then Dr. Sabine Sommerkamp explains the season words used in ten of Imma von Bodmershof's haiku, which is followed by Akada Toyoji writing of a haiku journey made from Japan through Europe. At the end are biographies of each writer.


Imma von Bodmershof. Im Fremden Garten - 99 Haiku. Zürich:Im Verlag der Arche, 1980. This book contains, in addition, an essay by her husband, Wilhem von Bodmershof explaning the Japanese meanings of various subjects plus instructions on how to write haiku.